Schalke. . Über 30 Schalker Profis haben in der Gesamtschule Berger Feld die Schulbank gedrückt. Das Fußball-Projekt der DFB-Eliteschule in Kooperation mit Schalke bietet den Talenten viele Vorteile

Das Büro von Schulleiter Jochen Herrmann in der Gesamtschule Berger Feld ist nicht zu verfehlen: im langen Flur vorbei an den 32 gerahmten Bildern, gleich dahinter durch die Tür auf der rechten Seite. Dass Fotos von ehemaligen Schülern ein Schulgebäude schmücken, ist nichts Außergewöhnliches. Dass 32 Schüler einer Schule aber schon in der Fußball-Bundesliga zum Einsatz gekommen sind, ist einzigartig.

Fabian Lamotte ist ganz vorne zu sehen, Joel Matip in der Mitte, auch ein Bild von Schalkes Nummer eins Ralf Fährmann schmückt den langen Schulflur. Der derzeit Letzte in der Reihe ist Fabian Reese. Der 18-Jährige feierte im November sein Debüt bei den Schalker Profis. Die Kooperation zwischen der Gesamtschule und dem FC Schalke 04 besteht schon seit über 20 Jahren. „Berger Feld“ ist außerdem NRW Sportschule und eine vom DFB zertifizierte Eliteschule des Fußballs.

62 Teilnehmer im neuen Schuljahr

Sebastian Meier und Mike Dierig sind nicht nur Lehrer, sie sind auch die Fußball-Koordinatoren der Schule, von deren Schulhof man den allerbesten Blick auf die Veltins Arena hat. Die Heimstätte des FC Schalke 04 ist das große Ziel der meisten fußballbegeisterten Schüler dieser außergewöhnlichen Schule. Viele Teilnehmer des Fußball-Projekts haben Meier und Dierig auf dem Weg in den Profifußball schulisch begleitet: Manuel Neuer, Mesut Özil, Leroy Sané, Max Meyer, Julian Draxler und Benedikt Höwedes sind sogar Nationalspieler geworden. Das neue Schuljahr beginnt am Mittwoch mit 62 Teilnehmern. Auch sie träumen davon.

Neben Mathe, Deutsch und Englisch steht für die Schüler an drei Tagen pro Woche Fußball auf dem Stundenplan – unterteilt sind die Gruppen nach den Sekundarstufen I und II. Renommierte Jugendtrainer der Knappenschmiede wie Norbert Elgert, Stephan Schmidt, Willi Landgraf und Frank Fahrenhorst trainieren die Schüler während der Schulzeit auf dem Schalker Vereinsgelände. Viele Schüler kennen sie bereits aus ihren Nachwuchsteams auf Schalke.

Während der Schulzeit wird nur dosiert trainiert – meistens im technischen oder taktischen Bereich. Auf jeden Fall mit Augenmaß – schließlich ist die Belastung in den höheren Jugend-Altersklassen sowieso schon hoch. Einige Schüler sind Junioren-Nationalspieler, für sie stehen neben dem Projekt- und Vereinstraining auch noch Reisen zu Länderspielen an.

Das Konzept des Fußball-Projekts sieht vor, dass Unterrichtsstunden, die wegen des Sports verpasst werden, nachgeholt werden. In der Regel nachmittags in kleinen Gruppen. „Wenn alle anderen Schüler frei haben, wird hier noch gepaukt“, sagt Sebastian Meier.

Stehen mehrtägige Reisen oder gar große Turniere wie Weltmeisterschaften oder Europameisterschaften an, ist es kaum möglich, den Unterrichtsstoff in vollem Umfang nachzuholen. Nicht einmal, wenn zur Reisedelegation des DFB, wie üblich, Lehrer gehören. „Viele Lehrerkollegen an unserer Schule sind in das Fußball-Projekt eingebunden und sehr hilfsbereit, sodass es uns doch gelingt, das Allermeiste nachzuholen“, erklärt Mike Dierig, der selbst eine Fußballlehrer-Lizenz hat. Sebastian Meier stellt klar: „Ohne das große Engagement des Kollegiums wären wir als DFB-Eliteschule sicher nicht so erfolgreich.“

Im Austausch mit Tomasz Waldoch

Stimmen die Schulnoten nicht, oder stehen wichtige Klausuren an, kann es vorkommen, dass Trainingseinheiten vom Stundenplan gestrichen werden. „Wir entscheiden immer im Sinne der Schüler“, sagt Mike Dierig. Schalkes ehemaliger Mannschaftskapitän Tomasz Waldoch und Dietmar Rainer, der pädagogische Leiter der Knappenschmiede, sind von Vereinsseite mit den Fußball-Koordinatoren diesbezüglich ständig in einem engen Austausch

Als Thilo Kehrer im vergangenen Jahr schon im Abiturstress steckte, Schalkes damaliger Cheftrainer Roberto Di Matteo den Verteidiger aber in den Kader für das Champions League Spiel gegen Real Madrid berief, haben sich seine Lehrer sogar in den Osterferien mit ihm zusammengesetzt, um ihn auf die Prüfungen vorzubereiten. Mit Erfolg übrigens. Der Schalker Profi hat sein Abitur bestanden.

Das Fußball-Projekt umfasst außerdem ein Mentorenprogramm, in dem Schüler aus dem gleichen Jahrgang die Aufgabe übernehmen, einem Teilnehmer auf den neuesten Stand zu bringen, falls er Unterrichtsstunden versäumt.

Den Schülern, die von ausländischen Klubs nach Schalke wechseln, wird in enger Zusammenarbeit mit der Universität Duisburg/Essen eine Sprachförderung angeboten. Jacob Rasmussen, der 2014 aus Dänemark kam, Kapitän der Schalker U19 war und im Sommer zum FC St. Pauli wechselte, entschied sich dann aber doch für ein Studium an einer Fernuni. „So machen es einige Spieler. Dennoch ist die Sprachförderung von enormer Bedeutung für die jungen Spieler aus dem Ausland – eine Chance, sich auf und neben dem Platz sprachlich zu integrieren“, sagt Sebastian Meier.

Wer nach Fabian Reese der nächste Schüler sein wird, der den Sprung in den Profifußball schafft, können Sebastian Meier und Mike Dierig natürlich nicht vorhersehen. Sie können nur weiterhin dafür sorgen, dass ihre Schüler Schule und Fußball unter einen Hut bekommen.

Vor dem Büro des Schulleiters ist aber auf jeden Fall noch Platz für weitere Fotos. Der Flur ist lang.