Essen. Rot-Weiß Oberhausen übernimmt das Spielrecht von Adler Osterfeld. Das wollen sich andere Klubs nicht gefallen lassen. Der FVN unter Druck.
Sportlich war am Ende der Saison 2022/23 alles geklärt. Die Frauenmannschaft von Adler Osterfeld stieg als Meister der Bezirksliga in die Landesliga auf, für den Tabellenzweiten FC Kray bedeutete dies ein weiteres Jahr in der Bezirksliga.
Abfinden wollten sich die Essener damit aber nicht. Nicht etwa, weil Adler Osterfeld aufsteigen sollte, sondern viel mehr, weil der Großteil der Aufstiegsmannschaft zu Rot-Weiß Oberhausen wechselte – und nach einer Entscheidung des Verbandes das Startrecht für die Landesliga gleich mitnahm. Das schmeckte Kray nicht – der Essener Klub legte Protest ein, dem sich mehrere Vereine anschlossen und beim Fußballverband Niederrhein ihren Unmut äußerten.
Mittlerweile hat auch Kray das Startrecht für die Landesliga bekommen – RWO darf ebenfalls in der Liga spielen. Adler Osterfeld wird in der Saison 2023/24 keine Frauenmannschaft mehr melden.
Vereine bekommen die Entscheidung vom FVN erst bei der Gruppeneinteilung mitgeteilt
„Das geht nicht. Das ist ja vorbei an allen Regularien, die es im FVN gibt. Das ist für mich ein einmaliger Vorgang in Deutschland, eine Ignoranz gegenüber dem Frauenfußball. Das würde im Herrenfußball niemals passieren“, wetterte Marcus Siepmann, Trainer des FC Kray über den Startplatz von Rot-Weiß Oberhausen in der Landesliga.
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Fakt ist: Eine amtliche Mitteilung vom Verband, wie es in solchen Fällen normalerweise üblich ist, gab es nicht. Dabei heißt es in Paragraf 22 der Spielordnung des Westdeutschen Fußballverbandes: „Der Zusammenschluss von Vereinen bedarf der Genehmigung durch das Präsidium des zuständigen Landesverbandes. Die Genehmigung ist fristgerecht in den Amtlichen Mitteilungen zu veröffentlichen und wird zum folgenden 15.06. wirksam.“
Zwar waberten schon vorher Gerüchte umher, doch erst mit Verkündung der Gruppeneinteilung gab es öffentlich die Gewissheit, dass Rot-Weiß Oberhausen den Startplatz bekommen würde. „Durch die Veröffentlichung der Gruppeneinteilung in den Amtlichen Mitteilungen wurden die Vereine darüber informiert“, entgegnete der FVN der Frage, ob es nicht eine öffentliche Mitteilung über den Zusammenschluss geben müsse, damit Vereine daraufhin Einspruch einlegen könnten.
Adler Osterfeld und RW Oberhausen verweisen unter anderem auf den 1. FSV Mainz 05
„Von der Regelung ist es so, dass der sportliche Aufsteiger Adler Osterfeld sein Aufstiegsrecht nicht wahrgenommen hat. Demzufolge rückt eigentlich der Zweite, in dem Fall wären wir das gewesen, automatisch nach. Es gab aber wohl im Vorfeld eine Absprache zwischen dem Präsidium des Fußballverbands Niederrhein (FVN) und dem Präsidium von Rot-Weiß Oberhausen. Da der Trainer von Adler Osterfeld mit einigen Spielerinnen den Verein verlassen hat und Richtung Rot-Weiß Oberhausen gewechselt ist, dass sie dann auch das Spiel- und Startrecht in der Liga bekommen“, sagt Siepmann.
Bei Rot-Weiß Oberhausen bestreitet man das nicht. „Wir sind ehrlich gesagt ein bisschen sprachlos. Seit März ist klar, dass wir als Rot-Weiß Oberhausen weiterspielen möchten. Das wussten auch unsere Gegner. Wir haben alles regelgerecht eingereicht, jetzt sollen den Mädchen Steine in den Weg gelegt werden“, sagt Niklas Seeger, Trainer der ehemaligen Adler-Damen, die künftig das Kleeblatt auf dem Trikot tragen werden. Er verweist auf ähnliche Fälle im Frauenfußball – so übernimmt der 1. FSV Mainz 05 beispielsweise bald das Spielrecht des TSV Schott Mainz.
Auch Hajo Sommers, ehemaliger Präsident von Rot-Weiß Oberhausen und mittlerweile für den Frauenfußball beim Traditionsklub verantwortlich, betont: „Es hat immer schon solche Präzedenzfälle gegeben. Wir sind nur die ersten in unserem Verband.“ Bei RWO habe man auch überlegt, in der Kreisliga zu starten – so wie es im Fußballverband Westfalen der FC Schalke 04 und Borussia Dortmund taten – , dann sei die Osterfelder Mannschaft mit dem Wechselwunsch auf den Verein zugekommen. „Wir werden auch eine U13, eine U15 und eine U17 melden“, erklärt Sommers den Unterschied zu Adler Osterfeld, der mit der ersten Herrenmannschaft weiterhin in der Kreisliga A spielt.
