Gelsenkirchen. . In den meisten Sportarten haben männliche Trainer das Sagen. Auch in Gelsenkirchen gibt es nur wenig Frauen, die einer Mannschaft vorstehen.
Vor 100 Jahren wurde es eingeführt: das Frauenwahlrecht in Deutschland. Ein wichtiger Schritt für die Gleichberechtigung. Und noch älter ist der Internationale Frauentag, der seit 1921 jährlich am 8. März begangen wird. Seitdem hat sich viel geändert, vieles zum Besseren gewendet für Frauen, auch im Sport. In Deutschland gibt es im Jahr 2019 ähnlich viele Leistungssportlerinnen wie Leistungssportler. Aber wie sieht es bei den Trainerinnen aus? Hier, in Gelsenkirchen?
Emscher Lippe Eishalle: 50 Kinder sind mit ihren Schlittschuhen auf der Eisfläche. Die einen über Sprints, fahren rückwärts, die anderen laufen mit Stock und Puck Slalom durch Pylone. Mitten drin ist Barbara Glotzbach. Sie ist eine Exotin: eine Trainerin in einem typischen Männer-Sport. Nämlich Eishockey.
Pfiff
Glotzbach pustet genau so energisch in die Pfeife, wie sie ihre Kommandos gibt. „Hey, ihr drei, ihr kommt jetzt auch hier an die Bande. Wir üben jetzt Bremsen.“ Glotzbach ist zwar mit ihren 1,53 Metern nicht gerade eine große Erscheinung, im Griff hat sie die Laufschul-Kinder aber alle Mal. Als ausgebildete Heilerziehungspflegerin ist sie bestens geschult im Umgang mit Kindern. „Ein Glücksfall für uns“, findet Matthias Begel, Geschäftsführer des EHC Gelsenkirchen. Seit 2009 trainiert die 35-Jährige schon den Nachwuchs und will sich stetig weiterentwickeln. „Natürlich unterstützen wir das“, betont Begel, der stolz auf die einzige Trainerin des Vereins ist.
Pfiff
Das Café im Umfeld der Eishalle: Die beiden, die hier sitzen und sich auf das anstehende Training vorbereiten, sind als Trainerinnen in Gelsenkirchen zwar auch Ausnahmen, in ihrem Sport aber keine Exoten. Alles andere als das. Lisa Taruttis (27) und Janine Nowak (30) trainieren die Cheerleader der Gold Flames Gelsenkirchen. Nowak gehört sogar zum Vorstand ihres Klubs. Eine Seltenheit in Gelsenkirchen. Alles ehrenamtlich natürlich, dabei sind die Gold Flames äußerst erfolgreich: mehrfache Deutsche Meister, Vize-Europameister und Europameister. Das sind nur einige ihrer Titel. Trotz dieser Erfolge müssen sie sich auch im Jahr 2019, meistens von Männern, fragen lassen: „Püschel schwenken, ist das Sport?“
Die beiden Cheerleaderinnen schauen sich an und lächeln souverän. „Wenn einer das sagt, dann antworten wir: Komm doch mal beim Training vorbei.“ Dreimal in der Woche wird zwei Stunden an neuen Choreographien und Pyramiden gearbeitet. Stark müssen sie sein, die Cheerleaderinnen, athletisch und vor allem mutig.
Männer können auch mitmachen
Nowak: „Von Versicherungen wird Cheerleading als eine der gefährlichsten Sportarten eingeschätzt.“ Kein Wunder, wenn Sportlerinnen in über drei Meter Höhe gehievt werden und auf den Schultern ihrer Teamkolleginnen auch noch Akrobatik vorführen. Blaue Flecken gehören da zum Alltag. Männer können übrigens auch mitmachen. „Seit 2017 gehört der Cheerleading und Cheerdance Verband Deutschland zum Deutschen Olympischen Sportbund und Cheerleading ist auf der Vorschlagsliste für Olympische Spiele“, weiß Trainerin Janine Nowak. Von wegen, kein Sport.
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Zurück in der Eishalle: Die Kids haben Trinkpause. Barbara Glotzbach erzählt, dass sie auch in der Männermannschaft des EHC spielt. Als einzige Frau. „Klar, man braucht ein dickes Fell. Da kommen schon Sprüche. Aber die weiß ich inzwischen zu kontern.“
Ihre Freunde und Bekannten seien am Anfang aber doch ein bisschen irritiert wegen ihres Hobbys gewesen. „Wie, Eishockey? Du?“ Glotzbach lacht. Das Erstaunen sei aber meist in ihrer eher zierlichen Statur begründet gewesen und nicht in dem Fakt, dass sie eine Frau ist. „In NRW gibt es schon einige Frauen-Mannschaften, aber eben kaum Trainerinnen.“
Ein Torhüter kommt auf Glotzbach zugefahren. Erst auf nahe Distanz ist zu erkennen, dass es eine Torhüterin ist. „Ist doch super, wenn die Mädels hier ein Vorbild haben und sehen, dass es nicht abwegig ist, wenn Frauen Eishockey spielen“, sagt Matthias Begel, der über zehn neue Anmeldungen von Mädchen berichtet. Die Trinkpause ist vorbei.
