Essen. Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen kann auch auf einem „Acker“ erfolgreich Fußball spielen. Die öffentliche Wahrnehmung hat sich verändert.

Wer auch immer vergangenen Sonntag den Platz in der Roten Erde zu Dortmund als spieltauglich freigegeben hat, der hätte möglicherweise eine Woche zuvor noch den Sportpark Wanne als Golfplatz erster Güte bezeichnet. Trotzdem wurde in Dortmund angepfiffen. Der BVB ist wahrscheinlich doch eine andere Hausnummer als der TuS Haltern, was Konsequenzen angeht.

Von oben betrachtet war das Spielfeld keine Rasenfläche, sondern glich eher einer Wattlandschaft. Wir wissen aber nun: Die Spieler von Rot-Weiss Essen machen in dieser Saison sogar als Wattwanderer eine gute Figur. Und was für eine: Es hat mich sehr erstaunt und komplett freudig überrascht, wie sich auf einem solchen Untergrund auch spielend behauptet werden kann. Egal wie die jungen Borussen auch auf den Ball drängten, die Rot-Weissen fanden neben kämpferischen Tugenden immer wieder auch eine blitzsaubere, spielerische Lösung; erwiesen sich trotz der überaus schmutzigen Trikots einmal mehr als ballsichere Techniker.

Spielfreude trotz widriger Platzverhältnisse

Vielleicht wurde heute im Stadion Rote Erde der Begriff des „Kämpfniker“ geboren. Eine neue Generation von Fußballern, denen auch widrigsten Platzverhältnisse und Fehlentscheidungen bei regulären Toren nichts von ihrer Spielfreude nehmen kann. Da der BVB seinerseits ebenfalls richtig gut den Ball laufen ließ (eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit bei diesem Untergrund), war es für mich nicht nur ein äußerst spannendes, sondern sogar ein richtig gutes Fußballspiel. Der ein oder andere Fußballästhet möge mir verzeihen.

Was nun die zurückgenommene 1:0-Führung angeht: Die Hand am Ball hat einzig und allein der Linienrichter gesehen. Glücklicherweise konnte wie schon im Hinspiel kurz vor Schluss dann doch der verdiente Siegtreffer erzielt werden. Was ein Stress immer! Aber vielleicht ist genau das der Antrieb, der diese Saison diese eine werden lässt, von der wir noch unseren, wen auch immer, erzählen werden.

Erinnerungen an den letzten Aufstieg aus der NRW-Liga

Vielleicht brauchen wir diese Ecken und Kanten, diese Widrigkeiten. Schon dieser Hinrundenauftakt gegen eben jenen Gegner aus Dortmund hatte bereits Emotionen und Erinnerungen an den letzten Aufstieg aus der NRW-Liga geweckt, die so manch einer längst in der geistigen Asservatenkammer verstauben ließ. Rot-Weiss Essen kann wohl alles, aber eben nicht einfach! Wir brauchen die Dramatik, die letzten Minuten. Den Gegenwind der anderen und die Hoffnung der eigenen.

Einhergehend also mit dieser sportlich so hoffnungsfrohen (und doch etwas chaotischen, nicht beendeten) Hinrunde hat die Mannschaft des RWE nicht nur Punkte gewonnen: Sie hat auch uns, die Fans, wieder erreicht. Der Spott ist verstummt, der Gang wieder aufrechter und das Rot-Weisse Herz ein wenig erwärmter.

Nicht mehr der Vorzeigeverein für Misserfolg

Die Fußball-Öffentlichkeit nimmt uns wieder mit Respekt und nicht als Vorzeigeverein für Misserfolg wahr. Zudem haben wir, wenn mein Bauchgefühl nicht trügt, eine wirkliche Mannschaft beisammen, die sich auch selbst als eine solche versteht. Tolle Typen sind da in unseren schönen Trikots unterwegs. Mit Witz und Herz bei der Sache. Nicht nur auf dem Feld, sondern wie nach dem Spiel erlebt, auch am Megafon: Hedon Selishta hat sich aus dem Stand heraus als neuer Stern am Humba-Himmel etabliert. Seine Performance hatte fast ein ganz klein wenig von einem gewissen (natürlich unerreichbarem) Freddie M..

Die Fans hatten ihren Spaß und alle Anwesenden die Gewissheit, dass unsere Mannschaft Massage und Ermüdungsbecken mehr als verdient hatte. Und die zweite Adventskerze. Und Lebkuchen. Und Glühwein und Stauder. Das war toll!