Sie nennen sich „Babsi Balboa“ oder „Supergrobi“. Verrückte Künstlernamen gehören beim Roller Derby dazu. Der Sport ist nichts für Zartbesaitete.
Mittwochabend, Grugapark. Wer hier entlang kommt und seine Augen schließt, könnte auch glauben, auf einem Bauernhof zu sein. Immerhin schnattern hier doch Gänse. Oder?
Mitnichten. Was nach lautstarken tierischen Geräuschen klingt, kommt in Wahrheit von der hiesigen Rollschuhbahn. Hier trainieren nämlich die „Ruhrpott Roller Girls“ für das anstehende Testspiel gegen die „Holy Wheels Menace“ aus dem belgischen Lüttich. Der quietschende Lärm, den die Rollschuhe von „Babsi Balboa“, „Sweet Gwenrolline“ oder „Supergrobi“ bei jedem Bremsen auf der Bahn machen, ist nicht zu überhören.
Bei den Namen wird mit Klischees und Rollenbildern gespielt
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„Roller Derby“ – so der Name der Sportart – ist eben laut, bunt, hart und ein wenig anders. „Roller Derby ist ein Vollkontaktsport. Man lernt viel über seinen eigenen Körper und wie man ihn bestmöglich kontrolliert“, sagt Katharina Gregor, die hier nur „RaKäthö“ gerufen wird. Denn – und das ist typisch fürs Derby – alle Spielerinnen haben ein Alter Ego, unter dem sie an den Start gehen. „Die Idee dahinter kommt aus dem Wrestling“, erklärt RaKäthö. Der Fantasie sind bei den Pseudonymen keine Grenzen gesetzt. Gerne wird mit alten Klischees oder Rollenbildern gespielt. „Manche wissen direkt von Anfang an, wie sie heißen wollen, bei anderen bestimmen Teammitglieder. Bei mir bot sich RaKäthö wegen meines Vornamens an“, lacht die 31-Jährige.
Bereits im Training geht es ordentlich zur Sache. In Zweierteams blocken die Mädels sich gegenseitig und versuchen die Balance zu wahren. Darauf kommt es nämlich auch im Spiel an. Dort haben beide Mannschaften zeitgleich fünf Spielerinnen auf der ovalen Strecke, wovon die sogenannte Jammerin versucht, sich den Weg durch den Pulk zu bahnen. Die anderen vier Spielerinnen jeder Mannschaft versuchen genau das zu verhindern. Was für den Laien bisweilen chaotisch wirkt, lässt sich nach einigen Minuten doch gut verstehen. „Blaue Flecken und Prellungen gehören dazu“, sagt „Oskar“, die eigentlich Sarah heißt. Sie spielt als Jammerin für die Roller Girls und leitet mit zwei anderen Spielerinnen die Trainingseinheiten der Roller Girls.
Hollywood-Film sorgte für Interesse
Beide, RaKäthö und Oskar, sind über den Hollywood-Film „Roller Girl“ auf die Sportart aufmerksam geworden. „Als ich dann gesehen habe, dass es in Essen eine Mannschaft gab, wollte ich es auch mal ausprobieren“, erzählt RaKäthö. Damals war sie 26. Und war schnell angefixt. Auch wenn es „zunächst ungewohnt ist, in Menschen reinzufahren“, wie sie sagt. Da ist erst einmal Überwindung nötig.
Dreimal trainieren die Roller Girls pro Woche, mitmachen kann jeder. Roller Derby wird nahezu ausschließlich von Frauen betrieben, auch wenn es inzwischen den einen oder anderen Verein gibt, der „Merby“ – Männer-Derby eben – betreibt. Beim Training sind aber auch Männer dabei. Wie zum Beispiel der 32-jährige Thomas, den sie nur „Wombat“ nennen. „Meine Freundin ist hier im Verein, da wollte ich das auch mal ausprobieren“, erklärt Wombat. Er steht erst zum dritten Mal in seinem Leben auf Rollschuhen. Da er im regulären Spielbetrieb der Roller Girls nicht mitspielen darf, ist sein Ziel ein anderes: „Ich würde gerne Schiedsrichter werden“, erklärt er.
Das harte Training der Roller Girls zahlt sich eine Woche später im Duell mit den Belgiern auf jeden Fall aus. Mit 142 zu 130 Punkten setzen sich die Essenerinnen letztlich durch und können gut gewappnet in die kommenden Bundesliga-Spiele gehen.
So läuft ein Spiel im Roller Derby ab
Beim Roller Derby geht es ordentlich zur Sache, doch die genauen Regeln erschließen sich beim ersten Zuschauen nicht unbedingt. Wie genau läuft so ein Duell also eigentlich ab?
Ein Spiel im Roller Derby dauert zweimal 30 Minuten. Die beiden Hälften sind jeweils in zweiminütige Abschnitte – sogenannte „Jams“ – unterteilt. Während eines „Jams“ treten beide Mannschaften mit jeweils fünf Spielerinnen auf der ovalen Bahn gegeneinander an. Jedes Team hat eine Jammerin auf dem Feld, die in der Regel an einem Stern an ihrem Helm erkennbar ist. Die anderen vier Spielerinnen beider Mannschaften sind zum Blocken da – sowohl um der eigenen Jammerin den Weg frei zu blocken als auch um die gegnerische Jammerin am Vorbeifahren zu hindern.
Direkter Körpereinsatz erlaubt - aber nicht mit allen Mitteln
Roller Derby ist ein Vollkontaktsport. Auch direkter Körpereinsatz in Form von Bodychecks ist also erlaubt. Dennoch gibt es natürlich auch hierbei Regeln. So darf der Gegner nicht am Kopf, Hals, Rücken oder unterhalb der Knie attackiert werden. Schultern, Arme, Oberkörper und Oberschenkel sind als Ziel jedoch erlaubt. Geblockt werden darf unter anderem mit den Schultern, Hüften und den Oberarmen. Ellenbogen, Hände oder gar der Kopf sind jedoch streng verboten. Wer dagegen verstößt, muss anschließend für 30 Sekunden auf die Strafbank.
Die Jammerin, die als erste sämtliche Blocker überholt hat, ist für den Verlauf des zweiminütigen Jams die sogenannte „Lead-Jammerin“. Dadurch kann sie den aktuellen Jam schon vor Ablauf der Zeit beenden. Ein wichtiges taktisches Mittel – besonders gegen Ende einer Partie. Punkte erhält eine Mannschaft ab dem zweiten Durchlauf während eines Jams für jeden regulär überrundeten Blocker. Somit sind hohe Ergebnisse die Regel. Zwischen zwei Jams gibt es eine Pause von 30 Sekunden, in der Spielerinnen ausgewechselt werden können. Wer am Ende der Spielzeit die meisten Punkte hat, gewinnt.
Roller Girls spielen in der 1. Bundesliga
Die RuhrPott Roller Girls spielen in der 1. Bundesliga. Dort treten sechs Mannschaften aus ganz Deutschland an.
Nach drei absolvierten Spielen rangieren die Essenerinnen mit einem Sieg und zwei Niederlagen derzeit auf dem vierten Platz.
Ihre Heimspiele absolvieren sie an der Raumerstraße.