Essen. Als U19-Junior spielte Tim Kuhlmann für RWE und wurde zur U18-Nationalmannschaft eingeladen. Nun läuft er für Schonnebeck auf. Wie es dazu kam.
„Das ist aber schon etwas her“, sagt Tim Kuhlmann und fängt an, in seinen Erinnerungen zu kramen. Ruhig und gelassen spricht der heute 20-jährige Abwehrspieler der Spielvereinigung Schonnebeck dann über sein bisheriges Karrierehighlight im Fußball: Neun Minuten lang trug er das deutsche Nationaltrikot, als er am 11. Mai 2022 mit der U18-Nationalmannschaft mit 4:0 gegen Belgien gewann. Mitspieler damals: die jetzigen Bundesligaspieler Brajan Gruda, Aljosha Kemlein und Joshua Quarshie.
Kuhlmann spielte 2022 noch für Rot-Weiss Essen in der A-Jugend, als er in der Schule plötzlich eine Nachricht auf seinem Smartphone erblickte. „Ich habe eine Nachricht von meinem Trainer Vincent Wagner bekommen, der mich beglückwünscht hat. Da wusste ich noch gar nicht, worum es ging. Erst am Abend beim Training wurde es dann aufgedeckt, dass ich für die U18-Nationalmannschaft nominiert wurde. Da war ich natürlich erst einmal geflasht, das ist ja nicht ohne“, sagt Kuhlmann heute.
Tim Kuhlmann und Joshua Quarshie spielten beide gemeinsam bei RWE
Der Tag des Länderspiels startete ganz klassisch: Frühstück, Spaziergang inklusive eines Gesprächs mit Nationaltrainer Guido Streichsbier, Anschwitzen, Mittagessen, Packen für die Rückreise und dann ab zum Spiel. Bereits zur Pause hatten Melakm Frauendorf und Gruda für die 2:0-Führung gesorgt, in der zweiten Hälfte legten Stefano Marino und erneut Gruda nach. Nach und nach wurden alle Ersatzspieler eingewechselt, nur Kuhlmann lief sich weiter an der Seitenlinie warm.
„Da dachte ich schon, ich komme gar nicht mehr rein. Aber dann hat mich der Trainer in der 83. Minute auch gerufen. Vor der Einwechslung sagte er mir, ich solle es einfach genießen, nicht jeder würde so eine Chance bekommen.“ Taktische Inhalte wurden dem Essener nicht mit auf dem Weg gegeben, es sei lediglich um die Motivation gegangen, denkt Kuhlmann, der überraschenderweise auch als Linksaußen und nicht wie vorher vorgesehen als linker Verteidiger für Marino in die Partie kam.
Als der Essener eingewechselt wurde, war das Spiel schon so gut wie gelaufen
„Ich konnte es kaum erwarten. Das Spiel selbst ging dann auch super schnell vorbei. Ich habe diese Minuten einfach genossen und alles gegeben. Ich habe mich wirklich in jeden Zweikampf gehauen, denn ich war ja auch der fitteste nach der Einwechslung“, sagt Kuhlmann.
Wirklich viele Aktionen habe er dann aber nicht mehr gehabt. „Leider war das schwer, weil die Belgier nur noch mit langen Bällen agiert haben und ich da überspielt wurde. Ich weiß noch, dass ich einen Ball verloren habe, viel mehr aber nicht. Ich habe auf jeden Fall viel mehr nach hinten als nach vorne gearbeitet. Es stand 4:0, da ging es darum, kein Gegentor mehr zu kassieren und nicht mehr unbedingt das fünfte Tor zu schießen.“
„ Ich habe mich wirklich in jeden Zweikampf gehauen, denn ich war ja auch der fitteste nach der Einwechslung.“
Ein paar mehr Aktionen habe er sich natürlich schon gewünscht, doch das lag nicht in Kuhlmanns Hand. Nach der Partie strahlte der Essener dennoch über das ganze Gesicht, als er sich mit seinen Eltern und seinem Onkel, die extra angereist waren, austauschte. „Die haben dann auch ein paar Fotos mit Trikot gemacht“, sagt er lachend. Diese Erfahrung kann ihm keiner mehr nehmen.
Allerdings sollten es die einzigen Minuten Kuhlmanns im deutschen Nationaltrikot bleiben. Seit der Abreise herrschte Funkstille, bei den nächsten Lehrgängen der U18-Nationalelf wurde der Essener nicht mehr eingeladen. Eine Absage gab es aber auch nicht. Zu weiteren Partien wird es wohl eher nicht kommen, auch wenn Kuhlmann nach höherem als der Oberliga strebt: „Abgeschlossen habe ich zum Beispiel mit der Regionalliga nicht. Die Möglichkeit besteht noch, ob mit Schonnebeck oder einem anderen Verein.“
Tim Kuhlmann hatte ein Angebot der TSG Hoffenheim vorliegen
Sowohl mit RWE als auch mit der U23 der TSG Hoffenheim blieb ihm diese Chance allerdings verwehrt –und das sogar auf eine relativ tragische Art und Weise. Nachdem ihm bei Rot-Weiss Essen nach dem zweiten Jahr in der U19-Bundesliga erst ganz spät mitgeteilt wurde, dass es für ihn an der Hafenstraße nicht weitergehen würde, hoffte Kuhlmann zunächst, bei der Reserve der TSG in der Regionalliga unterzukommen.
„Das Angebot war schon vorher da, aber es hieß, sie müssten eine bestimmte Ausbildungsentschädigung an RWE zahlen und dass diese ihnen zu hoch sei. Als RWE mich dann aber ablösefrei ziehen ließ, dachte ich, es sei alles fix. Damals ist Vincent Wagner dann aus Essen nach Hoffenheim gewechselt. Er rechnete damit, dass viele Leistungsträger gehen würden. Als die dann aber doch blieben, sagte er mir, dass ein Wechsel keinen Sinn ergeben würde, weil ich nur die Nummer vier auf meiner Position gewesen wäre“, sagt Kuhlmann.
Gleich zwei Türen, die gefühlt offen waren, schlugen sich so innerhalb kürzester Zeit zu. Und auch bei der Schonnebeck, die schon vorher Interesse bekundet hatte, der Kuhlmann selbst aber zunächst absagte, waren die Planstellen mittlerweile besetzt. „Der Kader dort war voll. Also habe ich ein Probetraining in Schermbeck gemacht, das war mir aber zu weit. Dann war ich bei Homberg und habe dort mitgespielt. Ich sollte auch wiederkommen, doch dann rief mich Dirk Tönnies an, dass sich Nils van den Woldenberg verletzt habe und nun doch noch ein Platz für mich freigeworden sei. Ich bin froh, dass es geklappt hat. Essen ist besser als Hoffenheim.“
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