Im Sportinternat an der Rosastraße wurde ein Pilotprojekt vorgestellt, das Spitzentalente für das Management gewinnen will
Großer Bahnhof an der Rosastraße. Eine Limousine nach der anderen rollte auf den Parkplatz des Sport- und Tanzinternates, was selbst „Herbergsvater“ Horst Melzer, Geschäftsführer der Eliteschule des Sports, erstaunte: „Das so viele gekommen sind, hätte ich nicht gedacht.“ Es lag am Thema des Abends: Wirtschaft und Spitzensport. Im Mittelpunkt ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt, das Top-Talenten nach der Karriere die Chance auf eine erfolgreiche Zukunft ermöglichen will.
Über 60 Bosse aus ganz Deutschland gaben sich in Rüttenscheid die Ehre, Sven Baumgarten, Förderbeauftragter DOSB, und Jürgen Brüggemann von der Sportstiftung NRW waren ebenfalls gekommen, um sich auf ein spannendes Gedankenspiel einzulassen. Eingeladen hatte die Unternehmensberatung „Capitalent“, die einen Zweitsitz an der Huyssenallee betreibt und für dieses Projekt in Person von Gesellschafter Dr. Marc Schmidt verantwortlich zeichnet.
Win-win-Situation für alle Beteiligten
Die Leitlinie der Essener Eliteschule des Sports ist ja hinlänglich bekannt. Die Einrichtung will den Nachwuchs sportlich und pädagogisch ans Ziel führen. Doch was passiert nach der Schule? „Wir unterstützen unsere Talente, damit sie sich nach der Karriere erfolgreich in die Gesellschaft integrieren können“, erklärt Melzer. Das neue Projekt wäre nun jedoch der nächste Schritt auf diesem Weg.
Hochleistungssportler gelten als zäh, diszipliniert und hoch motiviert, sie sind im Allgemeinen gut organisiert und überaus belastbar. Nur so lässt sich der Alltag mit Ausbildung, Training und Wettkampf meistern. Welches Unternehmen kann angesichts solcher Eigenschaften schon Nein sagen? In Ergänzung zur Laufbahnberatung des Olympiastützpunktes will Schmidt mit seinem Netzwerk Kontakte zu Konzernen knüpfen und Praktika ermöglichen, damit die jungen Leute möglichst früh einen Fuß in die Tür bekommen. Er will sie langfristig als Partner begleiten. „Die Sportler verdienen es einfach, gefördert zu werden. Schließlich haben ja andere im Beruf einige Jahre Vorsprung“, sagt Schmidt, der früher einmal Football spielte bei den Assindia Cardinals. Sein Rat, seine Hilfe sind honorarfrei. „Hauptsache die Tür ist erst einmal auf“, findet der Essener und spricht von einer Win-win-Situation für alle Beteiligten. Erst wenn tatsächlich jemand fest vermittelt würde, könnte auch der Berater davon profitieren.
Legerer Abend als Augenöffner
Natürlich war den Gastgebern an jenem Abend daran gelegen, den Plan nicht spröde und theorielastig rüberzubringen. Und am besten geht das wohl, wenn die Athleten selbst zu Wort kommen. Schwimm-Weltmeister Mark Warnecke (47) und Ruder-Olympiasieger Ansgar Wessling (56) verkörpern den Prototypen des fleißigen und ehrgeizigen Spitzensportlers, der es zum erfolgreichen Unternehmer gebracht hat. Warnecke (47), studierter Mediziner, der mit seinen Nahrungsergänzungsmitteln sogar die Fußballprofis in der 1. Bundesliga versorgt. Und Wessling, der Hörgeräteakustiker, der in Essen mit zwölf Filialen als Größter seiner Zunft gilt. Beide plauderten von den Härten des Lebens, was es heißt, sich durchbeißen zu müssen.
Die SGE-Schwimmer Damian Wierling (21) und seine Freundin Lisa Höpink (18) sind noch jung und haben die Olympischen Spiele 2020 in Tokio im Sinn. Auch sie schilderten, wie beschwerlich es ist, nach oben zu kommen und sich dort zu halten. Frühtraining, Schule, Hausaufgaben, Training und gute Nacht. Das geht nur mit Leidenschaft, Willen und Disziplin.
Wirtschaftsbosse waren beeindruckt
„Es waren regelrechte Augenöffner für unsere Gäste“, erinnert sich Marc Schmidt. Die Wirtschaftsbosse waren beeindruckt. „Sie hatten das gar nicht so auf dem Radar, dass es im Hochleistungssport auch potenzielle Kandidaten für ihre Firma geben könnte.“
Es wurde spät an diesem legeren Abend mit Fingerfood, einem Gläschen Wein und guten Gesprächen. „Ich weiß selbst nicht, was aus dem Projekt wird, was für ein Baum daraus wachsen wird“, sagt Marc Schmidt. Doch Doro Brandt, Deutschlands schnellste Schwimmerin und Psychologiestudentin, bekam noch vor Ort gleich zwei Praktikumsplätze angeboten. Ein Anfang ist gemacht.