Essen. Essener Handball-Talent Alexandra Humpert hat den Sprung in die U-17-Nationalmannschaft geschafft. Sie hat zwei ehemalige Hexer als Lehrmeister.

Es sind etwas mehr als 14 Monate vergangen, dass wir bei den Humperts in der Küche gesessen haben. Und heute? Heute sitzt da eine Handball-Nationaltorhüterin am Tisch, die wegen ihres Wechsels von Borussia Dortmund zum TSV Bayer 04 Leverkusen vor allem auch dank des dortigen Torwart-Trainers – Hexer Andreas Thiel (59) – einen enormen Sprung gemacht hat. Obwohl. „Das mit der DHB-Auswahl ging ziemlich schnell“, sagt die 16-jährige Krayerin Alexandra Humpert. „Ich bin da fast überrumpelt worden.“

Das rumpelige Ergebnis ist jedenfalls ziemlich gut. Nach gerade mal zwei Lehrgängen war klar, dass Alex Humpert als zweite Torhüterin neben Rena Keller von der SG BBM Bietigheim zu den U-17-Europameisterschaften nach Slowenien fahren würde, die die deutschen Mädels auf Rang sieben beendeten.

Laufbahn begann in Essen bei SG Überruhr und SuS Haarzopf

„Von Dezember bis April hatte ich nichts mehr gehört“, erzählt sie. „Dann kam eine Nominierung, die ich aber nicht angenommen habe, weil ich krank war und viele Klausuren hatte, die ich nicht verpassen wollte.“ Der weitere rumpelige Weg: ein weiterer Lehrgang, wieder runter von der DHB-Liste, eine Nachnominierung inklusive der ersten beiden Länderspiele, noch ein Lehrgang und Slowenien. Dass sie dann bei den Titelkämpfen kaum Einsatzzeiten hatte, stört sie nicht sonderlich. „Wir hatten sieben Spiele, und ich komme so auf 25 Minuten“, sagt Alex Humpert, deren Handball-Karriere einst bei der SG Überruhr sowie später beim SuS Haarzopf begonnen hat. „Ein paar Siebenmeter waren auch noch dabei.“

Stolz auf die Medaille vom Deutschen Handball-Bund: Alexandra Humpert spielt in der U-17-Nationalmannschaft.
Stolz auf die Medaille vom Deutschen Handball-Bund: Alexandra Humpert spielt in der U-17-Nationalmannschaft. © Socrates Tassos

Der Hexer der DDR: Wieland Schmidt

Alles andere als rumpelig ist das Resultat nach dieser U-17-Europameisterschaft. Zwar waren die Tage in Slowenien für Alexandra Humpert und ihre Teamkolleginnen ziemlich stressig und „die Trainer ein bisschen zu streng, weil wir auch an unseren freien Tagen immer trainieren mussten, Video-Analysen und kaum Freizeit hatten“, wie sie sagt.

Aber sie hat verdammt viel mitgenommen – dank des, nennen wir ihn mal so, Hexers der DDR, dank des DHB-Torwarttrainers Wieland Schmidt (65). „Ich stehe jetzt ganz anders im Tor, bewege mich auch anders“, sagt Alex Humpert. „Eines meiner größten Ziele habe ich jetzt erreicht.“ Und nun? Das Ziel für 2020 ist die U-18-WM. In China. Zu gerne hätte Papa Thomas schon mal den Termin – vor allem auch für die Urlaubsplanung. „Aber“, sagt der 53-Jährige, der bei der MTG Horst Sportlicher Leiter ist, „es ist nichts zu finden.“

Unter der Woche lebt Talent im Leverkusener Sportinternat

Cristina, die 13-jährige Schwester der U-17-Nationaltorhüterin, sitzt auch am Küchentisch. Sie lacht viel und erzählt, dass ihr ihre große Schwester sehr fehle. „Aber euer Verhältnis ist besser geworden“, sagt Mama Kerstin. „Wir haben uns auch vorher gut verstanden“, brummt Alexandra Humpert, die von montags bis freitags in Leverkusen lebt, und zwar im dortigen Sportinternat, das mit dem Landrat-Lucas-Gymnasium kooperiert, in einer Wohngemeinschaft mit ihrer Teamkameradin Loreen Veit, und sich seit ihrem Umzug vor einem Jahr um viele Dinge kümmern muss, die ihr im Elternhaus abgenommen worden sind.

