Essen. Drei Monate war Niklas Tarnat ohne Verein, dann rief Rot-Weiss Essen an. Für den Sohn von Ex-Nationalspieler Michael Tarnat ein Glücksfall.
FC Bayern München, Hannover 96 und sogar Manchester City: Die Namen der Vereine, für die er schon gespielt hat, sind klangvoll. Doch weder die top Ausbildung dort noch sein eigener bekannter Name konnten verhindern, dass er vor ein paar Wochen noch vereinslos war und ihn ein wenig an den schönen Seiten des Fußballs zweifeln ließ.
Doch inzwischen hat sich für Niklas Tarnat alles zum Guten gewendet. Der 23-Jährige, dessen Vater Michael viermal Deutscher Meister war und die Champions League sowie den Weltpokal gewann und der heute das Nachwuchsleistungszentrum von Hannover 96 leitet, steht seit Anfang Oktober beim ehemaligen Bundes- und jetzigen Regionalligisten Rot-Weiss Essen unter Vertrag.
Wie den defensiven Mittelfeldspieler die Atmosphäre an der Hafenstraße flashte und warum er als Kind und Jugendlicher unter einem anderen Namen kickte, verrät er im folgenden Interview.
Niklas Tarnat, wie haben Sie sich in Essen und bei RWE eingelebt?
Niklas Tarnat: Sehr gut, ich fühle mich hier sehr wohl. Ich wohne jetzt wieder ganz da in der Nähe, wo ich als Kind aufgewachsen bin, nämlich in Erkrath. Meine Eltern haben damals in Hilden gewohnt, das ist hier um die Ecke. Mein Cousin wohnt über mir, eine Cousine zwei Straßen weiter und ein Onkel auch ganz in der Nähe.
Und im Verein?
Ich freue mich, dass ich bei solch einem Traditionsverein spielen kann und denke, man muss als Fußballer schon etwas draufhaben, um hier einen Vertrag zu erhalten. Beim ersten Heimspiel nach meinem Wechsel waren fast 10.000 Zuschauer gegen Wiedenbrück da, das war atemberaubend und ist für die vierte Liga schon sehr außergewöhnlich.
Sie waren vereinslos, bevor Rot-Weiss Essen Sie verpflichtet hat. Hat sich kein Klub für Sie interessiert, nachdem Sie für Hannover 96 ja sogar in der zweiten Liga gespielt haben?
Zumindest hatte ich tatsächlich keine Angebote oder Anfragen. Ich durfte zwar, nachdem mein Vertrag bei Hannover 96 ausgelaufen war, in der U23 mittrainieren, aber das war keine schöne Zeit. Ich war zwar Trainer Christoph Dabrowski dankbar, dass ich mich dort fit halten durfte, aber trotzdem war ich wegen der Ungewissheit natürlich angespannt. Dann kam das Angebot von RWE. Super!
Sie sind in der Regionalliga West bisher sechsmal zum Einsatz gekommen, aber nur zweimal von Beginn an. Sind Sie zufrieden mit dieser Zwischenbilanz?
Jeder Fußballer will möglichst viel spielen, das ist doch klar. Aber man darf nicht vergessen, dass ich zwölf Wochen lang kein Pflichtspiel hatte, bevor ich nach Essen gewechselt bin. Zudem ist die Mannschaft intakt, dann ist es für jeden neuen Spieler erstmal schwer, direkt Fuß zu fassen. Ich arbeite weiter hart, um mich dem Trainer anzubieten.
Ihr Vater hat eine Menge Titel geholt und war Nationalspieler. Wie oft werden Sie mit ihm verglichen oder an ihm gemessen?
Das kommt immer wieder mal vor und ist ein wenig Segen und Fluch zugleich. Wer hat schon jemanden zu Hause, der als Profi so viel erlebt hat und dir unheimlich viel Erfahrung weitergeben kann? Auf der anderen Seite hat es mich immer gestört, wenn die Leute gedacht haben: Der Junge muss genau gut sein wie der Vater. Ich möchte nicht ‚Sohn von…‘ sein, sondern als eigene Persönlichkeit wahrgenommen werden!
Als Kind und Jugendlicher haben Sie unter dem Mädchennamen Ihrer Mutter gespielt, da waren Sie der Niklas Lohmann…
Damit wollten mich meine Eltern eben vor diesen ewigen Vergleichen schützen. In meinem Personalausweis beziehungsweise in Kinderpass stand von Geburt an Tarnat, aber in meinem Spielerpass eben Lohmann. Das mussten wir allerdings ändern, als wir mit der U19 des FC Bayern in der UEFA Youth League gespielt haben und die beiden verschiedenen Einträge in den Pässen zu viele Komplikationen bei Auslandsreisen verursacht hätten.
Schon als Kind waren Sie viel unterwegs, mussten mehrfach umziehen, weil Ihr Vater vom FC Bayern zu Manchester City gewechselt ist und von dort zu Hannover 96. War das spannend für Sie oder haben Sie Ihre Freunde vermisst?
Ich kam eigentlich ganz gut damit klar und habe immer noch Freunde von früher. Ich muss aber zugeben, dass mein Interesse am Fußball tatsächlich erst so richtig geweckt wurde, als wir in Manchester waren. Vorher habe ich zwar auch schon gekickt, aber wenn am Spielfeldrand bunte Blumen wuchsen, dann fand ich die interessanter (lacht). Mein Vater war zwar nur ein Jahr bei City, aber Kevin Keegan, der zu der Zeit Trainer in Manchester war, hat einmal zu meinem Papa gesagt: ‚Lass den Jungen Fußball spielen, der kann was!‘ Außerdem habe ich durch den Aufenthalt in Manchester recht gut Englisch gelernt, was ja immer von Vorteil ist.
Einer Ihrer besten Kumpels ist Lucas Scholl. Mit ihm haben Sie sich vor dem Wechsel nach Essen bei Hannovers U23 fitgehalten, im Gegensatz zu Ihnen hat er aber keinen neuen Verein gefunden. Ist der Sohn von Mehmet Scholl nicht auch einer für RWE?
Das liegt nicht in meiner Hand, so etwas zu entscheiden. Ich wünsche Lucas aber sehr, dass auch er bald einen super Verein findet, so wie ich.