Essen. Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen trennt sich überraschend von Cheftrainer Neitzel. Ein Nachfolger mit Bundesliga-Erfahrung wird gehandelt.

Karsten Neitzel (51) ist nicht mehr Trainer beim Fußball-Regionalligisten Rot-Weiss Essen. Am Dienstagmittag, sozusagen High Noon, verkündete RWE, dass man den Fußballlehrer mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Cheftrainer freigestellt habe. Erst einige Stunden zuvor war Neitzel von der Entscheidung unterrichtet worden. Ein Nachfolger soll „zeitnah“ vorgestellt werden, heißt es in der Pressemitteilung. Ein Name kursiert schon. Christian Titz (48), der 2018 gut ein halbes Jahr lang die Profis des Hamburger SV trainierte, wird bereits als Nachfolger gehandelt.

Neitzel als Mensch und Trainer schätzen gelernt

„Wir haben Karsten in der letzten Saison als Mensch und Trainer zu schätzen gelernt. Die sportliche Entwicklung und die Analyse der Gesamtsituation hat uns trotz seiner fachlichen Qualitäten zu dem Entschluss gebracht, den derzeitigen Umbruch auch auf der Position des Cheftrainers zu vollziehen“, erklärt der RWE-Vorsitzenden Marcus Uhlig, der emotional noch angefasst ergänzt: „Dieser Schritt ist uns sicherlich alles andere als leicht gefallen. Wir bedanken uns bei Karsten für seine geleistete Arbeit und seinen vorbildlichen Einsatz.“ Karsten Neitzel hatte im April 2018 an der Hafenstraße angeheuert und betreute die Rot-Weissen in insgesamt 48 Pflichtspielen.

Eine äußerst enttäuschende und frustrierende Spielzeit

Dass auch die Trainerposition bei der Gesamtanalyse nach einer äußerst enttäuschenden und frustrierenden Saison nicht außen vor bleiben würde, war zu erwarten, ja, das gehört gewissermaßen zum Pflichtprogramm. Leise Kritik im Umfeld hatte es auch schon während der Spielzeit gegeben. Nicht von den Verantwortlichen, aber im Umfeld und bei den Fans, was ja nicht ungewöhnlich ist, wenn der Erfolg ausbleibt.

Die Essener, die im Titelrennen mitlaufen wollten, wurden am Ende mit 46 Punkten Achter, satte 21 Zähler hinter Meister Viktoria Köln. In der Vorsaison holten sie drei Zähler mehr, belegten allerdings Rang zehn. Als RWE Mitte Mai den letzten Heimauftritt gegen den Absteiger SC Wiedenbrück mit 1:2 in den Sand gesetzt hatte, schallten nur vereinzelt erste „Neitzel raus“-Rufe durch das Stadion.

Marcus Uhlig, Vorsitzender von Rot-Weiss Essen
Marcus Uhlig, Vorsitzender von Rot-Weiss Essen © Michael Gohl

Grundlegender Umbruch wurde eingeleitet

Doch passiert ist nichts. Der Essener Viertligist trennt sich zunächst von Sportdirektor Jürgen Lucas und leitete einen grundlegenden Umbruch ein mit zahlreichen Spielerabgängen. Auch Kapitän Benjamin Baier musste gehen, sein Vertrag wurde vorzeitig aufgelöst.

Als man den Lucas’ Nachfolger Jörn Nowak, von RW Oberhausen gekommen, offiziell an der Hafenstraße präsentierte, wurde diesem natürlich auch die Trainerfrage gestellt. Karsten Neitzel sei jetzt erst einmal im Urlaub, dann werde man weitersehen, so die Antwort damals sinngemäß. Ein Bekenntnis klingt anders – im Nachhinein interpretiert.

Keine von langer Hand geplante Entscheidung

Gleichwohl kommt die Trennung letztlich zumindest vom Zeitpunkt her überraschend. „Sie ist auch nicht von langer Hand geplant gewesen“, betont Uhlig. In der Nacht zum Dienstag seien schließlich die Würfel gefallen. „Sachlich, im Sinne des Vereins.“ Die Analyse hat damit allerdings verdammt lange gedauert, denn bereits in 14 Tagen (17. Juni) starten die Rot-Weissen schon wieder mit der Vorbereitung.

Neitzel hat den neuen Kader maßgeblich mitgestaltet

Neitzel, der zwar routiniert genug ist, um zu wissen, wie das Geschäft funktioniert, wird dieser Entschluss wohl ebenfalls überrascht haben. Schließlich hatte er seinen Urlaub der Saisonplanung angepasst. Er war auch dem Vernehmen nach an der Verpflichtung der fünf neuen Spieler beteiligt, hat bei allen Gesprächen mit am Tisch gesessen, was auch erklärt, dass drei Neue aus dem Südwesten kommen, wo Neitzel ja mal gearbeitet hat. Aber die Verantwortlichen trauen ihm nicht zu, Rot-Weiss Essen zum ersehnten Erfolg zu führen. Aus welchen Gründen auch immer, darüber schweigen sich die Verantwortlichen aus. An der fachlichen Qualität des Fußballlehrers soll es ja laut RWE nicht gelegen haben.