Zwei Auswärtssiege und eine Heimniederlage zum Start

Zum Saisonstart gab es für Alexandra Humpert mit ihre Handballerinnen des TSV Bayer 04 Leverkusen zwei Siege und eine Niederlage.

In der A-Jugend-Bundesliga gewannen die Bayer-Mädchen ihre Auftaktpartie bei der HSG Bensheim/Auerbach mit 33:26. Dritte Mannschaft in dieser Vorrunden-Gruppe 4 ist die TuS Metzingen, die gegen Bensheim 27:27 gespielt hat.

Indes setzte sich das Leverkusener Drittliga-Team, das identisch ist, zum Start der Staffel West im Saarland bei der HSG DJK Marpingen-SC Alsweiler mit 28:25 durch. Anschließend verlor es sein Heimspiel +in der Ostermann-Arena gegen Fortuna Düsseldorf mit 17:27.

Alex Humpert, die Elftklässlerin mit den Leistungskursen Deutsch und Sport, macht auch kein Geheimnis daraus, dass sie ihr Zuhause vermisst. „Es ist schwer, das muss ich schon sagen“, erzählt sie. „Ich habe oft Heimweh.“ Aus dem nachdenklichen Gesicht wird dann aber auch ganz schnell wieder ein entschlossenes. „Ich ziehe das jetzt durch“, sagt sie. „Ich weiß ja, wofür ich es tue. Und es sind ja auch immer nur fünf Tage, bis ich wieder zu Hause bin. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, nach Leverkusen zu wechseln. Ganz klar.“ Obwohl es enttäuschend war, gerade gegen Borussia Dortmund das Finale der Deutschen A-Jugend-Meisterschaft verloren zu haben – mit 21:22. Das soll sich aber in den kommenden zwei Jahren ändern, Alex Humpert will die Titel 2020 und 2021.

Die richtige Entscheidung, an den Rhein zu wechseln

Und was ist so anders in der WG? „Dass Mama einen nicht mehr weckt, dass ich selbst aufstehen muss, dass das Frühstück nicht mehr gemacht wird“, antwortet Alexandra Humpert, deren Mama Kerstin, die übrigens nicht am Küchentisch sitzt, schmunzeln muss. „Die müssen da selbst waschen, und die haben auch Flurwoche“, erzählt die 50-Jährige – wohl wissend, dass ihre Tochter in Leverkusen bestens aufgehoben ist. „Die sind da“, sagt Alex Humpert, „alle sehr fürsorglich.“ Da war es im vergangenen Schuljahr auch so, dass Nele Kurzke, die 29-jährige Bundesliga-Torhüterin der Werkselfen, nicht nur Trainingspartnerin, sondern auch Englisch-Lehrerin war.

Erstes Bundesliga-Spiel am 3. März

Apropos Bundesliga: Das hätte Alex Humpert fast vergessen zu erzählen, wenn sie Papa Thomas nicht angestupst hätte. Der 3. März war es, als sie zum Aufgebot von Trainer Robert Nijdam gehörte und ihr erstes Bundesliga-Spiel machte. So richtig schön war’s aber nicht, dieses 25:32 gegen den bis dahin sieglosen SV Union Halle-Neustadt, der inzwischen wieder Zweitligist ist.

„Ich hatte acht Minuten Spielzeit“, sagt Alexandra Humpert. Und sie hatte einen stolzen Vater. „Den Ball habe ich mir zur Seite genommen und von allen Leverkusener Spielerinnen unterschreiben lassen“, erzählt er. Und es ist anzunehmen, dass es nicht der letzte Bundesliga--Ball bleiben wird.