Duisburg. Hätte der MSV im Mai ein alternatives Rettungskonzept angenommen, wäre vieles anders gelaufen. Rücktritte, Erfolge, Neuverpflichtungen und rosige Aussichten in der Liga und im Pokal.

A m 23. Mai nahm das Unglück für den MSV Duisburg und damit auch für die Sportstadt Duisburg seinen Lauf. Der Fußball-Zweitligist reichte zehn Minuten vor Ablauf der Frist die Lizenzunterlagen bei der DFL in Frankfurt ein. Unterlagen, die am Ende zum Lizenzentzug führten. An jenem Tag soll Schauinsland-Chef Gerald Kassner mit einem Geldkoffer und einem neuen Konzept – die Rede war von sechs Millionen Euro – im Foyer der Arena vergeblich auf Einlass gewartet haben. Hätten sie den Mann doch durchgelassen. Ein Rückblick auf ein Jahr, das es so nicht gab.

19. Mai: Ein versöhnlicher Saisonabschluss in der 2. Bundesliga. Der MSV schlägt den SC Paderborn 07 mit 3:2. Die Fans, die in den letzten Monaten die Liebe zum MSV wiederentdeckt haben, feiern Trainer Kosta Runjaic. „Coach Kosta“ klettert auf den Zaun und winkt. Vielleicht ein Abschiedsgruß? Hinter den Kulissen kämpft der MSV um die Lizenz. Der Trainer, der für die 2. Liga noch für ein Jahr unter Vertrag steht, deutet einen vorzeiten Abschied an, falls die sportliche Perspektive nicht mehr stimmt.

22. Mai: Die Lage beim MSV Duisburg ist ernst. Die Lizenz hängt am seidenen Faden. Die Gläubiger des MSV stunden Verbindlichkeiten. Ein Marketing-Vertrag mit der Firma „Sportfive“ ist in der Mache. Geschäftsführer Roland Kentsch plädiert dafür, die Rettung des MSV einmal mehr mit der Unterstützung von Ex-Vereinschef Walter Hellmich in Angriff zu nehmen. In der Vorbereitung ist ein brisanter Passus in den Lizenzunterlagen: Walter Hellmich soll bei der Abberufung oder Neueinstellung des Geschäftsführers ein Vetorecht haben.

23. Mai: Der MSV-Vorstand um Udo Kirmse ist von einer langen Nacht gezeichnet. Die Lage spitzt sich zu, zwischenzeitlich will die MSV-Führung die Flinte ins Korn werfen. Schauinsland-Chef Gerald Kassner erscheint in der Arena. Er will mit einer Finanzspritze von sechs Millionen Euro den MSV retten und Walter Hellmich „ausbezahlen“. Geschäftsführer Roland Kentsch will Kassner nicht vorlassen, doch Udo Kirmse setzt sich durch. Gegen den Willen seines Geschäftsführers setzt der MSV auf das „Kassner-Konzept“. Gegen Mittag prüfen die Wirtschaftsprüfer die Unterlagen, es wird noch einmal nachgebessert. Zweieinhalb Stunden vor Ablauf der Frist schickt der MSV die Unterlagen nach Frankfurt. Der MSV lädt kurzfristig zu einer Pressekonferenz ein, an deren Ende Präsident Udo Kirmse eine Lanze für Gerald Kassner bricht: „Gerald, Dir hat heute noch keiner gedankt.“

24. Mai: Der MSV Duisburg und Geschäftsführer Roland Kentsch trennen sich. Laut Pressemitteilung gab es „unterschiedliche Auffassungen über die künftige Ausrichtung des MSV.“ Gerd Görtz legt sein Amt als Vorsitzender des KGaA-Aufsichtsrates nieder.