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Im Café erzählen Taruttis und Nowak von ihren Auftritten. Unter anderem für die Basketballer des FC Schalke 04. „Wir werden für die Spiele gebucht“, sagt Nowak, die sportliche Leiterin des Vereins. In kurzen Röckchen die Beine schwingen, zur Bespaßung von Männern, ist das nicht ein bisschen 1960er? „Finde ich nicht. Wir sind selbstbewusste Frauen, die ihren Sport dort präsentieren. Wir entscheiden, was wir anziehen und wir möchten für uns gut aussehen.“ sagt Taruttis.
„Außerdem machen wir den Sport, um unsere Ziele zu verfolgen. Deutsche Meisterschaften, Europameisterschaften. Die Shows beim Basketball sind Zugabe“, ergänzt Nowak. Was sich die beiden aber wünschen, ist mehr Aufmerksamkeit für ihren Sport. „Klar, können wir mit den Fußballern des FC Schalke nicht mithalten. Das ist ja eine ganz andere Größenordnung. Wir sind ja selber Fans.“ Dass sie sportlich mehr drauf haben als Fußball-Kreisligisten, da sind sie sich aber sehr sicher.
Dort, im Fußball, könnte es ihrer Meinung nach auch mehr Frauen vertragen. Kein Gelsenkirchener Team wird von einer Frau trainiert. Nicht einmal das Landesliga-Frauen-Team der SSV Buer hat einen weiblichen Trainer. Immerhin die U17-Juniorinnen der SSV werde von Julia Chochollek und bald von Sabrina Dörpinghaus trainiert.
Beim BV Cloppenburg sorgt derzeit Imke Wübbenhorst für Furore. Sie trainiert dort als erste Frau in Deutschland eine Oberliga-Fußballmannschaft im Männerbereich.
100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland hat sich einiges bereits verändert, es bleibt aber (nicht nur) im Gelsenkirchener Sport noch viel zu tun in Sachen Gleichberechtigung.
>>> Erster Internationaler Frauentag im Jahr 1911
Der 8. März ist der Internationale Frauentag. Er entstand in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg im Kampf um die Gleichberechtigung, das Wahlrecht für Frauen sowie die Emanzipation von Arbeiterinnen und fand erstmals am 19. März 1911 statt.
Seit 1921 findet der Internationale Frauentag jährlich am 8. März statt. In Berlin ist er ab diesem Jahr sogar ein gesetzlicher Feiertag.
>>> „Mein Trainer-Vorbild ist mein Bruder“
Bis zum Saisonende ist Sabrina Dörpinghaus noch als Fußballerin bei der SG Essen-Schönebeck aktiv. Dann wird sich die ehemalige Bundesliga-Spielerin auf ihre neue Aufgabe an der Seitenlinie konzentrieren. Die 30-Jährige übernimmt nämlich den Trainerposten bei den Juniorinnen der SSV Buer. Ein Gespräch über neue Aufgaben, Ziel und Vorbilder.
Warum gibt es noch immer so wenig Trainerinnen?
Sabrina Dörpinghaus: Man muss wirklich richtig Lust darauf haben, Trainer zu werden. Acht Stunden arbeiten und danach auf den Fußballplatz zum Training. Das ist besonders für Frauen nicht so einfach unter einen Hut zu kriegen.
Warum werden Sie jetzt Trainerin?
Ich liebe den Fußball, habe mit fünf Jahren angefangen zu spielen. Weil meine aktive Karriere im Sommer endet, ist das eine gute Möglichkeit, meinem Lieblingssport eng verbunden zu bleiben.
Haben Trainerinnen auch Vorteile?
Ich denke, dass das Vertrauensverhältnis von Sportlerinnen und Trainerinnen ein viel besseres ist. Besonders bei den Juniorinnen. Wenn sie mal Probleme haben, wenden sie sich damit wahrscheinlich eher an eine Frau als an einen Mann.
Haben Sie ein Trainer-Vorbild? Vielleicht Imke Wübbenhorst, die als erste Frau eine Regionalliga-Männermannschaft trainiert?
(lacht) Ich kenne Imke noch von früher. Sie ist eine tolle Trainerin und hat viel dafür gearbeitet, um jetzt da zu stehen, wo sie ist. Ein richtiges Vorbild habe ich nicht. Außer vielleicht meinen Bruder. Er ist schon seit langem Trainer und macht es sehr gut. Von ihm kann ich noch viel lernen.