Gelsenkirchen. .
Einfach mal innehalten. Nicht leicht, hier, wo die Kurt-Schumacher-Straße die Grillostraße kreuzt. 40 000 Autos fahren hier jeden Tag entlang, aus der Stadt zur Arena, von Buer nach Gelsenkirchen – und in die andere Richtung.
„Einfach mal innehalten. Jeder von euch ist schon einmal hier vorbei gefahren. Aber wart ihr schon einmal hier drin?“, fragt Olivier Kruschinski zu Beginn der Mythos-Tour. Startpunkt ist die Kirche St.Joseph in Gelsenkirchen.
Kruschinski schließt auf, lässt die Gruppe herein, lässt die Tür zufallen. Trubel und Lärm sind verschwunden. Hier herrscht eine andächtige Stille. Eine Stunde lang bleibt Kruschinski in der Kirche und setzt Eckpunkte für seine Tour. Von der Ansiedelung eines Adelsgeschlechts namens „Schalke“ im heutigen Stadtteil Schalke, über die Boomzeit des neuen „Ruhr York“, als die Bevölkerung der Stadt von 0 auf 400 000 explodierte und auch als die Massen wieder fortzogen – und die Liebe zu ihrem Fußballclub mitnahmen. „So wurde Schalke vom lokalen zum überregionalen Phänomen“, erklärt Kruschinski. Die durchschnittliche Anreise eines Fans zu einem S04-Spiel betrage 150 Kilometer.
Für diese Geschichte benötigt Kruschinski einen Altar – nicht den Hochaltar vorne, sondern einen Schalke-Altar im hinteren Bereich – und drei Kirchenfenster, auf denen unter anderem Bergleute abgebildet sind, die Emscher, verschiedene Heilige. Unter anderem auch der Heilige Aloysius – mit blauen Socken, Fußballschuhen und Ball.
So wichtig ist der FC Schalke für den Stadtteil Schalke, dass er sogar auf den in den 1950er-Jahren geschaffenen Kirchenfenstern stattfindet. „Das war damals der soziale Kitt der Stadt. Glaube und Verein gehörten einfach dazu“, sagt Kruschinski.
Nicht nur in der Kirche ist Schalke, an Spieltagen ist auch der Eingangsbereich königsblau und weiß geschmückt, wenn Pfarrer Ingo Mattauch alle Schalker (und gegnerischen) Fans in die offene Kirche zum Innehalten einlädt. Normalerweise ist die Kirche abgeschlossen.
Kruschinski hat noch eine Anekdote, um die Nähe von Verein und Gemeinde zu belegen. Mattauchs Vorgänger Franz Kohle (der Name ist kein Scherz) war nicht nur der erste Schalker Nachkriegspfarrer, der für die sportlichen Fenster verantwortlich ist. Er war auch der beste Kumpel von Berni Klodt und saß 1958 im Gemeindesaal mit ihm am Tisch: Bei der bislang letzten Meisterfeier des FC Schalke 04.