Essen. Nach der Trennung beim Essener Handball-Klub äußert sich André Fuhr erstmals öffentlich. Was er über die MTG Horst und die BVB-Vorwürfe denkt.

Es war nur ein Intermezzo mit einem jähen Ende. Der Handball-Verbandsligist MTG Horst hatte André Fuhr (52) als Trainer verpflichtet, einen Mann mit sportlich erfolgreicher Vita, die allerdings mit schweren Vorwürfen des Machtmissbrauchs belastet ist. Und das war letztlich auch der Grund, warum sich die MTG auf den öffentlichen, moralischen Druck hin nach wenigen Wochen wieder von dem Trainer trennte.

Trainer André Fuhr wurde mit den Handballerinnen von Borussia Dortmund Deutscher Meister, war Bundestrainer der weiblichen U20 und verlor beide Jobs, weil sich zahlreiche Spielerinnen, die unter ihm gearbeitet hatten, bei einer Beratungsstelle über psychische Gewalt des Trainers beklagt hatten. Nachdem bisher von allen Beteiligten hartnäckig geschwiegen wurde, hat sich Fuhr nun erstmals gegenüber „Sport Bild“ geäußert. Er beklagt unter anderem, dass er nicht im Detail über die Vorwürfe aufgeklärt worden und schließlich in einer Medienwelle untergegangen sei.

Ex-MTG-Trainer Fuhr: „Das bedauere ich sehr“

„Wir haben als Team und in der Handballabteilung hervorragend zusammengearbeitet. Dass der öffentliche Druck dann so massiv wurde und der Hauptverein dem nicht standhalten konnte, bedaure ich sehr“, sagt André Fuhr zu seinem Engagement in Essen, das gewissermaßen ein Neuanfang hätte sein können. Und diese Entwicklung habe ihn schließlich auch dazu animiert, sich erstmals öffentlich zu äußern.

Nach Fuhr-Aus: So arbeitet die MTG Horst den „Fehler“ auf.

„Ich liebe den Handball und war froh, wieder in der Halle zu stehen, auf welchem Niveau auch immer. Es war und ist meine Leidenschaft. Ich hatte großen Spaß mit den Jungs. Und ich glaube, die auch mit mir. Wenn ich in der Halle stand, fühlte es sich genau richtig an. Es war gut für mich, dass ich dreimal die Woche zum Training konnte, dass ich – platt formuliert – aus dem Haus gekommen bin, dass es auch da für mich Strukturen gab.“

Der „Spiegel“ habe ihn zu Dortmunder Zeiten mit den Vorwürfen des Machtmissbrauchs und Psychoterrors konfrontiert. „Ich war zwar auf das Schlimmste vorbereitet. Aber das, was ich dann gesehen habe, war noch viel schlimmer, als ich erwarten und ertragen konnte.“ Er sei damals „quasi handlungsunfähig“ gewesen und in sich zusammengebrochen, als er den Text gelesen habe. In der Zeit danach habe er sich nicht mehr aus dem Haus getraut. „Ich stand unter Schock.“

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Die Kernfragen bleiben: Was ist dran an den Vorwürfen und warum hat sich André Fuhr bislang nicht zur Wehr gesetzt und öffentlich dementiert? „Den Drang hatte ich oft. Auch, weil man denkt, dass ja eigentlich zunächst einmal die Unschuldsvermutung gelten müsste. Und natürlich ist es einfach zu sagen, so war es aber nicht, oder der Kontext ist nicht richtig wiedergegeben, aber hier ist es ja viel komplexer. Es geht vor allem um Wahrnehmungen und persönliche Empfindungen, die kann man niemandem absprechen.“

Fuhr spricht über die BVB-Vorwürfe

Er wolle auf keinen Fall etwas bagatellisieren. „Und wenn eine Spielerin sich so gefühlt hat, kann und will ich das nicht bestreiten. Das würde ich auch niemals tun. Im Gegenteil: Dann bedaure ich das von ganzem Herzen sehr.“

Dass zwei Spielerinnen 2022 den BVB verlassen wollten, interpretiert Fuhr wie folgt: „Sie haben sich beim Verein über mich beschwert. Ich war und bin weiterhin der Meinung, dass es keine wirklichen Gründe gab, warum wir nicht zusammenarbeiten können. Mit mir persönlich haben sie ja auch nie in diese Richtung darüber gesprochen.“

Im Gegenteil: Eine Spielerin habe sich kurz vorher noch sehr positiv zu ihrer Zeit und ihren weiteren Zielen bei Borussia geäußert. „Ich habe auch in gemeinsamen Gesprächen versucht, die Kontroversen mit den Spielerinnen aufzuarbeiten. Als die beiden Spielerinnen gesagt haben, dass sie nicht mehr mitmachen wollen, hat sich der Rest der Mannschaft klar für mich ausgesprochen. Das ist ein deutliches positives Signal für mich als Trainer gewesen.“

Das ist der größte Fehler für André Fuhr gewesen

Worüber sich die Spielerinnen beklagten, wisse er nicht: „Wenn ich das genau wüsste, wäre ich ein Stück weiter. Die Spielerinnen haben sich bei der Anlaufstelle gegen Gewalt des Vereins „Athleten Deutschland“ geäußert, und diese hat die Vorwürfe an verschiedene Leute geschickt, nur nicht an mich. Auch auf Anfrage bei der Anlaufstelle durch meinen Anwalt haben wir sie nicht bekommen. Es ist schwer, sich zu Vorwürfen zu äußern, zu verteidigen, die nicht direkt, sondern ausschließlich über die Medien vorgetragen wurden“, so Fuhr gegenüber „Sport Bild“. Da er weder die Namen der Spielerinnen kenne noch die genauen Vorwürfe – außer denen, die in der Presse standen – sei er nicht schlauer als alle anderen Medienkonsumenten.

Den Auflösungsvertrag mit dem BVB sieht Fuhr inzwischen als größten Fehler: „Ich hätte um meinen Ruf und um meine Existenz kämpfen müssen, an der Stelle, zu dieser Zeit. Ich hätte mich damals wehren müssen. Denn genau dann hätten die BVB-Verantwortlichen einiges gewissenhafter aufarbeiten müssen. Ich glaube, dass dann vieles anders gelaufen wäre.“