Essen. Lukas Boeder ist Essener, kommt aus Kupferdreh. Dienstag schrieb er mit dem 1. FC Saarbrücken im DFB-Pokal Geschichte. Ein Interview.

Der 1. FC Saarbrücken ist im DFB-Pokal die absolute Überraschung der Saison. Nach Siegen über den Karlsruher SC, den FC Bayern München, Eintracht Frankfurt und nun auch noch Borussia Mönchengladbach steht der Drittligist im Halbfinale. Der Essener Lukas Boeder stand gegen Gladbach über die gesamte Spielzeit auf dem Feld.

Er spricht im Interview über die Pokalreise, seine Anfänge im Essener Amateurfußball und seine Karrierestationen bei Schalke 04, Bayer Leverkusen, den SC Paderborn und den MSV Duisburg.

Essener Lukas Boeder glaubte nicht mehr wirklich an das Weiterkommen des 1. FC Saarbrücken

Lukas Boeder, Hand aufs Herz: Diese wundersame Pokal-Reise des 1. FC Saarbrücken ist doch nicht zu fassen, oder?

Ich kann es wirklich noch nicht realisieren. Wir sprechen natürlich auch innerhalb der Mannschaft darüber. Rückblickend werden wir sagen können, dass es krass war. Aber im Moment nehmen wir noch gar nicht so richtig wahr, was wir erreicht haben.

Verdammt viel. Gegen Borussia Mönchengladbach schien es eigentlich nicht mehr so, als ob die Spieler noch viel Kraft haben. Und dann gelingt doch noch dieser eine goldene Spielzug mit dem Siegtreffer zum 2:1 in der Nachspielzeit. Wie haben Sie das Siegtor wahrgenommen?

Ich hatte eigentlich schon das Gefühl, dass diesmal nicht mehr drin war. Wir hatten es nach Ballgewinnen nicht geschafft, etwas nach vorne zu kreieren. Das war in den Pokalspielen davor besser als gegen Gladbach. Es ging gefühlt nichts mehr. Trotzdem haben wir uns über den Platz geschleppt. Und als das Tor dann gefallen ist, habe ich mich gefragt ‚Wie ist das denn jetzt passiert?‘ Es hatte sich ja wirklich nicht angebahnt, kam aus dem Nichts. Auch das konnte ich in dem Moment nicht realisieren. Danach passierte alles Mögliche. Alle kommen angerannt. Ich weiß gar nicht, wen ich gedrückt habe und wen nicht. Vieles habe ich da einfach nicht bewusst wahrgenommen (lacht).

Erst haben Sie den Karlsruher SC aus dem Pokal geworfen. Nun nacheinander Bayern München, Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach. Nun stehen Sie mit dem 1. FC Saarbrücken im Halbfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern – einem vermeintlich etwas kleineren Gegner. Aber es ist ein Derby.

Absolut. Uns ist bewusst, dass das wieder ein schwieriges Spiel für uns wird. Wir müssen uns wie schon in den letzten Partien an die Absprachen halten. Gegen Kaiserslautern ist es ein besonderes Spiel.

Haben Sie so etwas in der Art schon einmal erlebt in ihrer Fußballkarriere?

Als ich beim SC Paderborn gespielt habe, sind wir zweimal aufgestiegen und auch mehrere Runden im Pokal weiterkommen. Aber wir waren immer noch eine Stufe weiter unten als jetzt. Deswegen ist es noch einen Tick krasser. Das Halbfinale habe ich im DFB-Pokal noch nie erreicht. Dieses Gefühl ist außergewöhnlich.

Blicken wir einmal auf Ihre Anfänge. Sie sind ein Essener Junge?

Genau, ich bin in Kupferdreh geboren. Wir haben erst in Überruhr gewohnt, sind dann aber schnell nach Kupferdreh gezogen. Meine Familie lebt noch in Essen. Da ist die Stadt immer ein Anlaufpunkt für mich.

Dort haben Sie dann auch mit dem Fußballspielen angefangen. Erst beim SV Kupferdreh, dann ging es zum SV Burgaltendorf. Haben Sie noch Erinnerungen an diese Zeit?

Natürlich. Ich habe mit drei Jahren in Kupferdreh angefangen. Damals habe ich aber noch mehr Sandburgen gebaut als Fußball gespielt (lacht). Dennoch waren es meine ersten Schritte auf dem Fußballplatz. Irgendwann ging es darum, ob ich schon in der F-Jugend spielen kann. Ich war aber eigentlich noch zu jung und der SV Kupferdreh wollte mich noch ein Jahr bei den Bambinis lassen. Weil mein Vater den Trainer der F-Jugend des SV Burgaltendorf kannte, bin ich dorthin gewechselt und blieb da drei Jahre.

