Zum Bogenschießen gehört mehr, als nur Pfeil und Bogen in die Hand zu nehmen. Ohne Kraft und Konzentration geht nichts. Der Sport boomt.

Sich einmal so fühlen wie Robin Hood. Wie die sagenumwobene Gestalt, die jeder seit Kindertagen kennt. Die, der Legende nach, im Mittelalter mit Pfeil und Bogen bewaffnet durch den englischen Sherwood Forest zog. Und dort von den Reichen nahm und den Armen gab.

So in etwa habe ich es mir vorgestellt, als ich mich auf den Weg zum Bogensportclub Essen (BSC) gemacht habe. Ein bisschen mit Pfeil und Bogen zu hantieren und auf Scheiben zu schießen? Das kann ja wohl so schwer nicht sein. Angekommen an der idyllischen Anlage in einem Altenessener Waldstück an der Lierfeldstraße, holt mich die Realität jedoch ziemlich schnell wieder ein.

Schon der Bewegungsablauf ist anspruchsvoll

Auch interessant

„Unser Ziel ist, schön zu schießen“, erklärt mir Herbert Winter während er seinen Bogen vorbereitet. Winter ist der 1. Vorsitzende des BSC. Gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Bay erläutert er die verschiedenen Bogentypen, die es gibt. Doch bevor es losgehen kann, muss erst einmal alles vorbereitet werden. Die Sehne wird über den Bogen gespannt, der aus der Nähe betrachtet durchaus einen imposanten Eindruck macht. „Das ist ein Recurvebogen“, sagt Herbert Winter, „mit dem wird auch bei Olympia geschossen.“ Wer nach dem Schießen Schmerzen und blaue Flecken durch die zurückprallende Sehne vermeiden möchte, kommt zudem an einem Armschutz nicht vorbei.

“Ellenbogen gerade“, weist Herbert Winter vom BSC Essen Volontär Hendrik Niebuhr an. Der probiert sich zum ersten Mal an Pfeil und Bogen.
“Ellenbogen gerade“, weist Herbert Winter vom BSC Essen Volontär Hendrik Niebuhr an. Der probiert sich zum ersten Mal an Pfeil und Bogen. © André Hirtz

Zunächst probiere ich mich erst einmal an der Haltung und dem Bewegungsablauf ohne Pfeil. Den Bogen möglichst gerade ausgestreckt zu halten, ist schon gar nicht so einfach. Und auch beim Zurückziehen der Sehne ist Anstrengung von Nöten. „Ellenbogen gerade und bis unters Kinn“, weisen mich Michael Bay und Hebert Winter an. Danach wieder langsam zurück. Je nach Spannung der Sehne muss dabei schon ordentlich Kraft aufgewendet werden.

Schnupperkurse sind gut besucht

Einfach mal eben unbeaufsichtigt ein paar Pfeile zu schießen – so funktioniert das nicht für Neueinsteiger. Ohne einen erfahrenen Trainer vor Ort, der Anleitung und Anweisung gibt, geht nichts. „Zum Zuschauen beim Training kann jeder gerne vorbeikommen“, sagt Herbert Winter. Doch wer das Bogenschießen wirklich einmal ausprobieren möchte, der möge bitte einen der Schnupperkurse besuchen, die der BSC in regelmäßigen Abständen anbietet. „Die Plätze sind der Erfahrung nach immer sehr schnell weg.“ Die Resonanz ist laut Winter groß.

Denn Bogenschießen erfreut sich inzwischen wachsender Beliebtheit. Über 150 Mitglieder gehören dem BSC an. Im vergangenen Jahr waren bei einem Tag der offenen Tür über 600 Interessierte vor Ort. Zahlen, die auch mit Lisa Unruh zusammenhängen.

So eine Scheibe muss schon einiges aushalten können.
So eine Scheibe muss schon einiges aushalten können. © André Hirtz

Die Berlinerin gewann nämlich bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro sensationell die Silbermedaille. Alle vier Jahre erscheint der Bogenschießsport wie so viele andere Randsportarten plötzlich auf der Bildfläche, auf einmal fieberten Millionen Deutsche mit Unruh mit. Sie unterlag zwar im Finale gegen ihre Gegnerin aus Südkorea – das Land dominiert den Bogenschießsport in einer ähnlichen Weise wie China im Tischtennis – nichtsdestotrotz war es die erste Einzelmedaille für einen deutschen Bogenschützen bei Olympia überhaupt.

