Essen.

Ausgerechnet im Hochsommer beenden die Schwimmer ihre Saison, aber Wasser ist für sie ja eher selten Freizeitspaß. Die Deutschen Meisterschaften in Berlin, die an diesem Donnerstag beginnen, sind diesmal kein Auswahlverfahren für bevorstehende internationale Wettkämpfe, sondern nur der Ausklang nach dem Höhepunkt mit den Weltmeisterschaften in Südkorea. „Der ganz große Druck ist raus“, findet auch Lisa Höpink von der Startgemeinschaft Essen, die gleich am ersten Tag über 100-m-Schmetterling mit Medaillenchancen starten wird.

Das ist wohl so, vor allem für die Cracks im Becken, die sich keine zwei Wochen zuvor in Gwangju mit der Weltelite gemessen haben. Gleichwohl sollte man deren Ehrgeiz nicht unterschätzen; niemand, sagt Nicole Endruschat, Cheftrainerin am Bundesstützpunkt in Rüttenscheid, lässt sich gerne einen Titel vor der Nase wegschnappen. Und Lisa Höpink weiß ganz genau, wie das ist, wenn man das Ziel vor Augen hat und plötzlich eine Klappe fällt und alles dunkel ist. Im April in Eindhoven hatte die junge Schwimmerin bei der WM-Qualifikation über 100-m-Freistil eine super Leistung abgeliefert, hatte ihre Bestzeit um beachtliche 1,5 Sekunden gedrückt, doch gereicht hatte es nicht, weil vier Konkurrentinnen schneller waren, eine von ihnen nur um winzige drei Hunderststel. Eine Fingerkuppe vielleicht fehlten Höpink, um den Staffelplatz für die WM zu ergattern. Leistungssport ist gnadenlos.

Die WM-Teilnahme wurde hauchdünn verpasst

Beim Treffen mit der 20-jährigen Schwimmerin im Juli kommt die verpasste WM-Teilnahme schnell auf den Tisch, weil es eben so unfassbar knapp war. Kaum gefragt, wirft Lisa Höpink den Kopf in den Nacken, als wolle sie sagen, nicht schon wieder diese verdammten drei Hundertstel. Doch die sonnige Laune lässt sie sich nicht mehr verderben und zieht sich den Stachel selbst. „Ich freue mich jetzt auf die Universiade, das ist ein leistungsstarker Wettbewerb mit Konkurrenz auch aus den USA und Australien.“ Natürlich habe sie mit der WM-Teilnahme geliebäugelt, als Ersatzfrau wäre es möglich gewesen, doch der Verband blieb hart. Keine Chance. Als Alternative wurde sie für die Weltspiele der Studenten in Neapel nominiert. Es war das Ass im Ärmel, das sie noch hatte.

Lisa Höpink ist noch jung, aber die Spitzensportlerin musste schon manchen Rückschlag verarbeiten - sportlich und privat. Das Leben ist kein Ponyhof. Ehrgeizig, hart und mit bewundernswerter Disziplin hatte sie von klein auf an sich gearbeitet. Als die kleine Lisa 2009 aus Wanne-Eickel zum Bundesstützpunkt nach Rüttenscheid wechselte, galt sie als Riesentalent. Ihre ersten Stationen, Hellas Wanne-Eickel und Neptun Recklinghausen, konnten ihr da keine Perspektive bieten. In Essen wohnte sie im Sportinternat an der Rosastraße und büffelte am Helmholtz-Gymnasium fürs Abitur. Bei der Junioren-EM 2014 war sie die erfolgreichste deutsche Schwimmerin mit einem Titel, zweimal Silber und einmal Bronze. Wenig später erschien der Teenager auf dem Titelbild der Verbandszeitschrift „swim&more“. Der Anfang einer Karriere.

