Buer. . Für das Aus der PSV-Handballer machen Hans-Jürgen Mühlenbrock und Josef Helwig vor allem auch gesellschaftliche Veränderungen verantwortlich.
Es ist eigentlich der Abend eines Trauergesprächs. Der Polizeisportverein Gelsenkirchen wird seinen 100. Geburtstag im kommenden Jahr ohne seine Handball-Abteilung feiern müssen. Hans-Jürgen Mühlenbrock und Josef Helwig, die die Geschicke und die Geschichte der PSV-Handballer in der Sporthalle Vinckestraße an der Breddestraße jahrelang geprägt und geschrieben haben, haben einen Schlussstrich gezogen. Und so wird als letzte Platzierung in der Chronik der zehnte Platz in der 2. Kreisklasse stehen.
Klar: Spüli Mühlenbrock, das Gesicht dieser Handballer aus und in Buer, das schon im Kindesalter – seit 1956 genau – dabei und dann seit 1974 Geschäftsführer gewesen ist, und Josef Helwig, der seit 1994 Abteilungsleiter sowie zuvor als Nachfolger von Manuel Neuers Vater Peter Jugendleiter gewesen ist, sind auch traurig. „Beim letzten Heimspiel habe ich schon mit den Tränen zu kämpfen gehabt“, sagt Hans-Jürgen Mühlenbrock. Mit 28:25 gewann der PSV dies am 4. Mai gegen den VfL Bochum II und feierte somit den letzten Sieg der Klubgeschichte.
Hans-Jürgen Mühlenbrock: „Es ist aber auch eine Erleichterung zu spüren“
„Es ist aber auch eine Erleichterung zu spüren“, sagt der 69-Jährige bei herrlichem Abendwetter vor dem Zutz. Erleichterung? Es scheint sogar eine große Erleichterung zu sein. Die beiden PSV-Macher waren nicht mehr bereit, sich zu quälen und immer schon ab montags betteln zu müssen, um am Samstag oder Sonntag sieben, acht Handballer zu haben, von denen Axel Kretschmann bald 60 Jahre alt wird, Volker Dalian 56 und Frank Roslawski 50 ist. „Ohne die“, sagen die beiden, „hätten wir schon mitten in der Saison aufgeben müssen. Wir hatten ja manchmal nur fünf Feldspieler.“ 60 Minuten in Unterzahl.
Verantwortlich für den Absturz ihrer Handball-Abteilung machen Hans-Jürgen Mühlenbrock und Josef Helwig die Veränderungen in der Gesellschaft, vor allem auch, dass es keine Verlässlichkeit mehr gibt. „Heute gehen sie um 20 Uhr zum Konzert und können um 15 Uhr nicht spielen“, erzählt der 74-jährige Josef Helwig. „Das Zusammengehörigkeitsgefühl gibt es nicht mehr.“
Die Geselligkeit ist, und das ist nicht nur bei Handballern zu beobachten, total flöten gegangen. Oder in Spüli-Worten: „Heute musste du in einer Kiste Cola, Fanta, Fassbrause und so’n Blödsinn haben. Früher wurdest du gefragt, warum du nur eine Kiste Bier hast.“ Sie werden dann sehr deutlich. „Es hat keinen Spaß mehr gemacht“, sagt Josef Helwig. „Du wirst von denen auch verarscht“, sagt Hans-Jürgen Mühlenbrock.
Thomas Lücke führt den PSV in die Verbandsliga
Auf diese Gesellschaftsanalyse, die vielleicht auch noch zu einem Trauergespräch passt, folgt allerdings ein sehr fröhlicher Teil. Und die vielen, vielen schönen Dinge, die das langjährige Führungsduo der PSV-Handballer erlebt hat, werden mit der Schließung der Abteilung nicht annulliert. Nie und nimmer! Es wird an diesem Abend an der Rottmannsiepe auch sehr, sehr viel gelacht, es werden zahlreiche Dönekes erzählt. Hans-Jürgen Mühlenbrock und Josef Helwig könnten mit ihrem Erinnerungsschatz mehrere PSV-Bücher füllen. Ohne Probleme.
Unvergessen sind selbstverständlich zwei Erlebnisse. 1981 war es, als die Gelsenkirchener in Linnich, das zum Kreis Düren gehört, Deutscher Meister der Polizeisportvereine wurden. „Da wollten wir uns eigentlich nur ein feuchtfröhliches Wochenende machen, weil wir uns überhaupt nichts ausgerechnet hatten“, erzählt Hans-Jürgen Mühlenbrock, der seinen Spitznamen Spüli an diesem Abend auch gestickt auf seinem schwarzen Hemd trägt.
Drei Senioren- und drei Jugend-Mannschaften
Oder 2001: Da führte Thomas Lücke die PSV-Mannschaft als Spielertrainer in die Verbandsliga und garantierte somit Derbys gegen den lange so übermächtigen FC Schalke 04. Unter anderem spielten damals auch Günter Kleebach sowie die Steinrötter-Brüder Carsten und Oliver in der Sporthalle an der Vinckestraße, die Abteilung hatte drei Senioren- und drei Jugend-Mannschaften sowie fast 100 Mitglieder.
Nur noch in vier Vereinen wird Handball gespielt
Eigentlich wurde in Gelsenkirchen einst an jeder Ecke Handball gespielt. 17 Vereine hat Hans-Jürgen Mühlenbrock zusammengezählt, und da tauchen auch Namen wie Scholven, Heßler und Horst auf.
Was nach dem Rückzug des PSV Gelsenkirchen bleibt, sind lediglich vier Handball-Klubs in dieser Stadt. Der FC Schalke 04, der in der Oberliga das Aushängeschild ist, der TB Beckhausen in der 1. Kreisklasse, sowie die DJK Schwarz-Weiß Gelsenkirchen-Süd und der CVJM Gelsenkirchen, die in der vergangenen Saison in der 4. Kreisklasse, also der untersten Liga, auf dem vorletzten und letzten Platz gelandet sind.
Und dann war da auch diese ganz besondere Partie beim Lokalrivalen, die der PSV eigentlich verlegen wollte, weil zwei seiner Polizisten Dienst hatten. Die Schalker lehnten aber ab, „wir reisen da an, und nach dem Spiel küsst Spüli den Hallenboden“, sagt Hans-Jürgen Mühlenbrock. Er grinst. „Das hat auch so in der Zeitung gestanden. Wir haben mit vier oder fünf gewonnen.“
Abstieg aus der Verbandsliga im Jahr 2003
Die Saison danach war dann aber auch schon die letzte des PSV in der Verbandsliga. „Und dann kam das Übel, fast jedes Jahr“, sagt Josef Helwig. Die Gelsenkirchener stiegen aus der Landesliga ab, aus der Bezirksliga, aus der Kreisliga und aus der 1. Kreisklasse, in der einst nach dem Aufstieg 1988 sogar die Dritte des PSV gespielt hatte. Was sich dann doch wieder alles traurig liest.
Letztlich ist es auch so, dass sich Hans-Jürgen Mühlenbrock und Josef Helwig von ihrer großen Leidenschaft getrennt haben. Ihrer Liebe, dem Handballsport, aber werden sie weiterhin sehr treu bleiben. „Wir werden uns“, sagen sie noch schnell, „in der Schürenkamp-Halle sehen.“ Wenn der einst gleichwertige FC Schalke 04 ab September wieder um Oberliga-Punkte spielen wird.