Essen. Am Samstag starten Jan Seewald und Carsten im Brahm beim Ironman auf Hawaii. Dass Seewalds Ehefrau Katarina ebenfalls dort ist, hat seinen Grund.

„Ich habe ein bisschen Muskelkater“, bemerkte Carsten im Brahm (46) so nebenbei, als wir uns vor anderthalb Wochen im Büro von Jan Seewald (35), seinem Klubkollegen vom Triathlon-Club Essen 84, zum Interview trafen. Wie bitte? Ich glaub’s nicht. Der Mann will an diesem Samstag beim legendären Ironman auf Hawaii starten. „Ich bin gestern nach langer Zeit mal wieder auf dem Laufband gewesen“, klärte im Brahm auf. Er und Seewald wirkten aber sowas von entspannt vor dieser unglaublichen Herausforderung. „Wir haben alles getan und die Leistungen im Training waren stabil“, sagte Carsten im Brahm. Im Klartext: Die Jungs fühlen sich topfit.

Die Vorbereitung war hart und intensiv. In den zwei Wochen vor dem Start galt es, Kraft zu tanken für den Moment, der Stunden dauern wird. Es werden physische und mentale Strapazen: 3,8 Kilometer schwimmen im Pazifik, 180 Kilometer mit dem Rad durch die Lava-Wüste und hintendran einen Marathon bei feuchttropischen Temperaturen. „Das ist schon unnormal heftig“, sind sich beide einig. „Wir haben Respekt davor, aber es ist beherrschbar, wenn man gut vorbereitet ist.“

In der Vorbereitung bis zu 20 Stunden in der Woche trainiert

Bis zu 20 Stunden in der Woche haben sie trainiert, bis zu zehn allein an den Wochenenden, weil sie beide natürlich noch einen Beruf haben. Im Brahm ist Geschäftsführer der Restaurant-Kette „Roadstop“, Seewald arbeitet als Diplom-Ingenieur in der Energiebranche (wie sinnig). Da braucht es in der Tat eiserne Disziplin und einen streng strukturierten Alltag. Die Leidenschaft aber ist es, die diese Ausdauerkünstler immer wieder antreibt, und der Traum von einem Start auf Hawaii.

Seit vergangenem Sonntag sind Jan Seewald und Carsten im Brahm auf Big Island, um sich zu akklimatisieren. Zeitumstellung, Hitze, Elektrolythaushalt anpassen. Die Reise haben sie selbst organisiert und damit die günstigere Version gewählt. Für ein Apartment mit Meerblick hat es dennoch gereicht. 1000 Euro Startgebühren, rund 3500 Euro für den Aufenthalt, günstig ist das nicht.

Doch kein Vergleich mit dem, was Carsten im Brahm im Vorjahr berappen musste, als er mit der Frau und seinen zwei Kindern unterwegs war und noch Urlaub auf der Trauminsel machte. Es war ein Dankeschön an die Familie, die so lange auf den Papa Rücksicht genommen hatte. Denn der hatte 2018 seinen Masterplan und war fokussiert: Hawaii – das musste es sein in jenem Jahr.

„Shaka“: Jan Seewald (li.) und Carsten im Brahm cool und locker. Sie kennen den Gruß der Surfer auf Hawaii.
„Shaka“: Jan Seewald (li.) und Carsten im Brahm cool und locker. Sie kennen den Gruß der Surfer auf Hawaii. © Seewald

Gastronom und Ernährungscoach

Nachdem der Geschäftsmann erste Erfahrungen mit der Langdistanz gemacht hatte, kam die Zäsur. „Da aber war ich beruflich bedingt für zehn Jahre komplett raus“, sagt er. In diesem Zeitraum hatte er gut 20 Kilo zugenommen, was ihn schließlich veranlasste, sich in die Ernährungslehre einzulesen. Keine schlechte Idee für einen Gastronomen – und auf Hawaii ist er nun der Ernährungscoach.