2017 wurde zum verflixten Jahr

Doch 2017 wurde zum verflixten Jahr. „Ja“, sinniert Höpink, „da ist damals einiges zusammengekommen.“ Die WM in Budapest hatte sie verpasst, das Abi lief aufgrund der Widrigkeiten nicht ganz so wie erhofft, so dass „nur“ ein Notendurchschnitt von 2,2 heraussprang, was angesichts der Belastung noch immer ganz beachtlich ist. Für einen Studienplatz an der Ruhr-Universität Bochum in Wirtschaftspsychologie reichte es aber. Am Ende bekam Höpink auch noch Pfeiffersches Drüsenfieber, Sportverbot, Trainingsrückstand, Neustart.

Doch 2018 musste die junge Frau erneut ins Krankenhaus wegen einer Sekundärinfektion, was eher selten vorkommt. Keine Chance auf Titeljagd oder EM-Qualifikation. Die SGE-Schwimmerin beendet die Saison vorzeitig und machte Urlaub. Es war eine harte Probe für sie, die manchmal schon darüber grübelte, warum ausgerechnet ihr so etwas passiere. „Es war ein blödes Jahr, wirklich nicht entspannt.“ Die Zeit, die sie investierte, stand einfach nicht mehr im Einklang mit dem Ertrag. Lisa Höpink behauptet von sich, dass sie Probleme lieber für sich verarbeite, sich dabei oft nur ungern helfen lasse. Sie wirkt da ein wenig zwiegespalten. Mit Doro Brandt, ehemals Weltklasse-Freistilschwimmerin, lebt sie in einem Haus. „Da bin ich schon mal froh, wenn wir sprechen können.“

Bei der Universiade war Lisa Höpink dann wieder groß in Form.
Bei der Universiade war Lisa Höpink dann wieder groß in Form. © Thomas Stuckert/FFS

Und das Uni-Leben oder mit Freunden etwas zu unternehmen, findet sie als Ausgleich unerlässlich. Aber sie gibt auch zu, ein Morgenmuffel zu sein. „Morgens in der ersten Stunde braucht mich niemand anzusprechen“, sagt sie und lächelt. Trainerin und Teamkollegen wissen es, haben sich darauf eingestellt. Die Lisa sei halt manchmal ein bisschen launisch. Auf Regen folgt Sonnenschein. „Ich bin gelassener geworden“ sagt Höpink. „Es ist wieder schön im Wasser zu sein, dort fühle ich mich wohl. Schwimmen macht mir wieder super viel Spaß.“ Nein, es ist keine Plackerei für sie, sie könne im Wasser gut abschalten und selbst beim öden Kachelzählen entspannen oder nachdenken, je nachdem.

Ab August für zwei Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet

Privat hat sich das Umfeld gefestigt. Neben der Uni wird sich Lisa Höpink ab August für zwei Jahre bei der Bundeswehr verpflichten. Nächster Dienstgrad: Feldwebel. Damit hat sie auch eine finanzielle Basis. „Die Grundausbildung hat mir Spaß gemacht, ich habe dort viele Freundschaften geschlossen. Und ich habe auch kein Problem, Verantwortung zu übernehmen und die Richtung vorzugeben.“ Einfach nur mitschwimmen, ist halt nicht ihr Ding. Mit der Freude kam die Form zurück. „Step by step hatten wir uns nach der schweren Zeit vorgenommen“, erinnert sich Höpink. „Aber dann habe ich in diesem Jahr gleich zwei Schritte auf einmal gemacht. Die Trainerin war genauso erleichtert wie ich. Das ist doch mal was Positives.“

Und macht Mut im Hinblick auf das große Ziel Olympische Spiele 2020 in Tokio. Bei der Universiade in Italien bestätigte Lisa Höpink ihre tolle Form. „Es war super dort und auch erfolgreich“ schwärmt sie. Zwei der drei Medaillen für die deutschen Schwimmer gewann die Essenerin. Bronze holte sie über 100-m-Schmetterling, Silber in persönlicher Bestzeit über 100 m-Freistil. Es ist ihr bislang größer internationaler Erfolg. Und die Freistil-Zeit hätte sogar locker für einen Platz in der WM-Staffel gereicht. Ach, lassen wir das....