Essen. Jacqueline Meißner gehört bald zu den Top 20 der Frauen-Bundesliga. Die Mutter von Zwillingen musste schon viele Hürden überwinden.

Das Spiel beim 1. FC Nürnberg war längst entschieden, doch der Treffer von Jacqueline Meißner zum 4:0 sorgte beim Frauenfußball-Bundesligisten SGS Essen für einen besonders innigen Jubel. Nicht, weil die Kapitänin den Ball sehenswert im Kreuzeck versenkte, sondern vielmehr, weil sie damit höchstselbst einen besonderen Tag krönte: Es war Meißners 250. Einsatz in der Eliteklasse für die SGS. Rekordhalterin im Verein ist die 30-Jährige damit schon längst. Noch in dieser Saison dürfte sie aber auch in die ewigen Top 20 der Liga vorstoßen.

Als „Ehre“ empfindet Meißner das und muss gestehen, dass sie ein Stück weit auch von sich selbst überrascht ist. Denn eigentlich wollte sie Fußball immer nur aus Spaß spielen. Mit fünf Jahren fing sie an und wagte gemeinsam mit ihrem Zwillingsbruder Florian bei der SG Phönix-Eving die ersten Schritte, weil dort schon ihr älterer Bruder Dominik spielte. Am liebsten aber kickte Meißner auf dem Schulhof mit ihren Klassenkameraden. Vielleicht auch, weil ihr erster Klub ihr Talent erst verspätet entdeckte.

Immer mit  großem Einsatz bei der Sache:  Jacqueline Meißner (links) im Pokal gegen Wolfsburg.
Immer mit großem Einsatz bei der Sache: Jacqueline Meißner (links) im Pokal gegen Wolfsburg. © Getty Images | Selim Sudheimer

„Drei Jahre musste ich im Tor stehen“, lacht sie. „Aber wir haben da in einer Pampersliga auf Asche eh mehr Türmchen gebaut, als dem Ball hinterherzurennen.“ Und doch bahnte sich schnell der erste schicksalhafte Moment an, denn die Kapitänin der SGS stand früh vor einer wegweisenden Entscheidung, zumal sie in jungen Jahren zweigleisig fuhr und auch Volleyball spielte. „Ich musste mich entscheiden“, erklärt sie. Und für Volleyball sprach, dass ihre Oma sie trainierte.

Ich wollte einfach nur kicken und habe mir sonst keine Gedanken gemacht
Jaqueline Meißner - zu ihren Anfängen im Frauenfußball

„Aber dann habe ich mir bei einem Spiel einen Finger gebrochen und musste operiert werden.“ Die Entscheidung war gefallen: Meißner blieb beim Fußball. Welche Entwicklung sie da aber nehmen würde, war nicht absehbar. „Ich wollte einfach nur kicken und habe mir sonst gar keine Gedanken gemacht.“ Und doch schaffte sie es bei der SG Lütgendortmund bis in die Regionalliga. Beinahe zufällig geriet sie dort ins Blickfeld der SGS.

Mit Isabelle Wolf 2011 im Doppelpack nach Essen

„Sie haben damals meine Mitspielerin Isabelle Wolf gesichtet und dann bin irgendwie auch ich aufgefallen“, erinnert sie sich an den zweiten schicksalhaften Moment. 2011 kamen Wolf und Meißner im Doppelpack nach Essen. Aber absehbar war ihre Karriere auch dann nicht. „Ich war noch nicht so selbstbewusst wie heute und konnte mich nur schwer integrieren. Hinzu kam eine Schilddrüsenerkrankung.“ Nach zwei Jahren wollte Meißner fast schon hinschmeißen: „Ich war lustlos, hatte keinen Bock mehr und überlegte aufzuhören.“

Drei Mal in der Nationalmannschaft

Aber die SGS überzeugte sie, einen neuen Einjahres-Vertrag zu unterschreiben. „Wir wollten dann einfach nochmal sehen, wohin es geht“, erinnert sie sich. „Und für dieses Vertrauen bin ich dem Verein heute dankbar.“ Denn ihr damaliger wie heutiger Trainer Markus Högner hatte den richtigen Riecher. Für Meißner ging es hoch hinaus: Noch unter ihrem Mädchennamen Klasen entwickelte sie sich zur Stammspielerin, lief drei Mal für die Nationalmannschaft auf, übernahm das Kapitänsamt und ist heute die Rekordspielerin der SGS.

Vom Verein wurde sie mit einem eingerahmten Trikot geehrt. Mit der Rückennummer 250. Einen Platz dafür weiß sie schon, nur aufhängen konnte Meißner den Rahmen noch nicht. Denn nachdem sie mit ihrer Ehefrau ein Haus in Oberhausen kaufte, stand erst einmal die Sanierung an. „Verspachteln, verputzen und Laminat verlegen sind kein Problem mehr. Früher hätte ich dafür Papa angerufen. Aber man lernt mit der Zeit dazu“, schmunzelt sie.

Seit Juli Mutter von Zwillingen

Kein Problem hat Meißner offensichtlich auch mit kurzen Nächten, denn seit dem vergangenen Juli ist sie Mutter von Zwillingen. Neben dem Fußball arbeitet Meißner noch im elterlichen Betrieb, wechselt bei Phil und Luis Windeln und muss zwischendrin auch noch den Flur tapezieren – ein straffes Programm. „Aber es funktioniert. Alles eine Frage der Organisation“, sagt sie und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Die 300 Spiele würde ich schon gerne noch vollmachen.“