Mit dem MSV Duisburg verpasste Lukas Boeder einst knapp den Aufstieg. Am Wochenende trifft er mit Saarbrücken auf seinen Ex-Klub.
Mit dem MSV Duisburg verpasste Lukas Boeder einst knapp den Aufstieg. Am Wochenende trifft er mit Saarbrücken auf seinen Ex-Klub. © firo Sportphoto | firo Sportphoto/Max Ellerbrake

Und dann rief der große FC Schalke 04 an.

Ich bin zur U10 von Schalke gewechselt, die mich schon ein Jahr zuvor haben wollten. Da hatte ich aber noch abgelehnt, weil ich bei meinen Freunden und beim Trainer in Burgaltendorf bleiben wollte. Wir hatten da eine gute Truppe zusammen und ich kenne auch noch genügend Ascheplätze dort, auf denen ich gespielt habe. Das war eine schöne und erfolgreiche Zeit. Ein Jahr später wurde mein Vater dann bei Hallenmeisterschaften angesprochen und ich habe den Schritt gewagt.

Bis zur U15 spielten Sie im königsblauen Trikot. Danach ging es zu Bayer Leverkusen. Warum?

Der Hauptgrund für den Wechsel von Schalke nach Leverkusen, wo ich zwei Jahre in der U17, zwei in der U19 und ein halbes Jahr bei den Profis gespielt habe, war die Schule. Ich wollte auf einem Gymnasium mein Abitur machen. In Schalke gab es aber nur die Gesamtschule Berger Feld. Und Leverkusen hatte sich zudem schon lange um mich bemüht. Ich kam bei einer Gastfamilie unter und allgemein war auch alles sehr familiär. Die Aussichten waren gut. Aber Leverkusen hatte damals keine zweite Mannschaft. Ich hatte dann schon lange bei den Profis trainiert, aber bei der A-Jugend gespielt. Und als ich zu alt für die A-Jugend war, blieben mir nur noch die Spiele in der Youth League.

Also ließen sie sich zum SC Paderborn ausleihen und dann festverpflichten. Unter Trainer Steffen Baumgart gelang der Aufstieg von der dritten Liga bis in die Bundesliga. Dort tauchten Sie dann aber nicht mehr im Kader auf, gingen erst zum MSV Duisburg, bei dem Sie nun am Samstag mit Saarbrücken spielen (14 Uhr), und dann zum Hallescher FC.

Ja, nach dem Aufstieg in die Bundesliga habe ich mir gesagt, dass es keinen Sinn macht, weil ich nicht viel spielen würde. Daher entschied ich mich für Duisburg, aber wir verpassten den Aufstieg leider minimal. Und mein Vertrag hätte sich nur dann automatisch verlängert. Also war ich wieder auf dem Markt. Durch Corona war die Situation aber bei vielen Vereinen unsicher. Ich habe dann bewusst nur für ein Jahr bei Halle unterschrieben, weil ich nicht wusste, wie es ist, weiter von Zuhause weg zu sein. Das Jahr lief mittelmäßig. Also stand ich wieder da und es war nicht klar, was Sache ist.

Und dann die große Angst: Vereinslosigkeit. Zwei Monate war die Zukunft offen, ehe Saarbrücken anrief.

Ich hielt mich bei Borussia Mönchengladbach II fit. Es war eine sehr ruhige, aber intensive Zeit. Ich und meine jetzige Frau wussten nicht, wohin. Es gab Gespräche. Aber das passte nicht so richtig. Doch dann meldete sich ja Saarbrücken. Das passte, es wurde gesagt, dass man jedes Jahr versuchen würde, aufzusteigen. Da sind wir dieses Jahr leider weit von entfernt, aber es ist nun meine dritte Saison hier.

Und die ist schon jetzt eine ganz besondere. Sollte es für das DFB-Pokal-Finale reichen, könnten dann ja vielleicht auch ihre zwei Fanpages auf Instagram wieder aktiv werden. Denn auf der einen erschien der letzte Post im November 2019, auf der anderen im September 2017.

Ich glaube, eine davon habe ich sogar mal gesehen. Aber es ist ja nicht mein Job, die zu aktivieren. Mal sehen, ob da noch einmal jemand drauf anspringt (lacht).

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