Gelsenkirchen/Duisburg/Düsseldorf. Rhein Fire suchte im Moment des Triumphes die Nähe zu den Fans. Auch die besiegten Wiener konnten sich den Emotionen nicht entziehen.
Die Stimmung konnte ausgelassener nicht sein – und zum Feiern suchten die Spieler von Rhein Fire gleich die Nähe zu ihren Fans, die sie beim Finale auf Schalke am Sonntag lautstark zur ersten Titelverteidigung in der Geschichte der European League of Football getragen hatten. Bedeckt von Unmengen an weißem, blauem und rotem Kreppband und einer Magnumflasche Bier in der Hand machten sich die Offense-Liner Nick Wiens und Kevin Foitzik auf den Weg zu der am Haupteingang wartenden Fanschar, in der Cornerback Jannik Seibel bereits badete. Ben Holmes saß unterdessen bedröppelt auf seinem Stuhl – mehr oder weniger zur Pressekonferenz gewillt. „Pretty shitty“, antwortete der Quarterback der Vienna Vikings frei raus auf die Frage, wie er sich fühle. Bei dem, was Holmes zuvor erleben musste, machte er zur Beschreibung seiner Gemütslage auch vor dem S-Wort nicht halt. Beim 51:20-Sieg der Rheinländer erlebten die Wikinger einen gebrauchten Tag – während sich der Titelverteidiger in einen Rausch spielte.
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Es war erst das zweite Spiel, das der Meister von 2022 in den letzten beiden Saisons inklusive Play-offs verlor. Nicht nur dafür zollte Jim Tomsula dem Gegner großen Respekt. „Das Erste, worüber wir reden müssen, sind die Vienna Vikings“, stellte Fires Headcoach bei allen eigenen Ehren klar. „Wien hat seit Jahren eine erstklassige Organisation. Vor allen, die dort arbeiten, und dem Produkt, das sie aufs Feld bringen, ziehe ich meinen Hut.“ Dass es am Ende so deutlich wurde, machte der Trainer an einem Hauptpunkt fest. „Dieses Spiel war eine Aneinanderreihung von Turnovern“, war sich Tomsula sicher, dass das Spiel ohne die von der Fire-Defensive erzwungenen Ballverluste „ganz anders gelaufen“ wäre.
Rhein Fire: Die Formation um Jadrian Clark funktionierte makellos
Doch so brachte die beste Verteidigung der Saison – wofür Defensiv-Coordinator Richard Kent zum Assistenz-Coach des Jahres ernannt wurde – die Wiener komplett aus dem Konzept. „Wir trainieren das immer wieder. Das ist mein Job. Wenn du den Ball siehst, schlag drauf“, lachte Flamur Simon, angesprochen auf den ersten Ballverlust von Karri Pajarinen, den der Linebacker gegen den Vikings-Runningback im ersten Viertel erzwungen hatte. Beim nächsten Angriff der Wiener sorgte Omari Williams mit dem Helm für einen Fumble bei Pajarinen. Und beide Male nutzte die Offensive von Rhein Fire das durch die Turnover gewonnene Angriffsrecht zu eigenen Touchdowns und dem Ausbau der Führung. Die Formation um Jadrian Clark funktionierte makellos.
Der wertvollste Spieler der Saison, Runningback Glen Toonga, sorgte über die kurzen Distanzen mit seinem außerordentlichen Laufspiel für zwei Touchdowns und zahlreiche erste Versuche. Die „Big Plays“ erzielten die Rheinländer aber über eine sehr variable Pass-Offensive und einen gut aufgelegten Quarterback, der mit 20 Pässen, 276 Yards und drei Touchdown-Pässen MVP des Finales wurde. „Das ist nicht der Verdienst eines einzelnen. Alle haben ein großartiges Spiel gemacht“, gab Clark die Auszeichnung an das ganze Team weiter. „Wir hatten alle ein sehr viel engeres Spiel erwartet. Aber alles lief für uns. Unsere Defense hat die Turnover besorgt, und in der Offense haben einfach alle gebombt.“
Jeden Angriff in der ersten Halbzeit brachte Fire so erfolgreich zu Ende. Erst im dritten Viertel mussten die Rheinländer das Ei per Punt im vierten Versuch abgeben. „Der größte Unterschied war, dass Fire fast 40 Minuten in Ballbesitz war“, zog Vikings-Headcoach Chris Calaycay vor der Angriffsmaschinerie um Clark den Hut. Dass dessen einziger Fehler nicht bestraft wurde, weil sich sich die Wiener ihren einzigen Turnover bei der Interception von Cole Coleman durch ein Foul in der eigenen Endzone selbst zunichte machten, passte ins Bild des gebrauchten Tags der Vikings. Selbst zwei Kickoffs setzten sie daneben, sodass Fire gleich eine gute Feldposition hatte, was Clark & Co. eiskalt ausnutzten. Dass Ben Holmes beim Stand von 13:37 das Ei dann auch noch unter Druck in die Hände von Safety Marloshawn Franklin warf, versaute dem Quarterback die Stimmung gänzlich.
„Als die Leute mit ihren Handys geleuchtet und Country Roads gesungen haben, habe ich mich kurz dabei erwischt, wie ich mitgesungen habe.“
Etwas Schönes konnte Holmes dem Finale vor der Rekordkulisse von 41.364 Zuschauern aber doch noch abgewinnen. „Als die Leute mit ihren Handys geleuchtet und Country Roads gesungen haben, habe ich mich kurz dabei erwischt, wie ich mitgesungen habe“, lachte der US-Amerikaner dann doch einmal kurz. Sein Gegenüber kam indes aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. „Wir sind noch nicht am Ende“, kündigte Jadrian Clark im Rausch des Erfolgs an. Ob es im nächsten Jahr dann zum dritten Titel reichen werde? „Das werden wir bald herausfinden.“