Essen.

Die Knie sind angewinkelt, die Hände hinterm Kopf zusammengeführt. Alexander Thamm hat es sich beim Interview auf der Reservebank im Georg-Melches-Stadion bequem gemacht. Die Essener Heimstätte ist menschenleer.

Der 27-Jährige lacht. Dann sagt er: „Mir kann nichts passieren. Mein Vertrag mit Essen ist sowieso nicht rechtskräftig. Ich bin unter völlig falschen Vorzeichen zur Hafenstraße gelockt worden.“

Thamm verzieht dabei keine Miene. Dann erklärt er, dass Trainer Waldemar Wrobel und Teammanager Damian Jamro ihm zwar nicht das große Geld, dafür aber viele Emotionen und viele Zuschauer versprochen hätten. So weit, so gut: „Von 2000 bis 3000 Besuchern bei Heimspielen haben die beiden gesprochen. Jetzt sind aber immer mindestens 6000 Fans da. Das finde ich nicht in Ordnung“, sagt Thamm und lacht.

Spaß beiseite! „Was hier seit Saisonbeginn abgeht, ist der Wahnsinn. Es ist wie ein richtig geiler Film, der nie enden soll“, erklärt er. Seinen Vertrag würde er übrigens gerne verlängern. Auch wenn künftig in der Regionalliga wahrscheinlich noch mal ein ganzer Schwung rot-weißer Fans dazu kommen wird.

Im Gegensatz zu seinem Trainer Waldemar Wrobel scheut Thamm das Wort Aufstieg nämlich nicht. „Die Tabelle kann jeder lesen. Wir wären doch verrückt, wenn wir nicht davon reden würden. Das ist hier auch keinem verboten worden“, sagt Thamm, der mit 27 Jahren der Oldie im Team ist.

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Von DerWesten

„Wir brauchen noch vier Siege aus acht Spielen. Dann haben wir es auf jeden Fall geschafft. Wir werden nicht eher feiern, bis alles in trockenen Tüchern ist. Schließlich habe ich mit den Amateuren vom VfL Bochum zwei Mal in Folge den Aufstieg verspielt.“

Seit dem ersten Arbeitstag im Sommer ist Thamm gerne Essener. „Wir haben in der Vorbereitung gefühlt jedes Spiel verloren, keiner hatte irgendwelche Erwartungen. Dann kamen am ersten Spieltag über 6000 Leute ins Stadion, jetzt sind wir Erster. Einfach nur Wahnsinn“, sagt Thamm. „Ich speicher mir diese Momente ab. Ganz tief. Im Kopf und natürlich auch im Herzen. Diesen Tipp gebe ich meinen Mitspielern vor jedem Spiel im Kreis. Wir müssen das genießen. Wer weiß, wer von uns sowas noch mal erleben darf.“

Der gelernte Veranstaltungskaufmann verschweigt nicht, dass er und seine Mitspieler natürlich im Hinterkopf haben, dass der Verein noch immer im Insolvenzverfahren steckt. „Es wäre fahrlässig, das zu verdrängen. Man merkt es doch sowieso, wenn man am Monatsende auf seine Abrechnung blickt“, sagt Thamm.

Doch das Vertrauen der Mannschaft in die Verantwortlichen ist riesengroß. „Waldi Wrobel, ‘Doc’ Welling, oder Damian Jamro. Auch die Leute auf der Geschäftsstelle. Sie verkörpern das, was RWE jetzt ausmacht. Keiner von ihnen hat hier verbrannte Erde hinterlassen. Jeder blickt nach vorne.“

Es gibt da einen Satz, der Thamm nicht mehr aus dem Kopf gehen mag. Trainer Wrobel fragte ihn beim ersten losen Treffen: „Wenn Du Lust hast, uns zu helfen, etwas ganz Besonderes aufzubauen, dann komm doch einfach zu uns!“ Thamm wollte. Und wie.

Als stellvertretender Mannschaftskapitän und Abwehrchef hat sein Wort Gewicht. Auf dem Feld und außerhalb des Rasens. So fallen beispielsweise auch die Planungen der Abschlussfahrt in den Kompetenzbereich des 27-Jährigen. „Nach Mallorca natürlich. Das ist ein Muss“, erklärt er. „Freunde sagen mir sogar nach, die Abschlussfahrten seien der einzige Grund, warum ich Fußball spiele“, sagt Thamm und lacht.

Die Planungen von Aufstiegsfeiern hingegen überlässt Thamm lieber anderen Leuten im Verein. Das sei schließlich nicht die Aufgabe der Spieler. Doch Thamm verspricht: „Jeder von uns tut alles dafür, dass die Planungen schnell beginnen können.“