Essen. Horst Melzer, einer der erfolgreichsten deutschen Schwimmtrainer, wird am Dienstag 60 Jahre alt. 1974 wurde er Schulsportreferent der Stadt Essen. Den Job macht er heute noch. Pensionär mit 65? Für Melzer undenkbar.

Horst Melzer hat Besuch, ist aber gerade nicht zu erreichen. Was? „Das habe ich ja noch nie erlebt“, schüttelt Olaf Greulich, Erzieher im Rüttenscheider Sport- und Tanzinternat, irritiert den Kopf, als auch sein Versuch scheitert, den Geschäftsführer ans Handy zu bekommen. „Aber weit kann er nicht sein, seine Bürotür ist offen, das Auto steht vor der Tür. Vielleicht ist er draußen bei den Arbeitern.“

So kennt man Horst Melzer. Er kümmert sich darum, würde man sagen. Auf den Internatsgelände sind gerade die Gartenarbeiter zugange und natürlich hält Melzer auch dort ein Auge drauf. „Ich bin auch sehr naturverbunden“, erklärt der gebürtige Marler später. „Die Buxbäume müssen immer gut frisiert sein.“ Draußen soll es ebenso akkurat aussehen wie drinnen. Je gepflegter, desto besser. „Halt wie in einem Hotel“, sagt Melzer stolz. Die Talente sollen sich wohl fühlen.

Und wie schmuck dieses Haus daherkommt, davon können sich auch die rund 60 Gäste überzeugen, für die Melzer heute einen Empfang organisiert hat. Der Grund ist allerdings er selbst. Horst Melzer wird am heutigen Dienstag 60 Jahre alt. Wegbegleiter aus dem Sport, aus Politik und Wirtschaft sind geladen. Auch OB Reinhard Paß hat zugesagt. „Alle“, sagt er mit einem Schmunzeln, „alle, die mich in den vergangenen 36 Jahren ertragen haben“.

So kann man das auch sehen. Denn Horst Melzer war und ist immer am Ball, ganz vorn dabei, wenn es darum geht, eine Idee zu realisieren. Er hat viel erlebt in all den Jahren und wenn er darüber ins Plaudern gerät, sollte man sich schon einmal ein Stündchen Zeit nehmen, um einen kleinen Überblick über das rastlose Leben dieses Mannes zu bekommen. Mindestens.Denn Melzer hat eigens zu seinem Geburtstag im Keller schon mal eine der vier großen Kisten mit Zeitungsausschnitten, Fotos und Urkunden hervorgekramt, um ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen.

1974 wurde er Schulsportreferent der Stadt Essen. Den Job macht er heute noch. Pensionär mit 65? Undenkbar. Melzer organisiert unter anderem den Schulsport. Aber Melzer ist nun wirklich kein Büromensch, sondern ein Mann der Tat. Deshalb ließ man diesem umtriebigen Exoten auch die Freiheit, seine Träume zu verwirklichen. Und Ideen und Visionen hatte Melzer schon immer. Er wurde einer der erfolgreichsten Schwimmtrainer in Deutschland. Zunächst trainierte er sechs Jahre lang bei Essen 06. Dann zog er sich für ein paar Jahre zurück aufs Land, weil seine damalige Lebensgefährtin Pferde liebte. Aber 1987, als die Startgemeinschaft Essen (SGE) gegründet wurde, war er dabei und wurde mit seinen Schwimmern einer der erfolgreichsten Trainer Deutschlands. Bei vier Olympischen Spielen gehörte er zum Stab der Bundestrainer und war auch deren Sprecher. Er führte Christian Keller und Mark Warnecke in die Weltspitze und hielt sie dort über Jahre. Mit ihnen holte Melzer Olympische Medaillen, und jede Menge nationale und internationale Titel. Und Warnecke holte sogar 2005 sogar noch einmal WM-Gold. E war der älteste Weltmeister aller Zeiten. Und Melzer hatte mitgeholfen.

„Christian Keller hat mich ja manchmal häufiger gesehen als seine Eltern“, erinnert sich Melzer, der gewissermaßen auch Ersatzvater war. Er betreute seine Schwimmer am Beckenrand, motivierte und managte sie. „Nach dem Training habe ich den Anzug aus dem Schrank geholt und habe Sponsoren gesucht.“ Ein „Rund-um-Sorglos“-Trainer war er, immer ansprechbar. Für ihn war es eine Berufung. Er regelte den Alltag von Schule bis PR-Termine. „Das war aber nie eine lästige Pflicht für mich.“ Mit geschickter Hartnäckigkeit und gewiefter Taktik versucht er von seine Vorstellungen zu überzeugen. Deshalb wurde er auch zum Olympiabeauftragten der Stadt Essen ernannt, um die Bewerbung des Reviers im Jahr 2000 voranzutreiben. Und die gigantische Schwimmarena sollte natürlich an der Gruga stehen. Dass er auch Berthold Beitz, den Vorsitzenden der Krupp-Stiftung und ehemaligen IOC-Vizepräsidenten für sich gewann, darauf ist Melzer noch heute stolz.

Aber Olympia ging bekanntlich nach Sidney. Dafür aber hat sich der Traum vom Vollzeitinternat verwirklicht. Heute ist Melzer dort Geschäftsführer und achtet auf Disziplin und ein angenehmes Ambiente. Die pädagogische Leitung hat Sabine Böcker, die ihn seit der SGE-Gründung begleitet. Sie seien praktisch wie ein altes Ehepaar. „Und nun bin ich Heimleiter“, sagt Melzer verschmitzt. Greift zum großen Schlüsselbund und verabschiedet sich in die Internatsmensa zum Essen. Sabine Böcker an seiner Seite.