Essen. Rolf Hempelmann ist 65 geworden. Am 29. Juni vor genau fünf Jahren trat er als Präsident von Rot-Weiss Essen zurück. Zehn Jahre lang führte der SPD-Politiker und Essener Bundestagsabgeordnete die Rot-Weißen..
Entspannt und mit Optimismus erwarten die Rot-Weißen die nächste Saison in der 4. Liga. Ihrer dritten mittlerweile nach der Insolvenz. Für einen ehemaligen Bundesligisten mit Tradition nur schwer zu ertragen. Für einen Verein, der gerade eine Finanzkrise überlebt hat, eine relativ komfortable Situation. Aus dieser Perspektive steht RWE ganz ordentlich da. Die „Roten“ sind nicht reich, aber es zwicken auch keine Schulden, so wie früher, als Verbindlichkeiten in Millionenhöhe die Verantwortlichen immer wieder in Verlegenheit, ja den Verein in existenzielle Not stürzten.
Rolf Hempelmann kennt die anderen Zeiten. Zehn Jahre lang hat der SPD-Politiker und Essener Bundestagsabgeordnete die Rot-Weißen als Präsident geführt. Vor 15 Jahren war er angetreten. Ehrenamtlich, was sich im Zuge der fortschreitenden Professionalisierung des Fußballs als widriger Umstand erwies.
Berufspolitiker und gleichzeitig Boss an der Hafenstraße
Ein Jahrzehnt lang war Hempelmann Berufspolitiker und gleichzeitig Boss an der Hafenstraße. An diesem Samstag auf den Tag genau am 29.Juni 2008 war die Moderation der Mitgliederversammlung in Cinemaxx seine letzte Amtshandlung. Es war ein turbulentes Jahrzehnt mit Höhen und Tiefen, zwei Aufstiege in die 2. Bundesliga und der direkte Wiederabstieg – und wirtschaftlich mit einigen Crashs.
Es war kein Sommermärchen, das Hempelmann 2008 erlebte. RWE war gerade als Titelfavorit in die 4. Liga abgestürzt. Am letzten Spieltag besiegelte eine 0:1-Heimpleite gegen VfB Lübeck die Blamage. Ein Schlüsselspiel, wie viele noch heute rückblickend meinen.
„Zehn Jahre sind eine lange Zeit“, sagt Hempelmann. „Da gibt es schöne Erinnerungen, aber es gab auch verdammt schwierige Zeiten. Und meist dominiert ja der letzte Eindruck. Und da ist die Bilanz nun mal ein wenig getrübt.“ Was er nicht sagt: Der Abschied von Rot-Weiss fiel ihm schwer, obwohl er nicht an dem Stuhl kleben wollte. Es schmerzt ihn noch heute, wenn er pauschal als ein Mann der Misswirtschaft hingestellt wird, der mit RWE auch nichts erreicht hat außer einen hohen Schuldenstand. „Die Fakten zeigen, dass das nicht so ist“, sagt Hempelmann und erzählt. Davon, dass er unmittelbar nach seinem Amtsantritt innerhalb einer Woche eine sechsstellige Summe für das Finanzamt auftreiben musste. Über den millionenschweren Deal, den er mit dem Unternehmer Michael Kölmel („Kinowelt“) eingehen musste, der RWE rettete und später enorm belastete („In der Stadt gab es nach zwei Lizenzentzügen einfach keine Unternehmen als Alternative“). Als der klamme Kölmel 2001 die 6-Millionen-Bürgschaft nicht mehr leisten konnte, überzeugte Hempelmann Sponsoren, die den Club in letzter Sekunde retteten. Die roten Grablichter (oder waren es Hoffnungsleuchten?) brannten bereits.
Irgendwie war der Rücktritt eine persönliche Niederlage, denn Hempelmann hatte das große Ziel und den Ehrgeiz, das neue Stadion an der Hafenstraße zu bauen – und es sah sehr gut aus. Von den Sponsoren habe er damals feste Zusagen gehabt. Auch deshalb lehnte sich Hempelmann so weit aus dem Fenster und verknüpfte sein Amt mit der Realisierung des Projekts.
Lob für die RWE-Verantwortlichen
Lange war er weg, doch nun hat Rolf Hempelmann die Rot-Weißen gleich zweimal innerhalb kurzer Zeit besucht. Mitte Juni überreichte er dem Verein eine Spende von 1500 Euro für die Jugendabteilung. Der ehemalige Präsident hatte bei seinem Geburtstagsempfang im Zukunftszentrum Zollverein einen Ball mit den Autogrammen der RWE-Spieler versteigern lassen.
RWE-Chef Michael Welling lud Hempelmann daraufhin zur Mitgliederversammlung in die Messe ein. „Was die Rot-Weißen mit den geringen Mitteln auf die Beine gestellt hat, Hut ab, darauf kann man stolz sein“, lobt Hempelmann und blickt voraus. Die Sehnsucht nach Erfolg werde wachsen. Für hohe Qualität benötigte ein Verein aber auch eine finanzielle Basis. „Ich hoffe, dass Rot-Weiss bald einen starken Partner in der Essener Wirtschaft findet, um sportlich noch etwas ambitionierter arbeiten zu können.“
„Es ist schon traurig. Wir waren so nah vor dem Ziel, den Stadion-Bau privatwirtschaftlich zu finanzieren. Aber ich habe es nicht hinbekommen. Weil ein Konzern eine Zusage in Millionenhöhe plötzlich zurücknahm.“ Die GVE, ein städtisches Tochterunternehmen, hat es schließlich gebaut.
Rolf Hempelmann hat Abstand gewonnen. Am 1. Juni ist er 65 Jahre alt geworden. Für den Bundestag wird er nicht mehr kandidieren. Ruhestand? Noch ist es nicht soweit. Als Energiepolitischer Sprecher seiner Partie braucht er selbst eine Menge Energie. Hier ein Treffen, da ein Vortrag, und danach ab zum Round-Table-Gespäch. Er ist mehr in Berlin als daheim. Wie immer. Für den Chef eines Profi-Fußballvereins jedoch ein ungeheurer Spagat. Heute undenkbar.
Die Mitglieder und Fans waren damals bei seinem Rücktritt gespalten und sind es möglicherweise heute noch. Als Hempelmann die Bühne verließ, applaudierten die einen aus Dankbarkeit, die anderen, weil die Entscheidung für sie längst überfällig war. „Wir waren damals auf einem guten Weg“, versichert Hempelmann. Lizenzierung? Kein Problem. Die Vereinsführung galt nach zwei Lizenzentzügen (1991/94) wieder als seriös. Auch die Feiern zum 100-jährigen Bestehen hätten dies bestätigt. „Damals standen alle hinter dem Stadion-Projekt. Wir bekamen viel Lob für die professionelle Vereinsführung. Auch vom DFB.“
Hempelmann war bei der Stadioneröffnung dabei
Natürlich habe er Fehler gemacht, räumt Hempelmann ein. Er hätte in manchen Situationen bei RWE früher und energischer reagieren müssen. „Aber von Berlin aus war das nicht immer so einfach. Ich konnte ja nicht mein Mandat vernachlässigen.“ Nach dem Rücktritt ließ er sich bewusst nicht mehr an der Hafenstraße blicken. Das sei auch einfacher für den Nachfolger gewesen. Im April 2012 bei der Stadioneröffnung war Hempelmann aber dabei. „Und ich hatte nicht das Gefühl, unwillkommen zu sein.“