Gelsenkirchen. In der Serie über die großen Schalke-Trainer geht’s heute um Jörg Berger, der aus dem Abstiegskandidaten S04 einen Europapokal-Teilnehmer machte.
Als Andreas Müller am 12. Mai 1996 eine Flanke von Uwe Scherr in die Maschen geköpft hatte, war es vollbracht: Durch den 2:1-Heimsieg am 33. Spieltag gegen die Bayern stand S04 erstmals nach 19 Jahren wieder im Europapokal. „U – E – F – A ..., UEFA-Cup“, hatte Schalkes damaliger Trainer Jörg Berger (†) kurz zuvor noch etwas widerwillig hervor gepresst, als die Presse nach seinem Saisonziel gefragt hatte. Nun war es Wirklichkeit: Schalke durfte international spielen, vor allem dank Berger – wenngleich das Jahr 1996 bereits von starken Spannungen zwischen dem Erfolgscoach und dem Team geprägt war.
Ohne Berger wäre der Pott nie auf Schalke gelandet
Kein halbes Jahr nach Müllers Kopfball ins Glück musste Jörg Berger seine Koffer packen: Nach acht Spieltagen der Bundesliga-Saison 1996/97 und einer 1:2-Heimpleite gegen Leverkusen lag der Vorjahres-Dritte Schalke auf einem enttäuschenden 12. Platz. So ging Berger zwar als Erfolgscoach in Schalkes Geschichte ein, aber auch als „Unvollendeter“, der den UEFA-Cup-Sieg nur noch ansatzweise mitgestalten durfte. Ausgerechnet ein gewisser Huub Stevens führte die Knappen im Mai 1997 zum Triumph. Dabei hatte Berger den Niederländer in der 1. UEFA-Cup-Runde aus dem Wettbewerb gekegelt: durch ein 3:0 daheim und ein 2:2 auswärts gegen Stevens’ damaligen Klub Roda Kerkrade.
Heute ist es müßig, zu diskutieren, ob Schalke auch mit Berger den UEFA-Cup gewonnen hätte. Fakt ist: Ohne den einstigen DDR-Jugendauswahl-Trainer wäre der Pott wohl nie auf Schalke gelandet – denn Berger war es, der den Klub in nur drei Jahren vom Abstiegskandidaten zum Europacup-Teilnehmer transformiert hatte. „Jörg hatte definitiv seinen Anteil am Gewinn des UEFA-Cups“, sagt Andreas Müller heute, „nicht nur weil wir uns 1995/96 unter ihm für Europa qualifizierten. Er hatte mit einer sehr guten Vorbereitung auch den Grundstein für eine erfolgreiche Saison 1996/97 gelegt, wir waren physisch topfit.“
Als Feuerwehrmann verpflichtet
Dabei war Berger 1993/94 eigentlich nur als „Feuerwehrmann“ verpflichtet worden: Nach elf Spieltagen hatte er Schalke von Helmut Schulte übernommen. Da lag der Klub abgeschlagen auf Platz 18. Doch damit nicht genug: Zum Amtsantritt kassierte Berger eine 1:5-Pleite in Leverkusen, deren Ende Jens Lehmann nicht mehr sah, weil der S04-Keeper nach seiner Auswechslung in der Pause die nächste S-Bahn bestiegen hatte. „Dennoch spürte man: Jörg war der richtige Trainer für Schalke in dieser Situation“, erinnert sich Müller, „er hatte den Abstiegskampf schon mit anderen Klubs gemeistert. Er sah, dass wir verunsichert und in Grüppchen zerfallen waren. Einerseits hob Jörg die Stimmung im Team, indem er kleine Kabinenfeste organisierte und uns auch mal Burger von McDonald’s bringen ließ. Andererseits hat er uns mit intensivem Training topfit gemacht und sehr viel an den Standards gefeilt. So kamen wir Schritt für Schritt unten raus.“
Zudem stärkte Berger die Defensiv-Disziplin: In 22 Spielen nach der Klatsche von Leverkusen kassierte Königsblau nur noch 20 Gegentreffer (0,9 pro Partie). Bereits am 22. Spieltag verließ das Team die Abstiegszone, zwei Runden vor Schluss war man gerettet. Und im Sommer gab es weitere gute Nachrichten: Schalke holte neben Radek Latal aus Olmütz auch Klub-Ikone Olaf Thon aus München zurück. In der folgenden Saison 1994/95 stabilisierte Berger die Knappen, die auch dank verbesserter Offensive am Ende Platz elf belegten. „Da hatten wir schon einiges an Qualität hinzugewonnen, die Weiterentwicklung war klar erkennbar“, analysiert Müller.
Die Episode beim Spiel in Rostock
Die Spielzeit 1995/96 sollte die erfolgreichste in der Ära Berger werden. Eine eingespielte Truppe, ergänzt um den Ex-Gladbacher Martin Max, erspielte sich dank einer grandiosen Rückrunde (acht Siege, sieben Unentschieden, zwei Niederlagen) den dritten Platz – und damit die beste Schalker Abschlussplatzierung seit 1977 (2.). „Doch zu dieser Zeit hatte sich Jörg schon etwas von der Mannschaft entfernt“, verrät Müller. „Offen zutage trat dies am 30. Spieltag, als wir 2:0 in St. Pauli verloren. Während wir hinterher in den Bus stiegen, blieb Jörg in Hamburg, wo er eine Veranstaltung besuchen wollte. Das stieß vielen sauer auf. Es folgte eine große Aussprache, bei der ein Spieler zu Jörg sagte: ,Wenn es regnet, gehen wir trainieren, Sie gehen in die Sauna!“ Zehn Tage später, beim 2:1-Sieg in Rostock, kam es sogar zur Revolte: „Jörg wollte nach unserem Ausgleich den Punkt sichern“, erzählt Müller, „doch zwei, drei Spieler riefen raus: ,Nix, wir wollen gewinnen!’“
Als Berger am 3. Oktober 1996 gehen musste, war das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer zerrüttet. Lehmann hatte öffentlich geklagt: „Wir trainieren zu wenig!“ Und so waren es letztlich die Spieler, die für die Trennung gesorgt hatten. Als Schalke das folgende Liga-Heimspiel gegen Karlsruhe (unter dem bisherigen Assistenz-Coach Hubert Neu) 0:1 verlor, kam es zu wilden Fan-Protesten gegen „undankbare Profis“. Erst die folgenden Monate unter Stevens und die triumphale Tour durch Europa sollte die Anhänger mit ihrem Team versöhnen.
Jörg Berger erkrankte sechs Jahre nach seinem Abschied aus Schalke (2002) an Krebs, 2010 erlag er diesem Leiden. Er wurde 65 Jahre alt.