Essen. Der Essener Viertligist hat beim 2:1-Heimsieg über Borussia Dortmund II auch eine Menge Fortune. RWE wird aber für unermüdlichen Einsatz belohnt.
Als RWE-Boss Marcus Uhlig die Treppen herab vom Rasen ins Foyer vor den Kabinen kam, sah auch er ziemlich abgekämpft aus: Das Hemd pitschnass, ein riesiger Fleck auf der Vorderseite. Kein Wunder bei den tropischen Temperaturen, die auch noch am späten Abend drückten. Oder war es doch ein bisschen Angstschweiß? Hätte gut sein können, denn bis in die Schlussphase hinein sah es beim Saisonstart gegen Borussia Dortmund II eher nach einem Fehlstart der Rot-Weissen aus.
“Ich habe nur die Spieler umarmt”, klärte Uhlig auf. Wahrscheinlich jeden Einzelnen, aus Freude und Dankbarkeit. Denn die Jungs hatten bis zum Schluss Meter gemacht, waren gerannt, hatten gekämpft und versucht, das Ding umzubiegen. Mit Erfolg. In der Nachspielzeit und vom Elfmeterpunkt tütete Alexander Hahn mit dem Tor zum 2:1 (0:1) die ersten drei Punkt ein. Was für Glück.
Maximale Anspannung, maximal Freude
„Ein wahnsinniger Tag”, sprudelte es Uhlig heraus. Noch immer aufgedreht und ergriffen. „Maximale Anspannung, maximale Freude, ich bin super zufrieden.” Die RWE-Fans werden es unterschreiben. Geiles Spiel, drei Punkte und dann auch noch ein Spielverlauf nach Drehbuch: Das Happy End mit Abpfiff, mehr geht nicht. Da schlagen die Gefühle schon mal Kusselkopp.
Sensationelle 14.500 Zuschauer sahen diesen Regionalliga-Auftakt, das allein ist sensationell und gibt es nur an der Hafenstraße. Und die Dortmunder trugen ihren Teil dazu bei, nicht nur wegen der gut 1000 Leute im Gästeblock, die im kleinen Kreis, aber ebenso mit unglaublicher Ausdauer und Intensität wie die rot-weissen Kontrahenten die Stimmung befeuerten. „Ein Superspiel”, befand selbst BVB-Trainer Mike Tullberg, der Verlierer, der aber einen ebenso überzeugenden Auftritt hinlegte wie seine Spieler zuvor.
Keine anklagende Larmoyanz, sondern klarer Blick auf die Realität
Keine anklagende Larmoyanz, dass seiner Mannschaft Unrecht widerfahren sei, sondern ein klarer Blick auf die Realität. Selbst die paar Bier an den Kopf nach Spielschluss akzeptierte der Däne gelassen. Man sei gut ins Spiel gekommen, der Plan sei aufgegangen und man sei auch in Führung gegangen durch den pfeilschnellen Joseph Boyamba (39.) nach einem Ballverlust von Daniel Heber. Verdient zu diesem Zeitpunkt.
Der Gast hatte bis dahin sogar schon zweimal getroffen, doch Schiedsrichter Martin Ulankiewicz sah es jeweils anders. „Für mich war das erste Tore von Mory Konate kein Abseits”, sagte Tullberg. Dann habe man nach einem Konter die große Chance gehabt zum 2:0 durch Chris Führich, der unbedrängt vor dem Tore schwach und unplatziert abschloss, so dass Keeper Marcel Lenz retten konnte. RWE besaß an diesem Tag das in der Vorsaison so oft vermisste Matchglück.
Auch Zweifel bei Elfmeter-Pfiff in letzter Sekunde
„Ich möchte über die Schiedsrichter nicht sprechen, das habe ich auch den Jungs in der Kabine gesagt”, meinte Tullberg, der es dann doch tat und die entscheidenden Szene aus seiner Sicht schilderte. Der Essener Dennis Grote zog allein gegen drei Gegenspieler mit all seiner Routine das Foul. Den Freistoß zirkelte der herausragende Amara Conté millimetergenau ins Netz zum 1:1 (81.). „Das ist so gepfiffen und er macht ihn schön rein.”, sagte Tullberg.
Und dann in der Nachspielzeit (90.+5) die Entscheidung. Nach einem weiten Schlag von Jan-Lucas Dorow in den Dortmunder Strafraum drängte sich RWE-Torjäger Marcel Platzek, das Schlitzohr, geschickt zwischen die beiden Dortmunder Innenverteidiger und fiel. „Wenn man sich so fallen lässt, hätte ich mit einer Gelben Karte gerechnet”, interpretierte Tullberg. Aber es gab Elfmeter. Und selbst im Lager der Rot-Weissen gab es hier und da Zweifel, ob man den geben musste. „Das können wir aber auch unterbinden”, meinte Tullberg selbstkritisch. „Der Torwart kann rauskommen, ein Innenverteidiger kann das cleverer verteidigen, da bräuchten wir jetzt nicht über die Schiedsrichter zu reden.“
Emotionale Explosion nach dem entscheidenden Treffer
Das hatten die Rot-Weissen in ihrer Glückseligkeit sowieso nicht vor, denn Sekunden später löste Alexander Hahn eine emotionale Explosion aus. Es war das Glück des Tüchtigen.
Natürlich lief für die Gastgeber nicht alles nach Wunsch an. „Aber wichtig war, dass wir geduldig weitergespielt haben. Nach der Pause haben wir den Gegner laufen lassen, sind diszipliniert geblieben und haben keine langen Bälle geschlagen.“ Auch Cheftrainer Titz spürte das Glück („Wie das so gelaufen ist, hat man nicht alle Tage.“). Was ihn aber ganz besonders beeindruckte: „Die Mannschaft hat an sich geglaubt und nie aufgeben. Da hat man gesehen, was dann möglich ist.“