Vor dem Auftaktspiel gegen Wiedenbrück äußert sich der neue RWE-Trainer im Interview zur Rolle in der Liga und wie er mit Druck umgeht.
An diesem Samstag startet Rot-Weiss Essen mit einem Heimspiel gegen Aufsteiger SC Wiedenbrück (14 Uhr, Stadion Essen) in die Regionalliga-Saison. Es ist gleichzeitig das Liga-Debüt für RWE-Trainer Christian Neidhart, der vor dem Auftakt Rede und Antwort stand.
Am Samstag geht es wieder los, hat das große Kribbeln schon eingesetzt?
Hält sich noch in Grenzen, aber spätestens, wenn wir zum Abschluss auf den Gegner nochmal eingehen, wird es einsetzen.
Jeder darf sich hinter Rot-Weiss verstecken
Die Ergebnisse in der Vorbereitungsphase hat die Erwartungshaltung bei den Fans ja noch ein bisschen mehr gesteigert. Von Ihnen wird ja der Aufstieg praktisch verlangt, ist das jetzt noch mehr Druck als in Meppen?
Nö, mit diesem Druck hab ich ja auch meine Eröffnungsrede gehalten und klar gesagt, wie unsere Ziele sind. Ich finde, jeder darf sich dieses Jahr hinter Rot-Weiss Essen verstecken (schmunzelt), wer es auch immer möchte. Sei es Dortmund, die eine gute Transferbilanz haben, die Spieler nicht abgeben Richtung zweite Liga, dann weiß ich, wie das Ziel auch in Dortmund aussieht. Da habt Ihr schon die Überschrift, was? (lacht).
Wer sind denn neben Dortmund die größten Konkurrenten?
Fortuna Köln hat sich gut verstärkt und eine ähnlich gute Vorbereitung wie wir gespielt. Auch Preußen Münster mit jeder neuen Verpflichtung, die sie jetzt getätigt haben, alles namhafte Spieler; mal schauen, wie schnell sie sich dann finden. Es wird jedenfalls kein Selbstläufer, durch diese Liga zu marschieren. Und es wird sicherlich noch ein, zwei Vereine geben, die ebenfalls höhere Ansprüche haben, Oberhausen wird auch mitreden wollen. Favorit ist RWE, haben alle gesagt, so, dann haben wir das auch abgehakt, wir haben die Favoritenrolle in jedem Spiel sowieso. . Die gerade genannten Vereine schwimmen öffentlich etwas unter dem Radar, aber auch die haben richtige gute Fußballer zusammen. Trotzdem ist unser Ziel realistisch, weil die Mannschaft intakt ist, was man an den Vorbereitungsspielen gesehen hat, jetzt muss man das im Ligaalltag Woche für Woche bestätigen.
Der Start gestaltet sich als schwierig
Wobei der Start nicht einfach wird.
Jetzt haben wir den Start, dann haben wir Pokal, danach sind wir spielfrei. Dann steigen wir erst in Dortmund II wieder ein und haben direkt einen richtigen Kracher im zweiten Spiel. Mal sehen, wie erfolgreich wir da sein werden. Wir müssen über einen langen Zeitraum denken, schauen, dass man immer Tuchfühlung hält an den ersten drei Plätzen. Wer einen langen Atem und einen guten Kader hat, der wird am Ende auch das Rennen machen.
Was muss sich zur letzten Saison verbessern?
Da haben wir zu wenig Tore gemacht. Ich glaube, Kefkir mit sieben Toren war der beste Schütze als Außenbahnspieler. Das zeigt deutlich, dass Du aus dem Mittelfeld zu wenig Tore gemacht hast, und vorne letztendlich keinen hattest, der zweistellig getroffen hat. Ich glaube, hätte das Rot-Weiss Essen gehabt, dann wären sie dieses Jahr schon aufgestiegen.
Also wird einiges anders?
