Duisburg. . Vor 30 Jahren gehörte Holger Böhlke zum MSV-Kader, der den Aufstieg in die 2. Liga schaffte. Jetzt entdeckte er seine Autogrammkarte im Internet.
Holger Böhlke kommt herum in der Welt. Erst neulich war er in Wien, drei Tage darauf in Nepal und keine 24 Stunden später in Paris. Hat er zumindest behauptet. Die allermeisten seiner Freunde im sozialen Netzwerk Facebook wissen längst, dass der 49-Jährige in Wirklichkeit üblicherweise im heimischen Walsum sitzt und von dort seine Späße mit den Statusmeldungen treibt, die er vermeintlich rund um den Globus absetzt.
Als er neulich mal wieder einen Beitrag teilte, hielten manche von ihnen das vermutlich auch für so einen Spaß. Ob denn jemand Lust habe, eine Autogrammkarte von ihm mit originalem Böhlke-Autogramm im Internet bei Ebay zu ersteigern? Lustiger Einfall, klar. War aber tatsächlich die Wahrheit. Genau 30 Jahre ist das gute Stück alt, das es da zu erwerben gab. Signiert von einem Fußballer aus der ersten Mannschaft des MSV Duisburg.
In Duisburger Amateurkreisen ist der Name Holger Böhlke immer noch bestens bekannt. Neun Jahre ist es jetzt her, dass er seine Laufbahn beendet hat, nach Stationen bei der GSG Duisburg, dem VfB Homberg, dem VfB Lohberg, dem DFV 08, Hertha Hamborn, dem VfvB Ruhrort/Laar und schließlich ganz am Ende dem MTV Union Hamborn, wo er nach drei Spielen einen Knorpelschaden erlitt und das Kicken daher drangeben musste. Dass er auch mal beim MSV an der Seite von Leuten wie Ewald Lienen und Michael Tönnies gespielt hat – das lässt er beim fußballerischen Fachsimpeln eher aus: „Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, müssen die mich immer überreden, davon zu erzählen.“
In einem Team mit Stefan Janßen
1988 war es, als Böhlke in den Kader der ersten Mannschaft bei seinem damaligen und auch noch heutigen Herzensverein aufgenommen wurde. Nicht als Profi, denn damals spielten die Zebras in der Oberliga Nordrhein. Es begann die dritte Saison nach dem erstmaligen Absturz aus der Zweitklassigkeit und zwei knapp gescheiterten Rückkehrversuchen. Zusammen mit anderen Talenten wie Olaf Rusche, Pietro Callea oder Stefan Janßen, dem heutigen Trainer des VfB Homberg, erhielt Böhlke eine Bewährungschance. Natürlich unter völlig anderen Bedingungen, als sie heute für aufrückende A-Jugend-Bundesligakicker bestehen: „Wir kamen aus der Niederrheinliga, hatten keine Berater oder so etwas.“
Trainer Detlef Pirsig setzte beim nicht zur Diskussion stehenden Ziel Wiederaufstieg natürlich auf das arrivierte Personal. Macherey, Struckmann, Semlits, die Kessen-Zwillinge. Und natürlich der spätere Nationalspieler Thomas Strunz, den Holger Böhlke vom gemeinsamen „Pöhlen“ auf den Neudorfer Straßen kannte. „Ich war Libero und auf meiner Position spielte Patrick Notthoff. Da hatte ich kaum eine Chance, ich war die Nummer 20 bis 22“, erinnert er sich.
Aber er war dabei. Beim Mannschaftsfoto vor der Saison und natürlich, als es an die Autogrammkarten ging: „Das war für mich das erste Mal. Jeder bekam 500 Stück zum Unterschreiben.“ Ob das damals für ihn etwas Besonderes war? Böhlke denkt nach: „Manchmal merkt man erst, wenn man älter wird, wie wichtig so etwas war.“
Erinnerung an Friedhelm Vos
Sportlich wurde es ein Jahr, in dem er meist zuschaute. Viele Erinnerungen sind trotzdem noch lebendig. Sehr gern denkt er an den inzwischen verstorbenen Co-Trainer Friedhelm Vos zurück: „Er war eine Seele von Mensch.“ Mit Uwe Kober verstand er sich gut, mit dem 16 Jahre älteren Ex-Profi Ewald Lienen zunächst offenbar nicht so: „Ewald hat immer gemeckert, wenn wir jungen Spieler Gummibärchen gegessen haben. Da haben wir sie dann meistens extra gegessen, um ihn zu ärgern.“
Die Möglichkeit, das eigene Talent zu zeigen, bot sich kaum. Zweimal durfte Böhlke in der Liga mitwirken, gegen den Bonner SC und gegen den Rheydter SV – „da habe ich einen Elfmeter verursacht.“ Dazu kam einmal ein Bankplatz gegen den SC Brück. Das eigentliche Highlight gab‘s in der Winterpause: die Reise ins Trainingslager nach Tunesien. „Beim Spiel gegen die tunesische Nationalmannschaft habe ich auf der Bank gesessen und durfte mich warmlaufen – vor 40.000 Zuschauern.“ Anschließend bei der Partie gegen die Olympiaauswahl des Gastgeberlandes war sogar ein Einsatz drin.
