Mit zwei kräftigen Armschüben bringt Mareike Adermann ihren Rollstuhl in Fahrt, greift dann den Ball von ihrem Schoß auf, nimmt Maß und wirft. Das orange-farbene Spielgerät neigt sich und fällt durch die Reuse. Mareike Adermann wendet ihr hochmodernes Sportgerät auf der Stelle, fängt den Ball nach dem Aufticken und rollt wieder in Position für den nächsten Wurfversuch. Zigfach wiederholt sich dieser Vorgang an diesem Trainingsabend.
Die Passion Basketball erfasst die blonde junge Frau im zarten Alter von sieben Jahren. „Von sieben bis vierzehn habe ich beim ETB gespielt“, erzählt Mareike Adermann. Als Fußgängerin, wie die Rollstuhlsportler die „normalen“ Basketballer bezeichnet. Mareike Adermann spielt nicht schlecht, ist zeitweise gleichzeitig in drei Teams am Ball. Mit 14 gibt sie ihr Debüt in der Damen-Regionalliga. Eine Premiere mit Folgen. „Gleich im ersten Spiel habe ich mir einen Kreuzbandriss zugezogen“, erinnert sie sich. Weitere kommen in den folgenden drei Jahren dazu. Insgesamt vier: einmal links, dreimal rechts. Die Narben an ihren Knien sind dafür stille Zeugen. Schweren Herzens gibt sie ihre Passion auf. Erst einmal. „Von Basketball im Rollstuhl hatte ich noch nie etwas gehört. Ich hatte mich schon fast damit abgefunden, dass ich kein Basketball mehr spielen kann.“ Ein Sportlehrer bringt ihr Rollstuhlbasketball näher. Mit 18 beginnt die zweite Sport-Karriere der Mareike Adermann.
Nach diversen Untersuchungen und medizinischen Gutachten steht fest, dass sie als 4,5 eingestuft wird, der Kategorie mit den geringsten Einschränkungen. Mareike Adermann, 1,80 Meter groß, spielt auf der Außen- oder Center-Position. „Ich kann meinen Rumpf voll bewegen und dadurch habe ich natürlich auch Höhenvorteile“, erzählt die 20-jährige, die im Alltag nicht auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Außerdem profitiere sie bei der Wurfgenauigkeit aus ihrer als Fußgängerin. Dennoch: Es ist etwas anderes, als Fußgänger oder aus dem Rollstuhl auf den Korb in 3,05 Meter Höhe zu werfen. Die Distanz ist zwangsläufig größer. „Na klar, man braucht halt mehr Armkraft. Es heißt, dass ein Rollstuhlbasketballer von der Freiwurflinie etwa so viel Kraft braucht wie ein Fußgänger von der Drei-Punkte-Linie.“
Mareike Adermann schafft es mit ihrer Kraft und ihrer Technik in die U22- und U25-Nationalmannschaft, mit der sie zurzeit in St. Catherines (Kanada) bei der WM spielt. Mit der Frauen-Nationalmannschaft wird sie im September in Nazareth (Israel) um die EM-Krone und die Quali für die Paralympics 2012 in London kämpfen.
Rollstuhlbasketball – auch bei der Studienplatzwahl spielt der Sport eine Rolle. „Ich wollte immer schon mal ins Ausland“, sagt sie. Seit zwei Jahren studiert Mareike Adermann, Frauen-Vize-Weltmeisterin von 2010, Betriebswirtschaft an und spielt Rollstuhlbasketball für die University of Wisconsin. „In den USA sind Behinderte mehr akzeptiert. Der Umgang mit ihnen ist bewusster“, sagt sie. Entsprechend sind die Bedingungen für den Sport. Das Pensum ist höher. An der US-Uni wird täglich trainiert. Teilweise um 6.30 Uhr. Ein Kraftraum sowie eine kleine Halle stehen zur Verfügung. 24 Stunden am Tag. Sieben Tage die Woche. „Die meisten deutschen Klubs trainieren zwei- bis dreimal pro Woche.“ Um hier eine ähnliche Frequenz in der EM-Vorbereitung zu halten, trainiert sie zweimal pro Woche beim Essener Zweitligisten Hot Rolling Bears mit, fährt zudem zweimal nach Köln zu den 99ers.
„Ohne den Rollstuhlbasketball würde ich nicht so viel erleben. Als Fußgänger hätte es vielleicht für die 2. Liga gereicht – zur Nationalmannschaft kaum“, sagt die 20-Jährige. Hinzu kommt die zwischenmenschliche Bereicherung. „Ich habe viel von Menschen mit schweren Behinderungen gelernt, mit welchem Mut und welcher Kraft sie ihr Leben bewältigen.“ Auf der Uni-Homepage wird Mareike Adermann in ihrem Portrait so zitiert: „Eine der größten Freuden des Lebens ist es, Dinge zu tun, von denen andere sagen, dass Du sie nicht tun kannst.“
Eine große Freude ist Rollstuhlbasketball..