Natürlich haben wir aus der letzten Saison gelernt, die Mannschaft hat ja schon sehr gut funktioniert, mit 2,1 Punkten im Schnitt. Wir haben mit Simon Engelmann einen Torjäger dazu geholt, wir haben mit Backszat noch einen zentralen Mittelfeldspieler, der auch eine gewisse Torgefahr ausstrahlt. Und wir haben mit Davari einen erfahrenen Torwart dazu bekommen, was für die Achse im Team unheimlich wichtig ist. Ich glaube, da, wo wir Probleme hatten, haben wir die richtigen Schlüsse gezogen. Wenn Engelmann seine Torquote bestätigen kann, weißt Du, das Du immer um die Spitze mitspielen kannst.
Sandro Plechaty war die Überraschung
Vorne hat man sicherlich die Qual der Wahl, aber man muss wohl kein Prophet sein, um behaupten zu können: Wenn Daniel Heber und Alexander Hahn gesund bleiben, sind sie mangels Alternativen wohl erste Wahl in der Innenverteidigung, richtig?
Wir haben Jonas Hildebrandt, der die Position spielen kann, wir haben Marco Kehl-Gomez, der hinten rein gehen kann. Also, ich denke, wir sind auch hinten gut aufgestellt. Das wird ja auch der Spagat, dass unsere Spieler es verstehen. Ein Beispiel: Wir haben links mit Grund und Herzenbruch zwei sehr gute Linksverteidiger. Wenn der eine nicht spielt, weiß der andere, dass er dabei ist. Aber aus Gründen der Kaderzusammenstellung kann es sein, dass der andere gar nicht mit dabei ist, beim nächsten Mal aber wieder in der Startelf steht. Die beste Medizin für diese Phase ist, Spiele zu gewinnen, dann haben alle anderen weniger Argumente. Die Saison ist unheimlich lang, über 40 Spiele, hoffentlich mit vielen Pokalspielen, da kann jeder zeigen, dass er für die Mannschaft wichtig ist, um am Ende das große Ziel zu erreichen.
Gab es für Sie die Spieler-Überraschung in der Vorbereitung?
Ja, Sandro Plechaty, schon. Wir haben uns mit ihm lange im Vorfeld befasst. Er hat uns letztlich überzeugt und man muss deutlich sagen: Der hat hier um seinen Vertrag gekämpft und gezeigt, das kein Weg an ihm vorbeiführt, das hat mir schon imponiert, ja. Auch wie er hier auftritt und bescheiden ist. Und ich hoffe, dass er sich jetzt noch weiter steigern kann.
In der Liga gibt es keine klaren Sachen
Wie haben die Spieler ihren Trainer denn kennen gelernt, was ist Ihre Spielphilosophie?
Die sieht man, glaub ich, schon im Spiel: Nach Ballverlusten gleich ins Gegenpressing zu gehen, ruhig im Spielaufbau zu sein, mit Spielverlagerung zu arbeiten. Man sieht schon, was wir wollen, aber um das komplett drin zu haben, wird es noch eine Zeit dauern. Wir wollen schon Fußball spielen, aber auch kompakt sein, um die gute Restverteidigung nicht zu verlieren. Und ich glaube, mit drei Gegentoren, von denen wir zwei selbst gemacht haben, haben wir es gut gemacht. Bei mir ist es wichtig, dass du über einen guten Defensiv-Zweikampf genauso viel Lob erntest wie für ein Tor, dass du vorne schießt.
Zum Abschluss die Frage nach dem Auftakt: Jetzt kommt Wiedenbrück, der Aufsteiger, eine klare Sache?
Für mich gibt es in dieser Liga keine klaren Sachen. Wenn man führt, verändert man immer wieder Spiele, das macht vieles einfacher. Aber grundsätzlich werden wir Wiedenbrück nicht unterschätzen. Sie sind souverän durch die Oberliga gegangen, haben eine eingespielte Truppe, drei von ihnen kenn ich noch aus meiner Meppener Zeit. Und auch wenn der 4:0-Sieg im Pokal gegen Rödinghausen am Ende ein bisschen zu hoch war: Das Ergebnis ist gut für uns, dass auch wirklicher keiner bei uns denkt, die Aufgabe könnten wir im Vorbeigehen erledigen, da sind wir schon auf der Hut. Die werden sicherlich hochmotiviert nach Essen kommen und sich was ausrechnen.