Essen. Beim ESC Preußen 02 wird auf dem Fußballplatz inzwischen mehr mit Händen kommuniziert. Der Grund: Dennis Karczewski, der Neuzugang ist gehörlos.
Ein Dutzend Neuzugänge hat der Essener Bezirksligist ESC Preußen 02 für die neue Saison verpflichtet. Einer von ihnen ist Dennis Karczewski. Das Besondere an dem Mittelfeldkicker – er ist gehörlos.
Nachdem der 29-Jährige zuletzt beim GTSV Essen, einem Verein speziell für Gehörlose, in gleich drei Wettbewerben am Ball war, will er auf dem Platz nun den nächsten Schritt gehen.
Im folgenden Interview erklärt Dennis Karczewski, wie es ist, wieder mit normal Hörenden in einem Team Fußball zu spielen und was er sich von seinem Trainer sowie seinen Mitspielern wünscht, um gut mit ihnen kommunizieren zu können.
Dennis, seit wann bist du gehörlos und hörst du gar nichts oder vereinzelte Geräusche?
Dennis Karczewski: Ich bin seit meiner Geburt hochgradig schwerhörig. Im Laufe der Zeit hat sich meine Hörfähigkeit dann noch verschlechtert. Das heißt, ohne Hörgeräte kann ich akustisch nichts mehr wahrnehmen. Wenn aber eine Musikbox ganz laut einstellt wird, dann würde ich noch etwas wahrnehmen, da ich das Bassgefühl dadurch spüren kann. Als Hörhilfe trage ich zwei Hörgeräte, die mir dabei helfen, etwas mehr zu verstehen.
Wie kamst du zum Fußball?
Mein Vater hat mir beigebracht, mit dem Ball zu spielen. In der Schule habe ich in den Pausen immer mit Freunden gekickt und zuhause auf dem Hof, jeden Tag, stundenlang. So habe ich als kleines Kind schon meine Leidenschaft für den Fußball entdeckt. Mein erster Verein war in Dortmund beim SSV Hacheney. Ich war zwölf und zu der Zeit im Internat, der Verein war in der Nähe. Ich habe dort gespielt, weil ich mich als Fußballer weiterentwickeln wollte.
Wie ging es dann weiter?
Nachdem ich nicht mehr im Internat in Dortmund war, bin ich zu einer Schule in Essen gewechselt und zunächst in Duisburg bei Meiderich 06/95 Fußball gespielt.
Wie war es, mit Hörenden zusammen zu spielen?
Ungewöhnlich, aber ich hatte ja schon als kleines Kind mit unseren hörenden Nachbarn Fußball gespielt. Ganz neu war das für mich also nicht. Dennoch habe ich mich in einer Mannschaft mit Hörenden etwas als Außenseiter gefühlt. Es war keine bewusste Ausgrenzung oder gar Diskriminierung, sondern die Kommunikation im Training, beim Spiel und nebenbei hat nicht so gut funktioniert. Auf dem Platz war es kein Problem, ich wollte ja einfach mit anderen Jungs kicken und dort nicht wirklich kommunizieren. Abseits des Platzes, in der Kabine, aber war es schwieriger.
Dann bist du zum GTSV Essen gewechselt, einem Verein speziell für Gehörlose. Warst du dort besser aufgehoben?
Ja, auf jeden Fall! Im Jahr 2013 habe ich mit dem GTSV erstmals an der Gehörlosen- Meisterschaft teilgenommen. Und als sich der GTSV 2015 für den hörenden Ligabetrieb des FVN angemeldet hat, wollte ich auch dort dabei sein. Ich fühlte mich beim GTSV besser aufgehoben, weil dort ausschließlich in Gebärdensprache kommuniziert wird. In meiner Jugendzeit habe ich leider oft Diskriminierung erfahren und zum Beispiel dahingehen, dass Gehörlosen angeblich nicht kicken können, weil sie taktische Besprechungen nicht mitbekommen und nur auf Gebärdensprache angewiesen sind.
Warum hat sich der GTSV auch dem ‚normalen‘ Spielbetrieb angeschlossen?
Die Idee dahinter war, keine reine Hobbymannschaft zu haben, sondern Leistungssport zu betreiben. Wir wollten uns unbedingt mit den anderen hörenden Mannschaften messen. Auch dank Benjamin Christ, der lange als Spielertrainer fungierte und sogar bis zur Oberliga am Ball war, konnte ich viel bei Taktikbesprechungen in Gebärdensprache lernen und habe davon sehr profitiert. Beim GTSV fühlte ich mich nicht mehr allein und bin dadurch viel selbstbewusster und reifer geworden. Für mich war das ein Herzensprojekt – und weil wir zweimal aufgestiegen sind, haben wir viel Aufmerksamkeit erhalten und konnten so viel Aufklärung leisten. Jetzt ist mittlerweile der GTSV Essen in der ganzen Stadt bekannt.
