Das Freiwasser ist für Langstreckenschwimmerin Isabelle Härle von der SG Essen immer wieder eine neue Herausforderung . Sie liebt das Becken, hat aber im offenen Gewässer international größere Erfolgschancen. Am Samstag startet sie in Barcelona über fünf Kilometer.

Es ist ein Abenteuer. Wie immer. Denn Freiwasser-Schwimmer wissen nie, was sie erwartet: Strömung, Wellen, das Wasser salzig oder süß, mal kristallklar, mal Kloake, mal Badewasser oder aber „Eismeer“, wie Ende Juni bei der DM in Duisburg mit einer Wassertemperatur von 16,4 Grad Celsius.

Nur auf die Tatsache, dass man nie genau weiß, was einen erwartet, kann man sich wirklich verlassen. Und deshalb benötigt Isabelle Härle (25) immer wieder auch eine gewisse Zeit, um sich mit den Umständen anzufreunden.

Die SGE-Schwimmerin spricht über ihren Start an diesem Samstag bei der Weltmeisterschaft in Barcelona, über die Unwägbarkeiten im Freiwasser und darüber, dass sie viel lieber die Kacheln im Becken zählt, weil es dort klare Verhältnisse gibt. Länge, Breite, Temperatur, alles genormt. Keine Gegnerin, die einem im Platzierungsgerangel die Hand ins Gesicht schlägt oder einen Fußtritt verpasst.

Das Herz schlägt für das Beckenschwimmen

„Das Herz schlägt für das Beckenschwimmen, doch international sind meine Erfolgsaussichten im Freiwasser einfach besser“, erklärt Härle etwas, was nicht schwer zu verstehen ist. Die Aussicht auf Erfolg ist schließlich die entscheidende Motivation für die Schinderei und all die Entbehrungen.

Wie sich Misserfolg anfühlt, das weiß Isabelle Härle. Die Langstreckenschwimmerin verpasste im Vorjahr über 800-Meter Freistil die Qualifikation für die Olympischen Spiele – und war untröstlich. Eine riesige Enttäuschung, die ihr zu schaffen machte. „Ich bin darüber hinweg. Mittlerweile“, versichert die Studentin. Nun aber gilt es, sich erneut zu beweisen.

Wenn Härle, die deutsche Vizemeisterin, heute vor der katalanischen Metropole ins Hafenbecken steigt, um die fünf Kilometer abzuspulen, könnte sie vorn dabei sein. Wesentlich besser stehen aber die Chancen am kommenden Donnerstag beim 5 km Teamwettbewerb, wo sie gemeinsam mit dem Rekordweltmeister Thomas Lurz (33) starten wird, einem der Top-Favoriten dieser WM. Auf die olympischen 10 km wird Härle verzichten, weil sie nur zwei Tage Pause hätte bis zu diesem Einsatz, bei dem eine Medaille möglich ist.

Der Routinier Thomas Lurz war es auch, der Härle ansprach, ob sie sich nicht mal als Freischwimmer probieren möchte. Auch damals hatte sie eine Niederlage hinter sich, als sie als Deutsche Meisterin die Qualifikation für die WM in Shanghai über die 800 m verpasst hatte. „Erst war ich skeptisch“, erinnert sich Härle, damals noch für Nikar Heidelberg am Start. Aber sie trotzte ihrer Skepsis, überwand die Zweifel. Und der Mut wurde mit einer Bronzemedaille im Teamwettbewerb belohnt. „Ich war überrascht und habe mich natürlich riesig gefreut.“

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Aber das Freiwasser hat halt immer etwas Exotisches an sich. Die Athleten trainieren war ganz normal wie alle anderen im Becken. Aber dort kann aber nur die Grundlagen schaffen, Kraft und Ausdauer, aber speziell üben lässt sich nichts. „Man springt ins Wasser und haut einfach nur rein. Immer dem Pulk hinterher“, beschreibt Härle lapidar. Es gibt keinen Blitzstart, keine Wende, bei der man Meter verliert oder gewinnt. Man muss einfach nur „keulen“ und sich gegen die Kontrahenten im Nahkampf behaupten. „Wenn 60 Leute gleichzeitig und möglichst eng um ein und dieselbe Boje herum wollen, dann wird das ganz schön eng. Aber man blendet so viele Sachen einfach aus.“

Immerhin hat Isabelle Härle in diesem Jahr schon international Erfahrung gesammelt. Dafür sorgte der ehemalige Essener Stützpunkt-Cheftrainer und aktuelle Bundestrainer Henning Lambertz „Er kam zu mir und sagte, Isi ich hab dich mal für zwei Weltcup-Rennen gemeldet.“ Es ging nach Cozumel (Mexiko) und Eilat (Israel). Durchaus reizvoll. Und das Freiwasserschwimmen hat den Vorteil, dass man nicht nur zwischen Flughafen, Hotel und Schwimmhalle pendelt, sondern zwangsläufig an den Strand muss. Doch dann das. „Die Strömung in Cozumel war so krass“, erinnert sich Härle, „da musste man sich regelrecht um die Boje herumziehen.“ Aber sie holte sich das WM-Ticket. Aus Israel kam sie mit einem blauen Auge zurück. Eine Gegnerin hatte sie erwischt. Härle schmunzelt und sagt: „Man muss schon hart im Nehmen sein.“

Man braucht Durchsetzungsvermögen

Durchsetzungsvermögen braucht die Essenerin, im Wettkampf und vor dem Start, wenn sie sich innerlich auf die ungewöhnliche Aufgabe einstellt. Denn eines ist klar: „Mag sein, dass ich im Freiwasser erfolgreicher sein kann, aber das Beckenschwimmen werden ich ganz sicher nicht aufgeben.“ Sagt die Deutsche Meisterin über die 800 Meter Freistil. Über diese Distanz startet sie bei der WM in Barcelona erst am 3. August. Als krasse Außenseiterin.