Essen. Im zweiten Teil des Interviews schildert Trainer von Tusem Essen die Saison in Liga eins aus ganz persönlicher Sicht. Es war nicht immer leicht.

Über die Saison in der 1. Handball-Bundesliga aus sportlicher Sicht hat Trainer Jamal Naji (35) von Tusem Essen bereits im Teil eins dieses Interviews gesprochen. Nun schildert der Handballlehrer, der erst zur vergangenen Saison als Nachfolger von Jaron Siewert in Essen anheuerte, wie er persönlich sein Debüt in der stärksten Liga der Welt erlebt hat

Herr Naji, zum ersten Mal haben Sie eine Herren-Mannschaft in der 1. Bundesliga trainiert. Wie lang war ihr durchschnittlicher Arbeitstag?

Jamal Naji: Das ist schwer zu sagen. Es war schon ein sehr intensives Jahr, und ich bin jetzt auch durch und ziemlich gerädert. Ich habe nach unserem letzten Saisonspiel gemerkt, dass eine Menge Anspannung von mir abgefallen ist. Ich brauche jetzt den Urlaub.

Jamal Naji brutal dankbar, Erstliga-Trainer zu sein

Wie anstrengend war diese Mammut-Saison mit 38 Ligaspielen denn für Sie persönlich?

Ich bin ja noch recht jung und belastbar (lacht). Es war schon heftig, auch weil ich so etwas wie Videoanalysen komplett alleine machen musste. Das ist eben anders als bei anderen Erstliga-Vereinen. Wäre es noch mehr Arbeit gewesen, hätte ich das vielleicht auch noch hinbekommen. Aber das alles 20 Jahre in dieser Intensität weiterzumachen, kann ich mir schwer vorstellen.

Dann müssen Sie also oft auch zurückstecken im privaten Leben.

Ja, das ist auch der Vorwurf, den ich mir in meinem Freundeskreis immer gefallen lassen muss. Die fragen mich schon gar nicht mehr, ob ich Zeit habe. Ich muss meistens absagen. Aber das ist ja nichts, worüber ich mich beklage. Ich bin brutal dankbar dafür, dass ich Trainer in der 1. Liga sein durfte. Das ist ja ein unfassbares Privileg, und ich würde es immer wieder machen.

Tusem-Trainer Jamal Naji muss stets reagieren auf das Spiel, hier instruiert er Lucas Firnhaber.
Tusem-Trainer Jamal Naji muss stets reagieren auf das Spiel, hier instruiert er Lucas Firnhaber. © Michael Gohl

Technik bleibt beim Urlaub zu Hause

Hatten Sie schon genug Zeit, diese Saison sacken zu lassen?

Ich hoffe, das kommt im Urlaub. Ich werde die Saison nachbereiten und Statistiken auswerten, damit wir unser Spiel in Abwehr und Angriff optimieren können. Aber dann will ich auch erst mal gar nichts mit Handball zu tun haben. Und in der Regel ist es bei mir so, dass in solchen Phasen neue Impulse und Ideen kommen.

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Wie wollen Sie es denn bei diesem Programm abschalten?

Ich werde mir keine Arbeit mit in den Urlaub nehmen. Nicht einmal ein Handy. Höchsten so ein altes Ding mit SIM-Karte, damit wir erreichbar sind (lacht). Aber sonst nehmen wir nichts mit an Technik.

Wie haben Sie denn die 1. Liga erlebt? Für Sie war es auch Neuland.

Ich stand am Anfang sehr respektvoll der Sache gegenüber. Und ich musste mich ja auch erst einmal irgendwie behaupten – sowohl bei der Mannschaft als auch im Handball-Kosmos Bundesliga, in dem die besten Spieler der Welt unterwegs sind. Irgendwann habe ich den Respekt aber auch abgelegt, weil ich gemerkt habe, dass wir da mitschwimmen können, ohne gleich unterzugehen. Das hat einem ein Stück weit Selbstbewusstsein gegeben. Aber auch ich als Trainer habe mal Grenzen aufgezeigt bekommen.

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Wenn erfahrene Trainer mit einem taktisch Pingpong spielen

Inwiefern?

Man merkt schon, wenn erfahrene Trainerkollegen mit dir taktisch Pingpong spielen. Aber in anderen Spielen hatte ich das Gefühl, dass ich auch taktische Kniffe habe, die anderen Trainer vor Probleme zu stellen. Es war schön zu sehen, wie man selbst daran wächst.

Wie haben Sie den Umgang der anderen Trainer mit Ihnen erlebt?

Manche waren zugänglicher als andere. Was ich beobachtet habe: Am Anfang war ich der Novize, den keiner kannte. Aber das Auftreten mir gegenüber wurde von Spiel zu Spiel respektvoller. Auch die Gespräche miteinander wurden intensiver und länger.

Was haben Sie in diesem Jahr gelernt?

Ich wusste damals nicht, ob meine Fähigkeiten auf diesem Niveau reichen. Das war auch mit einem Fragezeichen verbunden. Aber ich habe gemerkt, dass ich mich da durchaus nicht verstecken muss. Allerdings brauche ich zum Beispiel einem Carlos Ortega (Ex-Trainer Hannover-Burgdorf, d. Red.) nicht mit einer überraschenden Taktik zu kommen, da lacht er sich tot. Es gibt halt schon ein paar Masterminds, und mein Anspruch ist es, da auch irgendwann hinzukommen.

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Tusem Essen ist ein super familiärer Verein

Wie haben Sie den Tusem kennengelernt?

Ich bin erst einmal super überrascht von der Stadt, die hatte ich mir anders vorgestellt. Außerdem finde ich die Mentalität der Menschen hier krass. Du bekommst sofort gespiegelt, ob dich jemand sympathisch findet oder nicht. Wenn du Hilfe brauchst, dann bekommst du sie. Und der Tusem ist eben ein super familiärer Verein. Ein Verein, der sehr viel kommuniziert und sehr auf Vertrauen und Fleiß ausgerichtet ist. Ein wirklich sympathischer Verein mit tollen Fans, so weit ich das kennengelernt habe.

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Sie hatten vor der Saison gesagt, dass Sie mehr Psychologe als Trainer sein werden. Traf das letztlich auch zu?

Ja, schon. Es gab Spieler, die ich sehr hart rannehmen und ihnen die Leviten lesen musste. Es gab aber auch viele Spieler, die man in den Arm nehmen musste und mit ihnen über Dinge sprechen, die nichts mit Handball zu tun haben. Es war sehr viel Kommunikation vonnöten, aber es ist eine Mannschaft, die es einem dankt.

Mussten Sie sich denn auch selbst behandeln?

Das hat meine Frau dann gemacht (lacht). Oder mein Co-Trainer Hege!

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