„Der Herr der Ringe“ sorgt für Boom

„Das hat auch bei uns für einen kleinen Boom gesorgt“, bestätigt Herbert Winter. Für den sorgen ansonsten gerne auch TV-Blockbuster wie „Der Herr der Ringe“ oder „Die Tribute von Panem“. „Wenn die im Fernsehen laufen, kriegen wir auch schon mal vermehrt Anrufe“ lacht der erste Vorsitzende, der seit 2006 im Verein ist. „Beim Bogenschießen“, erklärt er die Faszination, „kann man vom stressigen Alltag runterkommen. Man blendet alles aus und konzentriert sich nur auf den Ablauf.“

Während um mich herum die Mitglieder des BSC mit erstaunlicher Genauigkeit auf die bis zu 90 Meter entfernt stehenden Scheiben zielen, führen mich Herbert Winter und Michael Bay auf die andere Seite. Dorthin, wo die Scheiben für Einsteiger stehen. Auf zehn Metern Entfernung. „Versuch, einfach die Scheibe zu treffen“, sagt Bay. Ich rufe mir die entscheidenden Schritte noch einmal in Erinnerung. „Ellenbogen gerade, Hand bis unters Kinn ziehen. Und loslassen.“ Tatsächlich landet der Pfeil in der Scheibe, wenngleich auch am äußersten Rand. Der zweite Versuch geht allerdings oben über die Scheibe in Richtung Bäume. Die Streuung meiner Schüsse bleibt auch danach weiterhin riesengroß. Es ist zum Verzweifeln – mein Ehrgeiz lässt jedoch nicht locker.

Bis zu 90 Meter sind die Ziele auf der Anlage entfernt.
Bis zu 90 Meter sind die Ziele auf der Anlage entfernt. © André Hirtz

Immerhin gelingt es mir schließlich doch, auch noch mal drei Pfeile hintereinander an fast die gleiche Stelle zu platzieren. So darf ich mich am Ende des Tages doch noch wie Robin Hood fühlen. Zumindest ein kleines bisschen.

Drei verschiedene Bogentypen

Beim Bogenschießen gibt es verschiedene Bögen. Grundsätzlich wird zwischen drei Typen unterschieden.

Langbogen

Bis heute der Klassiker unter den Bögen. Ende des 13. Jahrhunderts erfunden, ist dieser Bogen auch bekannt aus den Robin-Hood-Filmen. Beim Langbogen gibt es kein Visier zum Zielen, dementsprechend ist er vor allem für Instinktschützen geeignet. Sie fassen das Ziel ins Auge, ziehen den Bogen aus und schießen kurz darauf.

Recurvebogen

Der Recurvebogen gilt als technische Weiterentwicklung des Langbogens. Häufig wird er auch „Olympiabogen“ genannt, weil bei Olympischen Spielen ausschließlich mit Recurvebögen geschossen wird. Die Enden seiner Wurfarme sind nach vorne in Richtung Ziel gebogen und bilden dadurch eine Art „Gegenkurve“ (engl. „recurve“). Durch die Biegung gibt es bereits bei geringeren Zuggewichten eine wesentlich höhere Abschussgeschwindigkeit und Präzision im Vergleich zum Langbogen. Gezielt wird über ein am Mittelteil befestigtes Visier.

Compoundbogen

in Compoundbogen hat mit einem üblichen Bogen nicht mehr viel zu tun.
in Compoundbogen hat mit einem üblichen Bogen nicht mehr viel zu tun. © André Hirtz

Der modernste Bogen, mit dem sehr präzise Schüsse auf bis zu 90 Meter möglich sind. Der Compound muss jedoch speziell auf den Schützen eingestellt werden, weshalb er eher etwas für erfahrene Sportler ist. Gerade weil beim Compoundbogen alle Komponenten auf den Schützen abgestimmt sind, ist er dem Recurvebogen überlegen. Er kann die Pfeile auf weit über 300 km/h beschleunigen. Durch dessen Umlenkrollen muss nur kurzzeitig ein großer Kraftaufwand betrieben werden. Beim Abzug hilft ein sogenannter Release, der das Lösen der Sehne ohne eine seitliche Schwingung ermöglicht. Für das perfekte Beherrschen dieses Bogens ist eine Menge Training nötig.