Essen. Manfred Sander, Vereinsretter und Ehrenmitglied, rundet am Sonntag auf Hoher See. Kurz vor seinem Geburtstag redete er Tacheles.
Es gibt Geschichten, die schreibt nur das Leben: Am Sonntag wird Manni Sander 70 Jahre alt, es ist der 19. Juli. 1907 – da war doch was? Hat so jemand eine Chance, nicht als Fan bei Rot-Weiss Essen zu landen? Wohl kaum. Aber was heißt schon „Fan“? „Manfred Sander Transporte – der Bringer“, wie es auf den Fahrzeugen seines Unternehmens heißt, ist längst „Manni – der Retter“, wenn es um die Rot-Weissen geht.
Doch der Reihe nach. Sander und RWE – das war keine Jugendliebe. „Ich habe sie nie spielen sehen, die Gottschalks und Rahns“, meint der Jubilar im Rückblick. „Schuld“ an der Leidenschaft war eine Mitbewohnerin damals im Haus in Essen-West, die ehemals bekannte Stadtfotografin Marga Kingler. Die schleppte ihn 1965 mit zur Hafenstraße. „Von da an war ich verseucht mit dem RWE-Bazillus“, erinnert er sich. Zunächst allerdings fast drei Jahrzehnte „nur“ als Dauerkartenbesitzer und Vereinsmitglied.
Bis 1994 das Pokalfinale in Berlin anstand. „Ich hatte 60 Leute eingeladen, Freunde, Geschäftskollegen, extra einen Doppeldecker-Bus gechartert – aber ich hatte nur 30 Karten bekommen.“ Also hieß es Klinkenputzen bei Wilfried Schenk, der damals gerade RWE-Vorsitzender wurde. Sander: „Den kannte ich gar nicht, irgend so ein Gemüse-Stenz auf dem Großmarkt.“ Schenk fiel aus allen Wolken, versprach aber, sich darum zu kümmern, dafür müsse Sander aber in vier Wochen zu einem „Gespräch“ wieder kommen.
Der Chow Chow war schuld
„So kam es, ich wusste schon, was der wollte: Da war ich die ersten 30 000 Mark los“, so Manni, und schickt erstmals in diesem Gespräch sein markantes dröhnendes Lachen hinterher, geprägt durch vier Schachteln Zigaretten täglich – und das 50 Jahre lang! Es war natürlich nur das Einstiegsgeld in den Sponsorenkreis. Drei Monate später rückte er in den Vorstand auf. Als was? „Keine Ahnung, ich war der, der das Geld mitbrachte.“
Es begann die Blütezeit für abgehalfterte Fußballstars an der Hafenstraße, die sich noch schnell um ihre Altersvorsorge kümmern mussten. Große Namen – wenig Leistung. Die Auswahl beim Geldgeber war denkbar einfach. Manni Sander: „Ich hatte damals einen Chow-Chow, den nahm ich immer mit zu den Gesprächen. Wenn der Hund bellte, hab ich bestimmt: den Spieler nehmen wir!“ Und der Hund bellte oft in dieser Zeit, auch bei den Webers, Löbes oder Shei Lindbaeks – und wie sie alle hießen. Zum Glück aber auch bei Leuten wie Bonan oder Goldbaek.
Mit dem Geld wurde es immer enger, 2001 brannten schon einmal die Grablämpchen an der Hafenstraße. Ein Treuhandkonto wurde eingerichtet, die Gebrüder Koch sowie Sander hinterlegten jeder 500 000 Mark. Es reichte haarscharf.
„Das Geld haben wir natürlich nie wieder gesehen.“ Beim großen Gläubigerverzicht in der Insolvenz im Jahr 2010 nickte natürlich auch Manni Sander ab – Vereinsliebe ging über Besitz. Bis heute. Noch Anfang des Jahres traf er sich mit Sportvorstand Uwe Harttgen und Trainer Marc Fascher im „Hüttenzauber“ (vormals „Heimliche Liebe“ – wie passend!) zu einem Bittgespräch. Ein Stammspieler musste für seine Vereinstreue bei der Vertragsverlängerung noch etwas draufgelegt bekommen – und das Budget war aufgebraucht. „Wieviel, hab ich gefragt“ – „15 000“ . Und Manni zückte mal wieder das Scheckheft. Seitdem klopft sich der Spieler wieder aufs Vereinsemblem.
Wie viel er insgesamt in seinen heißgeliebten RWE gebuttert hat, wie groß die Yacht für das investierte Geld ausgefallen wäre? Da zuckt er nur mit den Schultern: „Keine Ahnung, hat mich nie interessiert, aber ich habe keinen Cent bereut. Andere kaufen Kunst oder Schmuck, aber ich habe bestimmt mehr Spaß mit dem Fußball. – Und außerdem: Die Yacht hatte ich trotzdem!“ Wieder dröhnt sein Lachen durch die Runde.
Sieben Jahre pendelte er von Mallorca. „Da hatte ich die LTU-Dauerkarte, das war wie Straßenbahnfahren. Wenn ich einen Termin hatte, bin ich nachmittags eingeflogen, hab mir einen Mietwagen genommen und war abends wieder auf der Insel. Keiner hat was gemerkt“, freut er sich noch heute spitzbübisch.
Sander möchte seinen RWE noch einmal in der 2. Bundesliga erleben.
Inzwischen ist das Leben Sanders in ruhigeren Bahnen. Mit seinem langjährigen Freund Otto Rehhagel wohnt er längst wieder Tür an Tür in einem Bredeneyer Mehrfamilienhaus. Zwei RWE-Ehrenmitglieder unter einem Dach. 2006 hatte sie Sander verliehen bekommen: „Wahnsinn, 400 Leute standen auf und applaudierten. Wenn ich heute daran denke, kriege ich immer noch Gänsehaut.“ Während König Otto sich aber gerne in der Hochkultur bewegt, ist sich der Selfmade-Unternehmer immer treu geblieben: Mettbrötchen statt Kaviar, noch heute – und gerne dick Butter drunter. „Zweimal haben sie mich mit in die Philharmonie geschleppt, als ich nach einer gewissen Zeit fragte, wann denn endlich Halbzeit wäre, haben sie mich alle böse angeschaut.“ Kulturthema durch.
Sander vermisst das alte Stadion nicht
Dann doch lieber Stadion Essen, wo er eine Loge hat. „Ist doch herrlich geworden. Nein, ich vermisse sie nicht, diese stinkende, vollgesiffte Georg-Melches-Bude“, ist er kein Nostalgiker. Sein Blick geht lieber in die Zukunft: „Ich mag den Doc Welling, er hat uns in ruhige Bahnen gelenkt, aber ich finde, jetzt müsste man auch mal wieder was riskieren, sonst sind wir die nächsten zehn Jahre noch in der Vierten Liga“, juckt es den Unternehmer doch in den Fingern. „Ohne Moos gibt es auch im Fußball nichts zu ernten.“ 100 Jahre will er werden – und bis dahin RWE noch in der Zweiten Liga sehen.
Zu seinem 70. hat er sich verdrückt, ist auf Kreuzfahrt in der Ostsee. „Jetzt sind Geburtstage doch nur noch Trauertage.“ Der Verein gratuliert und wünscht noch viele schöne Jahre. Denn: Solange es Manni, den Bringer gibt, bleibt RWE unkaputtbar.