29. Mai: Duisburg feiert einen Deutschen Meister. Die Wasserballer des ASCD schlagen im Finale Spandau und werden am nächsten Tag die Schlagzeilen der Zeitungen bestimmen. Da rückt eine weitere positive Nachricht in den Hintergrund: Die DFL erteilt dem MSV erwartungsgemäß die Lizenz für die 2. Bundesliga.

13. Juni: Coach Kosta bittet zum ersten Training. 4000 Zuschauer kommen nach Meiderich.

16. Juni: Der MSV gewinnt sein erstes Testspiel beim Duisburger SV 1900 mit 5:1.

17. Juni: Jürgen Marbach wird neuer Aufsichtsratschef. Zudem stellt der MSV Bernd Maas als neuen Geschäftsführer vor.

1. Juli: Arena-Tag beim MSV. 10 000 Fans sind da, am Ende spielt die Allstar-Band von Peter Bursch. Bursch und die Mannschaft singen zum Abschluss gemeinsam die MSV-Hymne.

3. bis 10. Juli: Der MSV bezieht im Stubaital in Österreich sein Sommertrainingslager.

15. Juli: Ein Paukenschlag – der MSV und der finanziell angeschlagene FCR 2001 geben bekannt, dass die Bundesliga-Kickerinnen zur neuen Saison als MSV Duisburg an den Start gehen werden.

19. Juli: 14 000 Fans kommen zum Zweitliga-Auftakt gegen den VfR Aalen. Der MSV gewinnt durch Treffer von Ranisav Jovanovic (2) und Danny Latza 3:0. Manager Ivica Grlic gibt die Verpflichtung von Kingsley Onuegbu (früher Fürth) als Alternative für den Sturm bekannt.

2. August: Der MSV, mit zwei Siegen in die Zweitliga-Saison gestartet, gewinnt sein Pokalspiel beim VfL Osnabrück mit 1:0. Marvin Knoll trifft zum Sieg.

25. September: Der MSV zieht mit einem 1:0-Sieg über Union Berlin (Tor: Sören Brandy) ins DFB-Pokal-Achtelfinale ein. Der Hamburger SV will Kosta Runjaic als Trainer haben, der MSV verweigert die Freigabe.

19. Oktober: Der MSV schlägt Dynamo Dresden mit 4:0 und liegt mit 21 Punkten auf Platz zwei. Der neue Dynamo-Coach Karsten Baumann (zuletzt Aue) lobt die Zebras: „Dieser Mannschaft traue ich den Bundesliga-Aufstieg zu.“

25. Oktober: Der MSV nutzt die Euphorie und begibt eine Fan-Anleihe über 5,5 Millionen Euro. Ein Erfolg: Neben zahlreichen Fans steigen auch institutionelle Anleger ein und sorgen dafür, dass die Anleihe überzeichnet ist. Mit dem frischen Kapital will der MSV einen großen Brocken aus dem Weg räumen. Der MSV will die Arena kaufen.

3. Dezember: Pokalkrimi an der Wedau – der MSV gewinnt das Achtelfinalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern mit 8:7 nach Elfmeterschießen. FCK-Boss Stefan Kuntz: „Ich ziehe vor der Arbeit von Kosta Runjaic den Hut.“

20. Dezember: Mit einem 3:2-Sieg über Erzgebirge Aue – der lange Zeit formschwache Kingsley Onuegbu krönt sein spätes MSV-Debüt mit einem Doppelpack – schließt der MSV das Jahr auf dem dritten Tabellenplatz der 2. Liga ab. „Wir hatten ein Jahr mit sehr schwierigen Momenten. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir die Wende geschafft haben“, sagt MSV-Chef Udo Kirmse nach der Partie gegen Aue.

27. Dezember: Nachweihnachtliche Bescherung – der MSV legt im Aufstiegskampf personell nach. Vom Drittligisten SV Sandhausen kommt Stürmer Frank Löning. Und Manager Ivica Grlic schafft einen besonderen Coup: Der MSV leiht Jan Kirchhoff von Bayern München bis zum Saisonende aus.