Berlin. .

Sefa Yilmaz sitzt nach einer Nacht ohne Schlaf mit einer blauen Pappkrone auf dem Kopf im Abteil des Sonderzuges, der den Vizepokalsieger zurück in den Westen bringt. „Es war eine Ehre für mich, in Berlin dabei zu sein“, sagt der Mittelfeldspieler des MSV Duisburg und beißt in einen Döner.

Dennoch liegen nicht nur ihm die Ereignisse aus dem Olympiastadion schwer im Magen. 0:5 im Pokalfinale gegen den FC Schalke 04. Das ist eine Hausnummer, so ein klares Ergebnis hatte es in diesem Wettbewerb zuletzt 1972 gegeben. Damals hatten die Schalker Kaiserslautern abgefertigt.

Trainer Milan Sasic trägt im Zug wieder Anzug und Krawatte und hat in der Nacht „fünfmal versucht, in den Schlaf zu kommen“. Zuvor hatte nicht nur der Coach viele Tränen vergossen. Sasic schämte sich bei der Pressekonferenz nach dem Spiel seiner Emotionen nicht. In der Kabine weinte er mit den meisten seiner Spieler. Julian Koch und Olivier Veigneau hatten schon auf dem Rasen des Olympiastadions ihren Gefühlen freien Lauf gelassen. Beide verlassen nun den MSV, Koch kommt vielleicht im Januar wieder. Gewiss ist das jedoch nicht. In der Kabine verabschiedeten sie sich von ihren Mitspielern. Wieder Tränen.

Es ist dieser Zwiespalt, das vierte Pokalfinale mit Duisburger Beteiligung richtig einzuordnen. Was wird bleiben? Die Leistung, es als Zweitligist bis nach Berlin geschafft zu haben – eine Ehre, an etwas Großem beteiligt gewesen zu sein, wie Sefa Yilmaz es ausdrückte? Oder die Enttäuschung, gegen Schalke 04 schlecht gespielt zu haben und chancenlos gewesen zu sein? Nach den beiden frühen Gegentoren in jeglicher Hinsicht überfordert gewesen zu sein?

Die vielen
Tragödien

Das Ergebnis sagt alles aus: Der MSV erlebte auf dem Rasen des Olympiastadions ein Debakel. In den Fußball-Statistiken wird das nackte Ergebnis später nichts über die Duisburger Tragödien aussagen. Nichts über Srdjan Baljak, der sich am Samstag auf Krücken durch die Katakomben des Olympiastadions mit einer Eispackung am Knie durchquälte. Ob er noch einmal Fußball spielen kann? Nichts über Julian Koch, der bewegt und nervös als emotionaler Höhepunkt des Vorprogramms die MSV-Aufstellung verlas. Nichts über Stefan Maierhofer, dessen 49-tägiger Kampf um die Finalteilnahme nicht mit einem Einsatz gekrönt war. Was wäre gewesen, wenn der MSV in Bestbesetzung gespielt hätte? Milan Sasic: „Ich spekuliere nicht. Aber wir haben zuvor in drei Pokalspielen gezeigt, was möglich ist. So ein Ergebnis wäre nicht zustande gekommen.“

Grlic hatte einen
Muskelbündelriss

Kapitän Ivica Grlic wollte das Spiel mit seinen Kollegen genießen. Die Videowand im Olympiastadion zeigte beim Einzug der Zebras einen ergriffenen Duisburger Mannschaftskapitän, der unter normalen Umständen gar nicht zum Spiel hätte fit werden können. Seine Verletzung, so Grlic hinterher, sei keine Zerrung, sondern ein Muskelbündelriss gewesen. „Es war Wahnsinn, das innerhalb in zehn Tagen hinzukriegen. Ich bin froh, dass es geklappt hat.“

Hannelore Kraft
lobte die Fans

Zwischenzeitlich wurde das Spiel für die Zebras zur Tortur. Schalke spielte nichtmals stark, der MSV war hingegen phasenweise völlig indisponiert. Daniel Reiche war in der Innenverteidigung völlig überfordert, Keeper David Yelldell musste den dritten Treffer kurz vor der Pause auf die Kappe nehmen. Damit war die Messe früh gelesen.

Am Ende, so offenbarte es der Schalker Spieler Benedikt Höwedes, „habe ich, glaube ich, nur noch gelacht.“ Sefa Yilmaz erlebte das mit und ärgerte sich: „So etwas ist respektlos. Das geht nicht.“

Erst in der Schlussphase, als die MSV-Fans ihre Mannschaft auf beeindruckende Weise mit ihren Gesängen aus dem emotionalen Tal herausholten, konnten die Zebras trotz des Resultates dann doch noch das Berlin-Erlebnis in Ansätzen genießen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab beim MSV-Empfang im Ritz-Carlton in der Nacht zu, bei den Duisburger Fan-Gesängen eine Gänsehaut bekommen zu haben. Auch Milan Sasic lobte die Fans: „Es gibt keine größere Anerkennung nach so einer Klatsche, wenn die Fans doch noch hinter uns stehen.“

Beim Bankett in der Nacht war die Stimmung gedrückt. Auch ehemalige Pokal-Legenden wie Enatz Dietz, Zico Zeyer oder Torsten Wohlert konnten die aktuellen Zebras nicht trösten. Ivica Banovic, der vergeblich auf seinen dritten Pokal-Erfolg gehofft hatte, konnte sich nach dem Schlusspfiff nicht so richtig auf die Party freuen: „Der gute Rotwein wird nicht schmecken.“