Nach exakt 3.27,759 Minuten hatte er sie, seine Olympiamedaille. Max Hoff hatte die Bronzemedaille aus dem Dorney Lake gefischt; nein nicht gefischt, erkämpft. Was waren das für 3.27,759 Minuten.

Nach exakt 3.27,759 Minuten hatte er sie, seine Olympiamedaille. Max Hoff hatte die Bronzemedaille aus dem Dorney Lake gefischt; nein nicht gefischt, erkämpft. Was waren das für 3.27,759 Minuten. Es war definitiv kein Rennen für schwache Nerven; eher ein Wechselbad der Gefühle. Gekennzeichnet von Anspannung, schon fast Resignation und letztendlich Jubel.

Allen acht Finalisten war die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Wer würde am Ende vorne liegen, wer würde am Ende eine Medaille gewinnen? „Ich freue mich auf das Rennen und hoffe, dass auch Max es genießen kann, trotz all der Schmerzen, die man in solch einem Rennen hat. Bei Olympischen Spielen im Finale zu stehen und zu wissen, dass man dazu gehört, ist unglaublich. Da will man sein Bestes geben und kann auch akzeptieren, wenn dann jemand besser ist“, war auch Tomas Reineck, Viererkajak-Olympiasieger von 1992 und 1996 beeindruckt.

Bei allen Teilnehmern am schon traditionellen „Public Viewing“ am Regattahaus am Baldeneysee stieg die Anspannung. Hatte man sich noch eine Stunde vor den Finals zu einem Frühstück zusammengefunden, zog es nun alle auf die bevorzugten Sitzplätze. Klatschen, Rasseln, Jubeln schon bei der Vorstellung der Finalisten, speziell bei Max Hoff. „Alle wissen, nun heißt es mindestens 110 Prozent geben“, kommentiert bei Eurosport Christian Gille, der 2004 mit Tomasz Wylenzek Gold und 2008 mit dem KGEer Silber und Bronze gewonnen hatte.

Silber, Bronze, Gold, von links Adam van Koeverden, Max Hoff und Eirik Veras Larsen. Foto: Francisco Leong
Silber, Bronze, Gold, von links Adam van Koeverden, Max Hoff und Eirik Veras Larsen. Foto: Francisco Leong © AFP

„Die Anspannung ist nun bei allen immens. Da ist der Startschuss schon eine Erleichterung, dass es endlich los geht“, sagte Lutz Liwowski, nach einem Fehlstart unglücklich Disqualifizierter von Sydney, zur Vorstartphase.

Dann endlich der Startschuss – Anfeuerungsrufe werden laut. Max Hoff hat den Start nicht optimal erwischt, muss sich schnell wieder heranarbeiten. Vorne Adam van Koeverdan (Kanada), der sich mit einer rasanten Flucht nach vorne in Führung setzt. Die ersten 250 Meter – Max Hoff passiert als Fünfter mit 1,7 Sekunden Rückstand auf den Kanadier. 500 Meter – Max Hoff immer noch auf Rang fünf, aber mit 2,5 Sekunden hinter van Koeverden. Das ist viel – zu viel für eine Medaille? Erste Zweifel sind in den Gesichtern ablesbar, kann er das noch aufholen. Auch 250 Meter vor dem Ziel liegt Max Hoff immer noch auf Rang fünf und 2,5 Sekunden zurück. Ein leichtes Kopfschütteln ist auch bei KGE-Coach Robert Berger auszumachen; wie alle würde er Max Hoff so sehr eine Medaille wünschen. Aber das wird schwer, vielleicht zu schwer. Doch dann setzt Max Hoff zum von der Konkurrenz gefürchteten und von den Anhängern ersehnten Endspurt an – und kämpft sich in unnachahmlicher Manier immer weiter nach vorne. Immer lauter wird es auch im Regattahaus. Auch der Norweger Eirik Veras Larsen macht Jagd auf Adam van Koeverden und schiebt sich Meter um Meter nach vorne. Was für ein Finish. Die Geräuschkulisse im Regattahaus steigt und steigt. Im Ziel ist es in 3.26,462 der Norweger, der Olympiasieger wird, dicht gefolgt von dem Kanadier (3.27170) – und Max Hoff (3.27,759). Jubel brandet auf.

Was für ein Finale; da sind sich alle einig. Hätte Max Hoff nicht so weit zurück gelegen, hätte er den Endspurt etwas eher angezogen, was wäre möglich gewesen? Er hatte auf jeden Fall die schnellsten letzten 250 Meter hingelegt. Aber all diese Fragen waren hinfällig, das Rennen war gelaufen – mit einem überaus erfreulichen Ausgang für Max Hoff. Er hatte eine Bronzemedaille gewonnen. Im Ziel fuhren dann die drei Medaillengewinner zusammen und zollten sich gegenseitig Respekt. Sie kennen sich nicht nur seit Jahren von den Wettkämpfen, sondern haben auch im Frühjahr so machen Trainingskilometer in Florida absolviert.

Und was das heißt, eine Einermedaille zu gewinnen, untermauert die Tatsache, dass man bis 1980 zurück blicken muss, um den letzten deutschen Kajakfahrer auszumachen, dem das gelang. Im Moskau war es Rüdiger Helm, der noch für die DDR Olympiasieger in dieser Kategorie wurde. „Eine olympische Einermedaille zu gewinnen, ist etwas ganz Großes“, waren sich im Regattahaus alle einig. „Ein Superergebnis“, spendet auch Lutz Liwowski Applaus.

„Wir hatten faire Bedingungen. Ich habe mich schwer getan und bin mit meiner Leistung nicht ganz zufrieden; mit der Medaille aber schon. Die ist der Lohn für die harte Arbeit. Die beiden anderen sind einfach ein grandioses Rennen gefahren“, kommentierte aus London Max Hoff. „Max hatte selber den Anspruch, eine Medaille zu gewinnen. Welche Farbe die dann hat, ist von vielen Faktoren abhängig. Das ist auf jeden Fall ein brutal hartes Geschäft, das hat man gerade wieder gesehen. Wenn ein so erfahrener Kerl wie Eirik Veras Larsen bei 500m mit vorne liegt, wird es schwer, noch vorbei zu fahren. Und Adam van Koeverden ist im letzten Jahr gefahren wie von einem anderen Stern und wird nun Zweiter. Bei dieser gesamten Konkurrenz Bronze zu gewinnen, ist ein Superergebnis“, kommentierte ein sichtlich geschaffter Robert Berger. Wenig später gratulierte er persönlich Max Hoff am Telefon, der ihm bestätigte, dass es im Mittelstück nicht so richtig geflutscht sei und er bei dieser beeindruckenden Kulisse sogar einen Kloß im Hals gehabt habe.