Schnell, hart und anstrengend - das ist Lacrosse. Auch in Essen wird gespielt. Es geht ordentlich zur Sache - auch blaue Flecken gehören dazu.

„Hier ist deine Hilfe, Hendrik!“, schallt es in meinen Ohren. Ich blicke mich um und versuche, mich durch den sperrigen und ungewohnten Helm zu orientieren. Im Nacken spüre ich bereits den Atem meines Gegenspielers. Wieder hallt über den Rasen: „Hier ist deine Hilfe!“ Und tatsächlich erblicke ich endlich meinen Teamkollegen. Mit einer kurzen Drehung, einer Finte, kann ich meinen Verfolger für einen Moment abschütteln und werfe den Ball mit meinem Schläger in das Netz meines Kameraden. „Sehr gut“, lobt Bernhard Minke und lächelt, „fürs erste Mal konnte sich das wirklich sehen lassen.“

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Bernhard Minke ist Trainer von Essen Lacrosse. An diesem Abend scheucht er seine Spieler bei schwülwarmen Temperaturen über den Rasenplatz auf dem Gelände des Hochschulsports an der Gladbecker Straße. Dort ist die Lacrosse-Mannschaft inzwischen angegliedert, nachdem das Team bis 2016 noch als „Ruhrpott Pirates“ zum Etuf gehörte und auch am See trainierte. „Lacrosse ist eine der schnellsten Mannschaftssportarten der Welt“, erklärt Minke mir vor dem Training.

Der Schläger wird zur Schneeschippe

Weil ich mit Lacrosse bisher noch nie in Berührung gekommen bin, soll ich zunächst einmal ein Gefühl für Ball und Schläger bekommen. Während sich also der Rest der Mannschaft warmläuft, versuche ich den Ball aus der Schlägertasche in die Luft zu werfen und ihn wieder aufzufangen. Das funktioniert erstaunlich zügig. Schwieriger wird es dagegen, als ich einen Ball vom Boden mit dem Schläger aufheben soll. „Das ist wie Schnee schippen“, geben mir zwei Teamkollegen Tipps. Bei meinen ersten schaufelartigen Bewegungen hänge ich jedoch immer wieder im Rasen fest.

Voller Körpereinsatz ist in Eins-gegen-Eins-Duellen gefragt. Volontär Hendrik Niebuhr (links) müht sich gegen Henrik Dindas. Letztlich mit begrenztem Erfolg.
Voller Körpereinsatz ist in Eins-gegen-Eins-Duellen gefragt. Volontär Hendrik Niebuhr (links) müht sich gegen Henrik Dindas. Letztlich mit begrenztem Erfolg. © Bastian Haumann

Kurz danach werde ich aber ins kalte Wasser geschmissen. Zunächst Zirkeltraining, dann Eins-gegen-Eins-Duelle zwischen Angreifer und Verteidiger. Dabei merke ich schnell: Beim Lacrosse geht es ordentlich zur Sache. Handschuhe, Ellenbogenschoner und Helm sind Pflicht. Denn beim Kampf um den Ball wird mit harten Bandagen und Tacklings gekämpft. Mit dem Schläger auf den des Gegners zu schlagen, ist ebenfalls ausdrücklich erlaubt. Meine Kollegen feuern mich zwar ordentlich an, im Endeffekt bin ich gegen Henrik, Nils und Co. aber meistens chancenlos. Und blaue Flecken gibt’s auch.

Essener Torwart war bei der Weltmeisterschaft dabei

„Die gehören dazu“, lacht Henrik Dindas. 2010 ist er während eines Semesters in den USA zum ersten Mal mit Lacrosse in Kontakt gekommen. So ergeht es in der Mannschaft einigen, denn in den Staaten und in Kanada ist der Sport unglaublich populär. Da überrascht es kaum, dass bei der Weltmeisterschaft, die bis vor zwei Wochen in Israel stattfand, die US-Amerikaner im Finale mit 9:8 gegen Kanada gewannen.

Bei dem Turnier war sogar ein Spieler der Essener dabei – David Michiels stand für die belgische Nationalmannschaft als Torhüter zwischen den Pfosten.