Hamburger und Pommes oder ein Gläschen Rotwein gehen schon mal, man muss sich ja nicht geißeln,“ so Carsten im Brahm. Nur eine Wettkampfplatte vor dem Start ist natürlich ein No-Go. „Die Vorbereitung ist so aufwendig und so teuer, da sollte man möglichst beim Essen nichts falsch machen.“

In diesem Jahr entspannter und aus Versehen qualifiziert

2018 lief es nicht optimal für ihn. An die Herbstferien gebunden, landete im Brahm erst zwei Tage vor dem Start auf Big Island. Keine Eingewöhnung oder Anpassung. „Aber ich war immerhin Daylight-Finisher“, einer, der vor Sonnenuntergang ins Ziel kommt.

In diesem Jahr war es entspannter, da qualifizierte er sich „aus Versehen“. Bei der Triathlon-DM in Hamburg wollte er einen guten Wettkampf ins Ziel bringen, dann aber war er richtig flott und belegte Platz neun in der AK 45-49. Gereicht hätte das nicht, aber glücklicherweise gab es diesmal gleich für vier Nachrücker, was sehr ungewöhnlich ist bei den begehrten Hawaii-Tickets.

Mit Start auf Hawaii einen Lebenstraum erfüllt

Jan Seewald wird in der AK 35-39 mit den schnellsten Jungs im Teilnehmerfeld unterwegs sein. 2017 belegte er Rang 113 (9:26:41 Std.), 13 Frauen waren vor ihm, Mitfavorit und Profi Jan Frodeno war nur zehn Minuten schneller. Qualifiziert hatte sich Seewald bei der EM in Frankfurt, wo er erstmals nach zehn Jahren wieder gefinished und das Hawaii-Ticket gleich mitgelöst hatte. „Mein Lebenstraum“, sagt er.

Mythos und ein großes Happening

Den Mythos dieses berühmten Events erleben Jan Seewald und Carsten im Brahm in diesem Jahr zum dritten Mal (einmal als Zuschauer), gleichwohl bleibt dieser Wettkampf immer etwas ganz Besonderes. Auch weil die Atmosphäre unvergleichlich ist. Aus einem exotischen Dreikampf für Ausdauerjunkies ist längst ein Happening geworden für Athleten aus aller Welt. Um die 2500 Starter sind es mittlerweile.

Am Pier von Kailua ist bereits in den Tagen zuvor mächtig was los, was mittlerweile nicht mehr alle Hawaiianer klasse finden. Der Trubel an diesem idyllischen Fleckchen Erde nimmt stetig zu, und die Sponsoren richten sich mit ihren Plakaten und Aktionen ein. Es ist inzwischen ein großes, populäres Event.

Ein Highlight: das Kona-Coffee-Boat, ein Katamaran, der rund 1000 Meter vor der Küste ankert. Man trifft sich morgens am Kailua Pier, plaudert ein bisschen, scherzt miteinander, und mitunter trifft man auch einen der Weltklasse-Profis, die dort ganz entspannt und ohne Starallüren daherkommen. „Sie haben Respekt vor uns Age-Groupern, die ja die gleiche Distanz absolvieren“, sagt Carsten im Brahm.

Und dann schwimmen sie hinaus, ob Athlet oder Tourist, lassen sich einen Kaffee oder ein anderes Getränk reichen und schwimmen zurück an Land. Ein kleiner Ausflug, Training, ein großes Ritual.

Aber noch traumhafter lief’s für ihn privat. Auch dort schwebt Hawaii wie eine rosa Wolke über ihm. Bei einer Hörer-Aktion von WDR 1Live war Seewald mal Single der Woche geworden, was Kollege Carsten natürlich immer gern mit einem Grinsen erwähnt. Über diesen Weg lernte Seewald Ehefrau Katarina (33) kennen. 2017 machte er ihr am Strand der Hawaii-Insel Kauai einen Antrag. Am 12. Oktober 2018, punktgenau zum Ironman auf Big Island, heirateten die beiden.

An seinem ersten Hochzeitstag wird Jan Seewald also auf den Straßen von Hawaii unterwegs sein. Frau Katarina indes wird ihn am Straßenrand anfeuern. Wie könnte es anders sein? Auch sie ist Triathletin, hatte in Klagenfurt bei ihrem ersten Ironman überhaupt die Hawaii-Quali nur hauchdünn verpasst.