Duisburg. . Der Fußball-Bezirksligist steht abgeschlagen am Tabellenende. Früher wollten die Neumühler den Hamborner Löwen den Rang ablaufen. Doch das ist jetzt Geschichte.

Spaß? Christian Birken schaut ernst. Und schüttelt den Kopf. „Nein. Hier gibt es keinen Spaßfaktor. Absolut keinen“, sagt der Vorsitzende des Fußball-Bezirksligisten SC Hertha Hamborn. Dabei steht es in diesem Moment im Spiel gegen die Reserve von Hamborn 07 „nur“ 0:2. Es wird aber an diesem tristen Dezember-Nachmittag noch schlimmer für die Neumühler. Viel schlimmer. Am Ende steht es 0:11. Die Herthaner nehmen es mit einem Schulterzucken hin. Die Niederlage gehört zum Vereinsleben wie die Luft zum Atmen.

In der Vorwoche schaffte das Team beim 2:1 über Borussia Veen immerhin den ersten Saisonsieg. Aber die Tabelle lügt nicht: 16 Niederlagen, 11:84 Tore. Und die Saison ist gerade erst einmal zur Hälfte rum. Das Drama ist schnell erklärt. Kurz vor der Saison verließ fast die komplette Truppe den Verein. „Genc Osman ist in unserer Liga der selbst ernannte Aufstiegsfavorit. Wir sind der selbst ernannte Abstiegskandidat“, sagt Birken mit einer Spur Sarkasmus.

Günter Birken starb 2004

Hertha Hamborn – das war im Duisburger Amateur-Fußball früher eine große Nummer, auch wenn mehr als Bezirksliga nie drin war. Darin liegt viel Tragik, denn Birkens Vater Günter hatte einst alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das zu ändern. Insgeheim träumte er davon, den Löwen von Hamborn 07 den Rang abzulaufen. Es hieß damals, dass im Iltispark gutes Geld zu verdienen war. Ex-Profi Pino Steininger kickte für die Hertha, Didi Schacht war Trainer, und selbst um die Dienste von Ex-MSV-Spieler Peter Közle hatte sich Günter Birken einst bemüht. Die Geldgeber von damals sind auf der Platzanlage noch immer präsent – nur sie zahlen nicht mehr. Der Zahn der Zeit hat die alte Sponsorentafel schon zum großen Teil verspeist – abnehmen will sie Birken aber nicht: „Der Vatter muss von da oben ja nicht alles sehen.“

Günter Birken verstarb im September 2004 – viel zu früh. „Wir waren damals bestens aufgestellt“, sagt Birken und kommt dann doch noch einmal auf den Spaß zu sprechen: „Mein Vater hätte hier noch richtig Spaß bekommen.“ Doch ohne Günter Birken versiegten die Geldquellen. Heute muss sich der Klub strecken, um die Stromrechnung zu zahlen. Aber Christian Birken macht weiter. Weil er mit Geschäftsführer Uwe Berner einen Mann zur Seite hat, der den Verein ebenfalls am Leben erhalten will.

Christian Birken stand zudem beim verstorbenen Vater im Wort. Stand. „Ich habe ihm damals am Sterbebett versprochen, ein Jahr lang weiter zu machen.“ Gut neun Jahre später sagt Christian Birken: „Das Jahr ist fast um.“ Doch wenn Birken und Berner in den Räumen der Geschäftsstelle auf der Platzanlage sitzen, sind Historie, Vermächtnis und Verpflichtung allgegenwärtig. Kurz vor seinem Tod hatte Günter Birken den Bau fertiggestellt. Möbel in den Vereinsfarben blau und weiß , in der Vitrine stehen ein guter Cognac und ein steinalter schottischer Whisky. An den Wänden alte Fotos und Poster. Noch immer ist der frühere Vereinspatriarch allgegenwärtig. Auch der Sohn spürt das. „Alles das willst du so einfach nicht aufgeben“, sagt Christian Birken.

„Alles gute Jungs“

Nicht aufgeben – das ist auch das Motto von Turan Yildirim. Der Mann ist bei der Hertha Fußball-Obmann. Er ist auch derjenige, der die Mannschaft zusammenhält. Trainer Yilmaz Konak hatte schon nach wenigen Wochen das Handtuch geworfen. Jetzt macht Yildirim eben auch noch den Trainerjob. Gegen die 07-Reserve nimmt das Übel seinen gewohnten Lauf. Im Tor steht ein Feldspieler, nach 30 Minuten klagen die ersten Spieler über Krämpfe. Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff gibt ein Kicker auf. Schmerzen. Es geht nicht mehr. Es kommt auch niemand mehr. Hertha spielt mit zehn Mann weiter, weil an diesem Tag kein Ersatzspieler da ist. Das neunte Tor der Gäste ist Abseits, es gilt trotzdem. Es regt sich niemand auf.

Die Hertha-Spieler sind tapfer. Sie verlieren ohne zu murren, es gibt keinen Ärger, die Schiedsrichter haben keine Probleme. Die Disziplin stimmt. „Das sind alles gute Jungs“, lobt Yilidirm die Kameradschaft. In der Winterpause soll nicht alles, aber zumindest manches besser werden. Sieben Mannschaften steigen in dieser Saison aus der Bezirksliga ab, mit dem Thema Klassenerhalt müssen sich die Neumühler nicht mehr befassen. Yildirim will einen neuen Trainer, neue Spieler, darunter auch einen Torhüter, verpflichten. Und die Mannschaft für die nächste Saison aufbauen. Der Obmann ist davon überzeugt, dass im Sommer kein Spieler die Lust verloren haben wird. Das hofft auch Christian Birken: „Seit dem Saisonbeginn ist jedes Spiel ein Vorbereitungsspiel für die Kreisliga A.“

„Ranzig, aber trotzdem cool“

Vielleicht geht es in der Kreisliga dann mit dem Verein doch wieder aufwärts. Zumindest ein wenig. Die Neumühler wollen ihre Jugendabteilung neu aufbauen. Derzeit gibt es nur eine E-Jugend. Nach dem Sommer will der Verein in jeder Altersklasse ein Team stellen. Doch Christian Birken nennt das größte Problem: „Als Verein mit einem Ascheplatz hast du gegen die Klubs mit Kunstrasen kaum noch eine Chance.“

Zumindest einem Zuschauer gefällt die Platzanlage am Iltispark. David Zimmer aus Dortmund. Er ist Groundhopper, sammelt also Fußball-Plätze und macht dann hinterher im Atlas die entsprechenden Kreuze. Er sieht an diesem Tag sein 251. Spiel des Jahres, kurz zuvor hat er noch nebenan das C-Liga-Duell der dritten Mannschaften von Hamborn 90 und der TuS Mündelheim mitgenommen. In seinem Internet-Blog schreibt Zimmer nach der Partie: „Zu bieten hat der Platz vier Stufen und eine alte, ranzige Sitztribüne mit Holzsitzen. Insgesamt finde ich den Platz aber trotzdem sehr cool.“