Dass man für diesen Job einigermaßen verrückt und angstfrei sein muss, wird mir beim Torschusstraining klar. Teilweise fliegen die Bälle nämlich mit brachialen Geschwindigkeiten von weit mehr als 100 Stundenkilometern in Richtung des Gehäuses. „Die guten Spieler schießen so präzise, dass gar nicht so viel passiert“, versucht mich Tim, der ebenfalls Torhüter ist, zu beruhigen.

Durchgeschwitzt, aber zufrieden: Das Herren-Team von Essen Lacrosse nach dem Training mit Lacrosse-Neuling Hendrik Niebuhr.
Durchgeschwitzt, aber zufrieden: Das Herren-Team von Essen Lacrosse nach dem Training mit Lacrosse-Neuling Hendrik Niebuhr. © Bastian Haumann

Am Ende des Trainings sinke ich völlig erschöpft, aber zufrieden zu Boden. Die Teamkollegen klopfen mir auf die Schulter: „Gut gemacht, du kannst gerne wiederkommen“, heißt es unisono.
Ich mühe mich zu einem Lächeln und denke mir: „Warum eigentlich nicht?“

Indianer haben Lacrosse erfunden

Lacrosse ist schnell, dynamisch und hart. Doch wo hat das Spiel eigentlich seinen Ursprung und wie lauten die wichtigsten Regeln?

Geschichte

Erfunden haben das Spiel Indianer an der Ostküste der USA und Kanadas. Sie nannten den Sport damals „Baggataway“ oder auch „Tewaraathon“. Durch das Spiel sollten bisweilen Streitigkeiten zwischen verschiedenen Stämmen geschlichtet werden. Teilweise spielten Hunderte Indianer gleichzeitig gegeneinander, ein Duell dauerte bisweilen mehrere Tage. Ab 1850 entdeckten auch weiße Kanadier und Amerikaner das Spiel.

Spielregeln

Ziel ist, mehr Tore als der Gegner zu erzielen. Gespielt wird auf einem Feld, das von der Größe her einem Fußballplatz ähnelt. Ein Team besteht aus zehn Spielern – einem Torhüter, drei Verteidigern, drei Mittelfeldspielern und drei Angreifern. Die Spielzeit beträgt viermal 20 (in Zukunft 15) Minuten. Durch Werfen, Fangen und Tragen wird der Ball in Richtung gegnerisches Tor gebracht. Wie im Eishockey sind die Tore ins Spielfeld eingerückt, sodass auch hinter dem Tor weitergespielt wird. Es müssen sich immer mindestens drei Spieler in der gegnerischen und vier in der eigenen Hälfte bewegen. Im Gegensatz zum Männer-Lacrosse ist starker Körpereinsatz bei den Frauen nicht erlaubt.

Ausrüstung

Helm, Handschuhe und weiterer Schutz gehören zur Lacrosse-Ausrüstung dazu. Oben ist die Tasche des Schlägers zu sehen, in der der Ball geführt wird.
Helm, Handschuhe und weiterer Schutz gehören zur Lacrosse-Ausrüstung dazu. Oben ist die Tasche des Schlägers zu sehen, in der der Ball geführt wird. © Bastian Haumann

Ein Lacrosseschläger besteht aus Holz oder synthetischem Material. Es gibt drei verschiedene Schläger: Angreifer und Mittelfeldspieler spielen mit einem sogenannten Stick von einer Länge von 102 bis 107 cm, Verteidiger dagegen mit einem deutlich längeren (132 bis 183 cm). Am Ende des Sticks befindet sich die Tasche, in der der aus Vollgummi bestehende Ball transportiert wird. Diese Tasche ist beim Stick des Torhüters wesentlich breiter, damit der Ball leichter gefangen werden kann. Alle Spieler müssen einen Helm und Schutzhandschuhe tragen. Ellenbogenschützer, Schulterprotektoren und Mundschutz gehören in der Regel ebenso wie ein Tiefschutz dazu.

>>SCHNUPPERTRAINING FÜR NEUEINSTEIGER

Üblicherweise trainiert Essen Lacrosse dienstags von 19.30 Uhr bis 21 Uhr am Gelände des Hochschulsports an der Gladbecker Straße 182. Sowohl die Herren als auch die Damen.

Vorbeikommen kann jeder, der Lust hat, Lacrosse einmal auszuprobieren. Am 21. August findet ein Schnuppertraining speziell für Einsteiger statt.