Für Caroline Ruhnau, die 27-jährige Brutsschwimmerin, sind es die ersten Olympischen Spiele.

Caroline Ruhnau ist zufrieden mit sich und der Welt. Das sieht man ihr an, und man hört es. Sie ist bestens gelaunt, posiert geduldig für den Fotografen am Beckenrand im Leistungszentrum Rüttenscheid. Ein Filmteam war auch schon da. So viel Publicity hatte sie wohl noch nie zuvor gehabt, dabei ist die 27-jährige Brustschwimmerin der SG Essen bereits ziemlich lange im Geschäft. Aber erstmals in ihrer Laufbahn nimmt die Schwimmerin an den Olympischen Spielen teil. Und das schafft Aufmerksamkeit, auch für die ansonsten weniger populären Athleten und Disziplinen.

Für Ruhnau ist die Teilnahme der Lohn für ihre beharrliche Arbeit. Seit jeher ist sie im Team der SGE ein Vorbild an Fleiß und Disziplin. Aber früher war die Startgemeinschaft bei weitem auch nicht so erfolgreich wie heute. Für einen Startplatz in einem Endlauf der Deutschen Meisterschaften hatte es für Ruhnau allemal gereicht. Aber mehr als eine Platzierung im Mittelfeld der besten Acht schaffte sie nie.

Vor vier Jahren war sie jedenfalls noch Siebte geworden über 100-Meter Brust. „Damals hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich jemals bei Olympia dabei sein würde“, sagt Ruhnau und scheint immer noch ein bisschen überwältigt von dieser bemerkenswerten Entwicklung. Denn heute ist sie neben Sarah Poewe (Wuppertal) die stärkste Kraft im Land über 100-m-Brust und ist auch aktuelle Deutsche Meisterin geworden.

Mit Trainer Henning Lambertz begann 2008 der Aufschwung. Als er 2008 bei der SGE anheuerte, habe sie alles „auf die Karte Lambertz“ gesetzt, erinnert sich Ruhnau. „Wir passen gut zusammen in unseren Vorstellungen. Er tritt mir zur Not auch in den Hintern, was ich ab und zu mal brauche.“ Aber zumeist heißt es in Rüttenscheid: „Die Caro, die macht alles, die ist immer da.“ Ruhnau schmunzelt auch darüber und feixt: „In der Schule war ich keine Streberin, in der Uni auch nicht. Also lasst mich jetzt mal.“ Dass sie mit ihrem abgeschlossen Sportstudium, Schwerpunkt Sportmarketing, der SGE ab und zu auch am Schreibtisch hilft, ist für sie selbst selbstverständlich.

So recht glaubte sie anfangs nicht an ihre Möglichkeiten. Trainer Lambertz sagte der Schwimmerin früh, dass er ihr zutraue, bei der WM 2009 in Rom dabei zu sein. „Wovon redest du?“ hatte Ruhnau erwidert und den Trainer verwundert angeschaut. Doch 2009 wurde Caroline Ruhnau Deutsche Vizemeisterin und reiste nach Rom.

Bei der DM in diesem Jahr hatte Lambertz ihr den richtigen Tipp gegeben. Die Vorbereitung war klasse, der Druck aufgrund der gestiegenen Erwartungshaltung enorm. „Du hast zwei Chancen, die Olympia-Norm zu knacken“, beruhigte der Trainer. „Also wirst du schon morgens im Vorlauf Vollgas geben.“ Und sie gab Gas, unterbot mit 1,07;74 Minuten die Norm und holte sich im Finale mit 1:07,28 Minuten souverän den Titel vor ihrer Dauerkonkurrentin Sarah Poewe.

Doch nicht immer ist es nach Plan gelaufen. Die folgende EM im ungarischen Debrecen war eine Enttäuschung. Im Vorlauf funktionierte noch alles, dann tauchte Ruhnau ab, wurde Vierte in einer für sie schwachen Zeit. Nicht zum ersten Mal hatte sie ein Rennen verbockt. So verpasste die Essenerin auch die WM 2011 in Shanghai. Vor allem die direkten Zweikämpfe, die Kopf-an-Kopf-Rennen auch mit Poewe machen mitunter Probleme. „Auf den ersten 50 Meter bin ich vorn, habe aber zu viel investiert, dann kommt die Konkurrentin auf und ich verkrampfte“, versucht Ruhnau zu erklären. Dahin ist dann die sorgfältig vorbereitete Taktik. Seit einiger Zeit steht ihr deshalb eine Mentaltrainerin zur Seite.

„Jetzt habe ich mir vier Jahre lang den Hintern aufgerissen, da will ich meine kleine Chance in London nutzen.“ Ein Finalplatz, ein Platz unter den besten Acht der Welt zu sein, das wäre cool. „Vielleicht rutscht mir ja mal so ein Knaller heraus.“ Andersherum, die Welt würde nicht untergehen für sie. „Weil ich weiß, dass ich alles dafür getan habe. Und der Sport ist nicht alles im Leben.“

Ihre Familie wird auch in London sein. Zumindest Karten für den Vorlauf hat sie ergattert. Auch für den Vorlauf über 4x100-m Lagen. Denn dort kämpft Ruhnau noch intern mit Sarah Poewe um den Startplatz.

Und ein Versprechen hat Caroline Ruhnau ohnehin noch einzulösen. Als sie zu den British Open im März in London war, hatte sie sich eine Designer-Bluse gekauft. Kaum wieder daheim, wollte die jüngere Schwester ihr das edle Teil abluchsen. „Ich habe nur gesagt, wenn ich im Sommer wieder in London bin, dann kaufe ich dir eine solche Bluse.“