Was kann man aus deiner Sicht beim Inklusionsfußball insgesamt und insbesondere für Gehörlose verbessern?
Lange Zeit gab es zum Beispiel in den Medien, aber auch in der Schule, wenig Aufklärung über Menschen mit einer Hörbehinderung. Ich musste immer wieder auf meine Gehörlosigkeit hinweisen, weil es die anderen immer vergessen haben. Für mich ist das Wichtigste, dass langsam mit einem klaren Mundbild gesprochen wird, aber auch viel mit den Händen gezeigt wird. Hilfreich ist auch, wenn am Handy oder auf Papier schriftlich notiert wird, damit ich es hundertprozentig verstehe.
In der vergangenen Saison warst du in gleich drei Wettbewerben – in der Kreisliga A Essen, in der Futsal-Landesliga und in der NRW-Gehörlosen-Liga – am Ball. Wie hast du das gemacht und wo lag deine Priorität?
In der Gehörlosen-Fußballwelt gibt es auch noch weitere Turniere: NRW-Kleinfeld und Deutsche Kleinfeld Meisterschaft, NRW-Futsal und Deutsche Futsalmeisterschaft, NRW-Landesmeisterschaft der Gehörlosen und nach der Qualifikation noch die Deutsche Meisterschaft. Wenn wir Meister oder Vizemeister wurden, haben wir uns für die Deaf Champions League Großfeld und Futsal qualifiziert. Meine Priorität war, so viel wie möglich bei allen drei Wettbewerben teilzunehmen, sofern ich topfit war. Die NRW-Landesmeisterschaft der Gehörlosen findet samstags zwischen dem Vor- und Nachmittag statt, und Futsal meistens am Abend. Sonntags ist dann der Spielbetrieb bei den hörenden Mannschaften.
Wie läuft es nun im neuen Verein mit anderen Mitspielern?
Sie brauchen etwas Zeit, sich daran zu gewöhnen, mit mir speziell zu kommunizieren. Wenn der Trainer eine Besprechung macht, was ich so leider gar nicht mitbekomme, werde ich von ihm nachher über WhatsApp informiert. Beim Training schaue ich auf meine Mitspieler, was sie machen, dann folge ich ihnen. Im Spiel gab es am Anfang kleine Abstimmungsprobleme, aber das braucht halt Zeit. Wichtig ist, dass sie viel mit den Händen zeigen. Im Fußball muss man ansonsten nicht wirklich viel kommunizieren, sondern sich einfach aufs Spiel konzentrieren.
Sind Teamkumpel dabei, die die Gebärdensprache lernen wollen, um mit dir besser kommunizieren zu können?
Bisher nicht, weil ich zwei Hörgeräte – vor und nach dem Training beziehungsweise Spiel – trage. Dadurch können sie mit mir ein bisschen kommunizieren, weil ich etwas verstehen kann. Wir sind noch am Anfang, vielleicht traut sich jemand noch die Gebärdensprache zu lernen. Ich kann den Jungs gerne ein paar Grundzüge beibringen.
Beim ESC Preußen 02 bist du eine Spielklasse aufgestiegen. Wie siehst du deine Chancen in der Bezirksliga?
Ich wollte mich weiterentwickeln und eine neue Herausforderung suchen. Ich habe mich bei verschiedenen Vereinen, die in der Bezirksliga spielen, erkundet. Auf der Homepage des ESC Preußen 02 ist mir der Vereinskodex aufgefallen, dass Respekt dort sehr wichtig ist. Das war ein Faktor, warum ich mich getraut habe, dort nach einem Probetraining zu fragen. Schnell war klar, dass mir dieser Verein zusagt, auch das Niveau hat mir dort gefallen. Ich hatte zwar auch noch andere attraktive Anfragen, bin aber nun froh, dass ich mich für den ESC entschieden habe. Der Unterschied ist klar, ich springe von der Gehörlosen-Welt wieder in die hörende Welt, also von der gebärdensprachlichen Kommunikation zur lautsprachigen Kommunikation. Da gilt es für mich, gut aufzupassen, viel aufzuschnappen und mich schnell an das neue sportliche Niveau zu gewöhnen.
Und was machst du außerhalb des Fußballs?
Ich arbeite als Industriekaufmann in der Energiebranche. Am Wochenende habe ich aufgrund meiner Teilnahme an drei Wettbewerben kaum Freizeit. Da ich nach dem Spiel relativ müde und erschöpft bin, bleibe ich oft zuhause oder treffe mich mit Freunden. Meine Freunde außerhalb des Fußballs wohnen aber weiter weg, die Gehörlosen-Welt ist klein. Ansonsten mache ich zuhause noch viel Workouts und genieße beim Spaziergang meine Ruhe. Mein Motto lautet: ‚In der Ruhe liegt die Kraft‘.