„Wir fühlen uns natürlich hintergangen“
Wenn sich jetzt beispielsweise der in Oberhausen im Frauenfußball etablierte Verein Arminia Klosterhardt über diese Offensive beschweren würde, könne Sommer das nachvollziehen. Kray verstehe er allerdings nicht. „Wo ist das Problem? Wir haben denen nichts weggenommen“, so Sommers.
Das sieht man in Essen naturgemäß anders. „Wir fühlen uns natürlich hintergangen“, sagt Marcus Siepmann und ergänzt: „Rot-Weiß Oberhausen darf sehr gerne eine Frauenabteilung eröffnen. Da sind wir ja gar nicht gegen. Dann müssen sie aber genau wie alle anderen Vereine in der Kreisliga anfangen. Der Aufstiegsplatz gehört dann logischerweise dem Zweitplatzierten, der in diesem Fall wir sind.“ Diesen Platz haben die Essener nun vom Verband bekommen.
Verbandsfußballausschuss folgt der Argumentation des FC Kray
Der Verbandsfußballausschuss schloss sich bei einer Sitzung am 17. Juli der Argumentation des FC Kray, der in seinem Einspruch von einem erheblichen Verstoß gegen die Spielordnung des Westdeutschen Fußballverbandes sprach, an. Der FC Kray sah einen Verstoß gegen Paragraf 39 der Spielordnung.
Dort heißt es unter anderem in Nummer drei: „Neu in den Verband aufgenommene Vereine und wiederaufgenommene Vereine sollen in der Regel der untersten Klasse ihres Kreises zugeteilt werden. Die Entscheidung trifft das Präsidium des zuständigen Landesverbandes nach Anhörung des zuständigen Kreisvorstandes und des Verbandsfußballausschusses.“ Nummer zehn des Paragrafen 22 bliebe davon unberührt. In diesem ist unter anderem geregelt, was beim Ausscheiden einer vollständigen Unterabteilung im Frauen- oder Herrenfußball aus einem Verein passiert.
Der FC Kray sah jedoch keinen Zusammenschluss der beiden Vereine, da sie weiterhin parallel zueinander bestehen. Nur im Falle einer Fusion oder einer Neugründung sei das Spielrecht übertragbar. Dies sei bei der Causa RWO/Osterfeld nicht der Fall.
Krays Trainer freut sich über „Gerechtigkeit“
Nun steigen also zwei Teams auf. „Wir freuen uns und finden das gut, weil uns dieser Startplatz zusteht. Der Erste, Adler Osterfeld, hat von seinem Aufstiegsrecht nicht Gebrauch gemacht. Dementsprechend muss der Zweite gefragt werden – und das haben wir beantragt. Dem ist jetzt so zugestimmt worden. Man hofft immer, dass sich die Gerechtigkeit dann durchsetzt. In diesem Fall ist es so gewesen“, freut sich Marcus Siepmann, Trainer der Krayer Frauen, über die Entscheidung des Verbandes.
Fußballverband Niederrhein antwortet ausweichend auf viele Fragen
Der FVN wiederum antwortete nur äußerst spärlich auf die Anfragen dieser Redaktion. „Der Verein Adler Osterfeld hatte im Frühjahr angekündigt, die Frauen-Abteilung aufzulösen. Rot-Weiß Oberhausen hat daraufhin einen Antrag gestellt, das Spielrecht von Adler Osterfeld übernehmen zu wollen. Im Anschluss hat das FVN-Präsidium – auf Vorschlag des Verbandsfußballausschusses – diesem Antrag zugestimmt. Die Frauen-Abteilung von Adler Osterfeld ging in der neu gegründeten Frauen-Abteilung von Rot-Weiß Oberhausen auf“, so die Stellungnahme des Fußballverbandes Niederrhein.
Zahlreiche weitere Fragen – unter anderem ob ein Einspruch des FC Kray öffentlich oder nicht-öffentlich verhandelt werden würde, ob es Bedenken beim Absegnen der Übernahme des Spielrechts gab, da so ein Präzedenzfall für andere Vereine geschaffen wurde, wie es zu der Entscheidung genau kam, warum Rot-Weiß Oberhausen nicht in der Kreisliga anfangen muss, ob der Fußball-Kreis Oberhausen/Bottrop in die Entscheidung involviert war und auf welchen Paragrafen der Satzung bzw. der Spielordnung die Entscheidung gestützt ist, beantwortete der Verband nicht.
>> INFO: Auswirkungen auf die Auf- und Abstiegsregelung sind noch offen
- Der FC Kray trifft dabei in der Gruppe 1 neben Rot-Weiß Oberhausen auf elf weitere Teams, insgesamt sind es also 13 Teams. In der Landesliga-Gruppe zwei spielen 14 Mannschaften.
- Auf die Abstiege aus der Bezirksliga in der vergangenen Saison – nun gibt es ja theoretisch einen freien Platz – hat dies allerdings keinen Auswirkungen. In den Bezirksliga-Staffeln eins bis vier spielen jeweils 13, in der Staffel vier 14. Ob dies wiederum zu einem vermehrten Abstieg in der kommenden Saison führe, um da wieder die Sollstärke in den Ligen zu erreichen, ist noch offen. Die Auf- und Abstiegsregelungen sollen im Laufe der Woche veröffentlicht werden.