Gut vier Monate zurück blickend, war bei Kai Spenner beim Saisonstart eher Skepsis und Zurückhaltung angesagt. „Mal schauen, was herauskommt“ war die Devise des 23-jährigen Kanuten der KG Essen vor der ersten Sichtung des Deutschen Kanu-Verbandes.
Gut vier Monate zurück blickend, war bei Kai Spenner beim Saisonstart eher Skepsis und Zurückhaltung angesagt. „Mal schauen, was herauskommt“ war die Devise des 23-jährigen Kanuten der KG Essen vor der ersten Sichtung des Deutschen Kanu-Verbandes. Zwar war er im Vorjahr zusammen mit Max Rendschmidt sensationell U23-Europameister geworden, hatte sich dann aber im Herbst die Schulter „lädiert“, gerade in einer der trainingsintensivsten Zeiten.
Nun vier Monate später, ist dies kein Thema mehr, denn Kai Spenner geht bei der Duisburger Heim-WM an den Start. Und dies, „obwohl die nationalen Qualifikationen gar nicht so gut liefen“. Doch es lief gut genug, sich in die Nationalmannschaft zu fahren. Was folgte, waren umfangreiche Tests zur Mannschaftsbootbildung. Bei denen Kai Spenner auch mit besten Kraftwerten zu überzeugen vermochte. Und so geht er nun im 1000m-Viererkajak, dem traditionellen Verbands-Flaggschiff, in die WM-Rennen, gemeinsam mit Schlagmann Martin Hollstein (Neubrandenburg) und den Berli-nern Kostja Stroinski und Robert Gleinert.
„Zunächst war ich natürlich froh, in die Nationalmannschaft gerutscht zu sein. Dann froh, im Vierer sitzen zu dürfen. Dass ich jetzt tatsächlich bei der WM starte, war zu Saisonbeginn eher Traum, als realistische Vorstellung“, macht der WM-Neuling keinen Hehl daraus, wie wohl er sich fühlt.
Schwieriger Spagat
Er genießt den Lohn für den Aufwand, den er betreibt. Noch versucht er, Hochleistungssport mit Studium und Arbeit in Einklang zu bringen; ein schwieriger Spagat, eine anstrengende Gratwanderung. Zwischen den WM-Lehrgängen war für ihn immer Alltag angesagt: Morgens um 6 Uhr eine erste Paddeleinheit absolvieren, dann häufig in den Kraftraum. Gegen 8.30 zur Arbeit im Bereich Vertrieb/Marketing der Conener-gyAgentur. Um 17 Uhr zum zweiten Wassertraining auf den Baldeneysee; ergänzt durch weitere Kraft-, Athletik- oder Laufeinheiten – dies zumeist zeitversetzt zur übrigen Trainingsgruppe und somit allein. „Das ist schon anstrengend, auch die Regeneration sicher nicht optimal. Aber auf der Arbeit denke ich dann nicht ans Paddeln, vielleicht ist dies meine Erholung der anderen Art“, umreißt der 23-Jährige seine Sichtweise. Sein BWL-Studium hat er in der Weltcupsaison zurück gestellt; „erst im Oktober kommt wieder eine Klausur auf mich zu“. Dann sind in der Woche zwei Tage Uni und drei Tage Arbeiten angesagt – neben dem Sport.
Duale Karriere
„Den Kai zeichnet aus, dass er versucht, eine Duale Karriere zu realisieren. Er macht ganz selbständig sein Ding, ohne den kontinuierlichen Rückhalt des gemeinsamen Trainings. Er ist ungemein konzentriert und fokussiert“, lobt Heimtrainer Robert Berger. Die Zusammenarbeit mache großen Spaß mit ihm, mit seiner ruhigen und „wohl auch etwas sauerländischen Art“, wie Berger lachend ergänzt und da-bei die Wurzeln von Kai Spenner anspricht, der von Herdecke ruhrabwärts an den Baldeneysee gezogen ist. Die WM-Teilnahme in Duisburg soll dabei nicht die letzte sportliche Station für Kai sein. „Der absolute Traum eines jeden Sportlers ist eine Olympia-Teilnahme. In diesem Jahr sind Weltmeisterschaften – und die kommen dem ja schon recht nahe“, richtet Kai Spenner seinen Blick durchaus über die Wedau hinaus. Rio de Janeiro 2016 – „das wäre der absolute Hammer.“ Fast hätte es ja schon in diesem Jahr mit Rio geklappt, dem geplanten WM-Ort. Aber Rio musste finanziell passen und Duisburg sprang ein. „Zwar kenne ich die Duisburger Wedau in- und auswendig, aber nicht vor einer WM-Kulisse. Das hat für mich ei-nen ganz besonderen Reiz“, blickt Kai Spenner dem neuen Duisburger Feeling erwartungsvoll entgegen. Zumal viele Freunde und vor allem die Familie vor Ort dabei sein können. Speziell seine Eltern werden seinen Auftritt – in der typisch Spennerschen ruhigen Art – einfach nur genießen, sich freuen, „dass ihr Sohn auf der WM paddelt“.
Der Spross einer richtigen Kanu-Familie
Kai Spenner entstammt einer Kanu-Familie. Ein Uropa war Gründungsmitglied des Heimatvereins in Herdecke, Opa Heinz anschließend jahrelang Vorsitzender und Regattasprecher. Mutter Petra und Vater Thomas sind auch engagiert im Herdecker Kanu-Club. Thomas Spenner ist zudem häufig als Regattasprecher bundesweit im Einsatz. Und Bruder Sven ist im Kanupolo zu Hause. Er ist nicht nur Spielertrainer der KG Wanderfalke, sondern auch Vorbild für Kai. „Ich möchte meinem Bruder nacheifern. Der hat es geschafft und ist in der Spitze angekommen. Er hat mit der Nationalmannschaft Gold bei den World Games gewonnen, dem höchsten Kanupolo-Wettkampf.“
Raspelkurzes Haar
Was für den Filius nicht bedeutet, vor heimischer Kulisse stärker unter Druck zu stehen. „Ich bin ein Mensch, auf den keiner mehr Druck ausüben kann. Viele wollen gewinnen bei der WM. Ich bin froh, dabei zu sein. Es ist auch immer alles drin. Im Training ist es bis jetzt immer gut gelaufen. Die Umsetzung ins Rennen war aber noch ausbaufähig. Das wollen wir noch hinkriegen. Ich möchte ein geiles Rennen fahren und dann zufrieden sein. Wenn dabei eine Medaille herauskommt, würde ich die natürlich nicht ablehnen. Aber wenn nicht, bricht die Welt für mich nicht zusammen. Hauptsache, wir fahren ein gutes Rennen. Ich möchte am Ende sagen: das war alles, was ging“.
Auch Kai Spenner hat sich ebenso wie Max Rendschmidt optisch verändert in den letzten Wochen. Auch er die Haare von natürlich blond auf rot und schwarz gefärbt und Raspel kurz. Auch er ist mit einem kernigen Ritual der A-Nationalmannschaft als Neuling getauft worden. „Für mich war diese Taufe schön. Es ist eine wichtige Tradition, die zeigt, dass man nun dazu gehört“, erklärt Kai Spenner.