Rainer Ruth hat als Jugendsekretär im Espo angefangen, war Vorsitzender der Sportjugend NRW und vertrat später alle deutschen Landesjugenden im DOSB.

Rainer Ruth wartet schon. Ein kurzes Hallo. „Ich hab’ ungefähr eine Stunde“, sagt er und blickt flüchtig auf die Uhr. 60 Minuten sind nicht wirklich viel für ein Gespräch, das sich um rund 25 Jahre Ehrenamt drehen soll. Aber es nutzt ja nichts, der Beruf geht vor. Ruth ist Schulamtsdirektor, kümmert sich um die Hauptschulen in Herne und Bochum und um den Sportunterricht, feilt an Rahmenbedingungen, sucht nach Verbesserungsmöglichkeiten. Alles zum Wohl der Schüler. Klingt furchtbar bürokratisch, doch ein Schreibtischtäter sitzt hier nicht. Akten müssen sein, Ordnung sowieso, aber Rainer Ruth ist auch ein Mann der Tat, einer, der etwas bewegen will.

„Ich bin ein Klarsichthüllen-Typ“, sagt der 61-Jährige und grinst. „Da weiß ich immer, wo was steht, wann was zu tun ist.“ Der Alltag ist durchorganisiert, das Privatleben klar strukturiert, die Zeit sorgsam getaktet, ansonsten hätte das mit dem „Nebenjob“ auch gar nicht funktioniert. Seit mehr als zwei Jahrzehnten engagiert sich Rainer Ruth ehrenamtlich für den Sport und hat es weit gebracht. Als Funktionär ist er sozusagen in die Bundesliga aufgestiegen. Bezahlt wurde er dafür nie, doch zum Ende hin immerhin den „Diskus“ als Belohnung, die höchste Auszeichnung der Deutschen Sportjugend für außergewöhnliche Verdienste. Die massiv schwere Bronzescheibe liegt wie ein Collier in einem hölzernen Kästchen auf weißem Tuch. Rainer Ruth hat sie gleich mal mitgebracht, damit man weiß, was er hat. Sieht nicht so wertvoll aus, der ideelle Wert ist jedoch unbezahlbar. Mehr geht nicht.

Das gilt für all die Jahre, in denen sich Ruth für den sportlichen Nachwuchs eingesetzt hat. Alles begann mit einer glücklichen Fügung. In Bochum hatte Ruth Sport und Evangelische Theologie auf Lehramt studiert, doch eine Anstellung im Schuldienst bekam er zunächst nicht. Also bewarb sich der zweifache Familienvater beim Essener Sportbund und wurde über eine ABM als Jugendsekretär eingestellt. Die Funktionärskarriere nahm ihren Anfang. Ruth durfte seiner Leidenschaft frönen, für ihn war das Hobby eine Berufung. Der rührige Quereinsteiger wurde Vorsitzender der Essener Sportjugend, stieg 2011 auf zum ersten Mann in der Sportjugend NRW, als Präsidiumsmitglied im Landessportbund NRW kletterte er schließlich auf die Bundesebene als Sprecher aller deutschen Landessportjugenden im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Ich wollte immer etwas für die Kinder und Jugendlichen erreichen“, erklärt Ruth. Rund zwei Millionen Sprösslinge sind es allein in NRW. „Da kann man wirklich eine Menge tun.“ Und er hat eine Menge getan, war nicht nur engagiert, sondern offenbar auch gut dabei. Ihm seien die Posten nicht zugeflogen, betont der Funktionär. Aus den Kampfabstimmungen ist er jedenfalls stets als Sieger hervorgegangen.

„Diskus“ als höchste Auszeichnung

Rainer Ruth investierte ungeheuer viel. Bleibt da überhaupt noch Freizeit? „Wenig“, sagt er und rechnet vor: 50-60 Stunden pro Woche als Pädagoge, dazu durchschnittlich 20 Stunden im Ehrenamt. „Da hast du kaum noch ein Wochenende frei.“ Worüber auch Ruth schon mal sinniert: „Ja doch, man muss das schon wollen.“ Aber er habe sich nun mal dem Sport verschrieben. Für ihn ist Sport Bildung und Bildung braucht Bewegung. Die Familie daheim in Haarzopf hat Gott sei Dank mitgespielt. Und der Funktionär ist sich bewusst, dass es für alle nicht immer einfach gewesen ist. „Aber meine Frau hat gemeint, ich sei so besser zu ertragen, als wenn ich nur zu Hause rumhänge.“

Rumhängen geht gar nicht. Natürlich treibt Ruth Sport. Am liebsten würde er alles mal ausprobieren. Er läuft Ski, hat auch schon einen Marathonlauf durchgestanden, was er als den größten Erfolg seiner aktiven Laufbahn betrachtet. „Wenn du diese Distanz geschafft hast, dann produziert das schon Glückshormone.“ Aber eigentlich kommt Rainer Ruth, der Mitglied bei der MTG Horst ist, vom Tischtennis. Auch dort konnte er es nicht lassen: Fünf Jahre lang war er Vizepräsident Sportentwicklung im Westdeutschen Tischtennisverband. Stundenlange Sitzungen in Gremien, für viele ein Graus, weil es weitaus Spannenderes gibt. Aber man kann es ja im weitesten Sinn als Ausdauersport begreifen. Für Ruth jedenfalls gehören Tagungen zum Geschäft. Und man könne dabei auch Dinge lernen für den Beruf, wo er als Schulamtsdirektor ebenfalls Gesprächsrunden moderieren und Inhalte vermitteln müsse.

Stundenlang über Sport reden

Rainer Ruth könnte stundenlang über Sport reden, was man verbessern könnte, damit es besser läuft. Und man spürt die Passion, die dahintersteckt, die ihren Preis hat, den er nun bekommen hat. Wie wichtig ist ihm eigentlich dieser „Diskus“? „Es war nach der Ernennung zum Ehrenmitglied des Landessportbundes NRW meine zweite große Ehrung, aber ich laufe solchen Auszeichnungen nicht hinterher.“ Dazu fehlt ihm die Eitelkeit, aber stolz macht es ihn schon: „Natürlich ist es eine Anerkennung für die Arbeit, die ich geleistet habe - auch auf Bundesebene.“

Der enorme Einsatz geht an die Substanz, im Alter wird es bei der Doppelbelastung Ehrenamt und Beruf auch nicht leichter. Aus beruflichen Gründen hat Rainer Ruth deshalb seine ehrenamtliche Mission nach gut 25 Jahren vor kurzem beendet oder zumindest ganz erheblich eingeschränkt. Als Vorsitzender der NRW-Sportjugend ist er nicht mehr wieder zur Wahl angetreten, doch seine Person bleibt dennoch gefragt. Ruth ist Beauftragter des Landessportbundes NRW im Regionalverband Ruhr und kooptiertes Mitglied im Espo-Vorstand.

Und wird ihm nun etwas fehlen? „Ich werde ein bisschen unruhig werden“, ahnt Rainer Ruth – und ein bisschen amüsiert es ihn. „Das weiß meine Frau ja auch. Mal sehen, was in dreieinhalb Jahren ist, wenn ich pensioniert werde.“ Dann könnte er wieder mit anpacken. Zuzutrauen ist es ihm, zumal der Ehrenamtler beim Abschied noch zufrieden feststellt: „Ich würde es wieder so machen.“