Auch in der Aufstiegsrunde, die letztlich den ersehnten Aufstieg brachte, war Holger Böhlke außen vor: „Da bin ich dann mit den Fans mitgefahren.“ Ein Erinnerungsstück hat er Jahre später auch im Internet gefunden und ersteigert: ein Stadionheft von der Partie beim TSV Havelse, mit dem Mannschaftsfoto und folglich mit ihm auf der Titelseite. Und das war‘s dann danach. Profifußball? Kein Thema. Zu groß der Sprung, zu gering die Chance. Nach einem Jahr mit den MSV-Größen schon wieder der Abschied – zur GSG Duisburg, wo er beim Hauptsponsor eine Lehre als KFZ-Mechaniker absolvieren konnte. Heute ist er bei der Byk-Chemie in Wesel beschäftigt.
Die Rückkehr zum MSV stand noch einmal kurz zur Diskussion – als Ewald Lienen dort Trainer war. Die Gummibärchen waren da längst kein Thema mehr: „Mit Ewald konnte ich gut. Ich habe dann auch ein Gespräch mit dem damaligen Vorsitzenden Dieter Fischdick geführt.“ Letztlich wurde nichts draus, Böhlke blieb Amateur. Ob er es bedauert? „Ich bin nicht böse darüber.“ Auch so hat er viel erlebt, nur das Ende mit dem Knorpelschaden war unschön: „Ich hatte sechs, sieben Operationen, das Sprunggelenk wurde versteift. Seit neun Jahren kann ich keinen Sport mehr treiben, da kommt ein Trainerjob oder so etwas nicht infrage.“
Auf der Internetseite des DFB
Da bleibt dann halt öfter mal Zeit, um im Netz zu surfen. Nostalgisch ist Böhlke schon ein wenig veranlagt, er sucht dann per Google nach Bildern mit ihm und den alten Kollegen oder sonstigem, was an die Zeit in Zebrastreifen erinnert. Und wundert sich, was er alles so findet. Statistikseiten wie sport.de oder weltfussball.de spucken seinen Namen aus mit Verweis auf jene eine Oberligasaison beim MSV, selbst der Deutsche Fußballbund führt in seinem Datencenter eine Seite für Holger Böhlke mit Geburtsdatum und damaligem Kampfgewicht: 78 Kilogramm.
„Bon-Jovi-Frisur“
Und so stieß er dann eben auch auf die Autogrammkarte. „Original signiert, Top-Zustand“, versprach der Anbieter. Für nur 5,99 Euro zu haben. Böhlke selbst musste nicht zuschlagen, er hatte noch selbst genau eine von damals in seinem Besitz. Ein echter Hingucker. Die Frisur? „Das war meine Bon-Jovi-Zeit“, sagt er lachend. Genau – als Jon Bon Jovi noch schulterlange Haare hatte. Und im Hintergrund guckt Teamkollege Rudi Decker ins Bild. Ginge heute überhaupt nicht mehr, damals egal. Ein Kumpel von Böhlke schlug per Direktkauf zu und hat das Andenken jetzt bei sich zu Hause.
Ob es jetzt noch irgendwelche Böhlke-Devotionalien da draußen gibt? Unwahrscheinlich. Trikots mit Namensschriftzug existierten damals noch nicht. Der Mann mit dem guten Blick, den er in zahllosen Amateurspielen unter Beweis gestellt hat, wird im Internet aber weiter ein Auge darauf haben. Wenn er nicht gerade in Liverpool oder Leipzig ist.