Die neue Bescheidenheit beschert den Rot-Weißen auch eine gewisse Leichtigkeit des Seins. Denn vor dem Saisonstart hat keiner so wirklich erwartet, dass der Traditionsklub von der Hafenstraße seinen Triumphzug aus der Spielzeit zuvor in der NRW-Liga als Aufsteiger fortsetzen würde. Klar, der eine oder andere Trainer hat bei der obligatorischen Umfrage RWE als möglichen Geheimfavoriten auf dem Zettel gehabt, aber das entspringt doch mehr einem Ur-Reflex der Konkurrenz: Rot-Weiss Essen, das war eigentlich immer ein Titelkandidat. Und in den Jahren vor der Insolvenz hat RWE diese Rolle auch zumeist akzeptiert und angenommen.

Der Wuppertaler SV, heute Gastgeber im Regionalliga-Derby gegen Essen (14 Uhr, Stadion am Zoo), ist diesmal als der große Titelanwärter ausgeguckt worden. Und als handfestes Argument diente die Personalplanung. Die Verpflichtung zweitliga-erfahrener Spieler wie Marcel Landers und Thomas Schlieter (RWO) sowie Dennis Brinkmann (TuS Koblenz) schürte die Ambitionen, und WSV-Trainer Karsten Hutwelker formulierte forsch: „Wir wollen aufsteigen.“ Seine weiteren Worte verhallten offenbar ungehört, denn er sagte auch: „Das wollen viele andere Mannschaften auch. Ich sehe uns daher nicht in der Favoritenrolle.“

Man kann sich vorstellen, wie tief der Frust beim WSV sitzen muss bei diesem miesen Saisonauftakt. Nach neun Spielen stehen gerade mal sieben Punkte auf dem Konto, macht Rang 17. Indiskutabel. Und es hat tatsächlich ein bisschen was von Rot-Weiss der früheren Jahre. Hutwelker wurde wegen Erfolglosigkeit geschasst und vom Routinier Hans-Günter Bruns (56) ersetzt. Und der neue Trainer ist in der Vorwoche gleich mit einer deftigen 1:4-Klatsche beim VfL Bochum II gestartet. „Man kann ja mal verlieren, aber das Wie ist entscheidend“, nörgelte Bruns anschließend. Und forderte für das Derby mehr Engagement, Laufbereitschaft und Zweikampfhärte.

Anders als die Wuppertaler, die wirklich eine Menge Routine besitzen, vertraut RWE seinen Jungspunden. Beim WSV sind einige im Spätsommer ihrer Laufbahn angelangt, bei RWE haben alle den sportlichen Leistungsgipfel längst nicht erreicht. Gleichwohl werden die Gastgeber heute richtig hungrig sein. „Auf dieses Spiel freut sich jeder in der Mannschaft. Mein Puls wird mit Sicherheit noch etwas höher schlagen als sonst“, gibt Stefan Lorenz (30) zu, der nach eigenem Bekunden „seine schönsten Jahre als Fußballer an der Hafenstraße“ erlebt hat. Dort ist er als Zuschauer auch heute noch zu sehen.

Markus Heppke hingegen, der ehemalige WSV-Kapitän und neue RWE-Leistungsträger, bleibt vor dem Anpfiff gelassen: „Es ist ein Spiel wie jedes andere auch. Ein Highlight haben wir jedes Mal, wenn wir an der Hafenstraße auflaufen.“ Heppke ist mit 25 Jahren neben dem gleichaltrigen Vincent Wagner der Routinier im RWE-Team. Und weil Wagner verletzt ist (Schulter-OP) muss Heppke nun Flexibilität beweisen und in der Innenverteidigung aushelfen. Obwohl er für den Spielaufbau mindestens ebenso wichtig wäre. Nicht nur gegen den WSV.

Die Rot-Weißen haben auch am kommenden Wochenende ein Auswärtsspiel. Am Samstag, 15.Oktober, laufen sie bei Bayer Leverkusen II auf (14 Uhr, Ulrich-Haberland-Stadion). Die Eintrittskarten dafür sind an der Hafenstraße bereits im Verkauf.

Roberto Guirino, der bei seinem Einsatz in der U23 gegen Cronenberg Ende September Rot gesehen hatte, ist bis einschließlich 23.Oktober gesperrt worden.