Essen. Essener OSP Rhein-Ruhr hat in Volker Lauer einen neuen Chef. Der ehemalige National-Judoka hat auch Erfahrung als Manager in der Wirtschaft.

Es klingt vielleicht ein bisschen böse, aber unwahrscheinlich wäre ein solches Szenario nicht: Sie stehen auf der Rü, fragen nach dem Olympiastützpunkt Rhein-Ruhr (OSP) und bekommen als Antwort nur ein hilfloses Schulterzucken. Gut, es gibt Straßenschilder, die den Weg zur Wittekindstraße weisen, wo der OSP auf dem Gelände der Krupp-Klinik angesiedelt ist. Aber so wirklich wahrgenommen wird diese Einrichtung des Spitzensports von der Öffentlichkeit kaum. Das allerdings soll sich gründlich ändern.

Man darf den OSP durchaus als ein Prestigeobjekt in dieser Stadt betrachten, denn bundesweit gibt es nur 18 solcher Service-Einrichtungen, in NRW sind es drei. Dort werden die Top-Athleten gehegt und gepflegt, damit sie sich ganz auf den Sport konzentrieren können - darunter natürlich auch diejenigen, die im Sommer bei den Olympischen Spielen in Tokio die deutschen Farben vertreten werden.

Einrichtung in rechte Licht rücken

Der Dornröschenschlaf des OSP ist beendet, dafür sorgt der neue Chef Volker Lauer (41), der seit gut einem Dreivierteljahr für frischen Wind sorgt. Es bewegt sich wieder was. Acht Jahre lang wurde das Haus kommissarisch von dem Mediziner Dr. Dietmar Alf geleitet, der öffentlich nie wirklich in Erscheinung trat. Volker Lauer aber ist angetreten, um diese Einrichtung ins rechte Licht zu rücken. Eine gute Idee - nicht nur im Jahr der Olympischen Sommerspiele in Tokio.

16 Medaillen bei Olympia 2016 in Rio

20 Olympische Sportarten

deckt der Olympiastützpunkt Rhein-Ruhr ab. Die Schwerpunktdisziplinen sind Badminton, Hockey, Kanu, Rudern, Schwimmen, Tischtennis, Triathlon und Wasserball. Der OSP betreut auch Paralympische Athleten sowie Gehörlosensportler.

Im Focus der Arbeit

stehen die Bereiche Gesundheitsmanagement (Medizin, Physiotherapie, Rehabilitation), Leistungsoptimierung (Diagnostik, Ernährungsberatung, Psychologie) sowie die Laufbahnberatung/Duale Karriereplanung.

So erfolgreich

schnitt der OSP Rhein-Ruhr bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 ab: Die Einrichtung schickte insgesamt 26 Teilnehmer an den Start, die an 16 Medaillengewinnen beteiligt waren (4 x Gold, 4 x Silber, 8 x Bronze).

Sportland NRW

ein Viertel aller Bundeskader-Athleten und Nationalmannschaftsmitglieder kommen aus dem Sportland Nordrhein-Westfalen.

Lauer war einst Judoka von Format, er kämpfte für die Hertener Panther in der 1. Bundesliga, war achtmal Deutscher Meister im Mittelschwergewicht und Nationalkämpfer. Ein Start unter den fünf Ringen blieb ihm 2004 in Athen wegen einer Verletzung allerdings versagt. Aber der diplomierte Sportökonom weiß aus eigener Erfahrung, was Athleten von einem Olympiastützpunkt erwarten dürfen und müssen. Das treibt ihn an. Denn: „Athleten und Trainer sind gewissermaßen wie Kunden.“

Erfahrung als Manager in der freien Wirtschaft

Aktiv und kreativ will er ihnen das bieten, was sie benötigen auf dem Weg zum Erfolg. Rund 15 Jahre war Lauer nach seiner sportlichen Karriere in unterschiedlichsten Vertriebs- und Führungspositionen in der internationalen Sportartikelindustrie tätig. „Es ist für diese herausfordernde Aufgabe eindeutig von Vorteil, dass wir in Volker Lauer einen ehemaligen Top-Athleten gewinnen konnten, der neben der fachlichen Kompetenz gleichzeitig über einen großen Erfahrungsschatz aus unterschiedlichen Management-Positionen in der Industrie verfügt“, erklärte damals Michael Scharf, Direktor Leistungssport beim Landessportbund NRW, der die zentrale Trägerschaft übernommen hat. Unter 60 auch externen Bewerbern hatte sich Lauer in einer Aufnahmeprüfung durchgesetzt.

„Come Together“-Veranstaltung im Rüttenscheider Sportinternat mit den Bundesstützpunktleitern und Trainern.
„Come Together“-Veranstaltung im Rüttenscheider Sportinternat mit den Bundesstützpunktleitern und Trainern. © Michael Gohl

Der neue Chef will die Strukturen reformieren. Er wirbt bei Partnern in Wirtschaft und Politik um die Gunst, damit diese nicht nur helfen, sondern sich auch mit der Sache identifizieren. In Hinblick auf eine mögliche Olympia-Bewerbung Rhein Ruhr City 2032 ist Essen ohnehin sicherlich ein spannender Standort. Und klar, der neue Mann sucht auch den Kontakt zur Basis, denn nur gemeinsam lässt sich ein funktionierendes Netzwerk knüpfen.

Ein funktionierendes Netzwerk knüpfen

Lauer lud die Bundesstützpunktleiter seines Verantwortungsbereichs, die Bundes- und OSP-Trainer sowie die Verantwortlichen der Elite-Schulen ins Sportinternat nach Rüttenscheid ein, um sich, seine Ideen und Pläne vorzustellen.

Gerade der Anfang ist eine ausgesprochen intensive Zeit. Eine 40 bis 50 Stunden-Woche sind da keine Seltenheit für den zweifachen Familienvater, was ein Großmaß an Leidenschaft voraussetzt. „Ich bin ein Kind des Leistungssports“, sagt Lauer. „Jahrelang habe ich als Athlet vom OSP profitiert, nun bin ich auf der anderen Seite und will etwas davon zurückgeben.“

Dem Standort Essen ein Gesicht geben

Natürlich wusste auch Lauer, als er sich um diesen Posten bewarb, dass in Essen das eine oder andere im Argen liegt und sich nach der Restrukturierung durch den DOSB vieles ändern muss, um den Standort attraktiv zu halten. Doch er zeigt sich loyal und diplomatisch: „Es ist schon zuvor vieles gut und richtig gemacht worden, aber es hat wohl auch ein Gesicht gefehlt.“

Und ein Gesicht braucht vielleicht auch irgendwann der Standort an sich, über dessen Lage immer wieder mal diskutiert wird. Sichtbar sollte er sein für die Öffentlichkeit, irgendwie repräsentativ erscheinen, damit niemand mehr in dieser Stadt mit den Schultern zucken muss, wenn er nach dem Olympiastützpunkt Rhein-Ruhr gefragt wird.