Duisburg. . Beim Derby der dritten Runde auf Kreisebene zwischen Hamborn 07 und dem SV Genc Osman kochen die Emotionen hoch. Die Gäste fühlen sich bei der 2:5-Niederlage durch den Schiedsrichter krass benachteiligt.
Die Szene hätte von einem Drehbuchautor kaum besser erdacht sein können. Ilyas Basol hatte seine gesamte Mannschaft gerade lautstark in die Kabinen befohlen, doch einer hatte die Anweisung seines Trainers offenbar nicht mitbekommen. Kai Hanysek, etatmäßiger dritter Torhüter des Fußball-Bezirksligisten SV Genc Osman, saß noch minutenlang wie das sprichwörtliche Häufchen Elend an den Pfosten gelehnt auf dem Boden und versuchte, die Ereignisse dieses Abends zu verarbeiten. Nur ein paar Meter von ihm entfernt versammelten sich die Kicker von Hamborn 07 derweil zu einem Kreis. Admir Turudija, gesperrter Mittelstürmer der Löwen, stachelte seine Teamkollegen an: „So, Jungs, jetzt singen wir so laut, wie es geht: Und soooo sehen Sieger aus, und soooo sehen Sieger aus . . .“
Es war der skurrile Schlusspunkt eines noch skurrileren Fußballabends. Üblicherweise ist ein Spiel der dritten Pokalrunde auf Kreisebene zwischen zwei Bezirksligisten kaum mehr als eine sportliche Randnotiz. Die Schuld daran, dass es diesmal anders wurde, trug nach Ansicht vieler Beteiligter der Schiedsrichter – und tatsächlich war Tobias Wegner dem Geschehen auf dem Platz phasenweise einfach nicht gewachsen. Das ist die eine Sache. Die andere ist jedoch, dass auch Spieler und Offizielle beider Seiten dafür sorgten, dass aus einem 45 Minuten lang schrecklich normalen Pokalkick eine kurz vor der Eskalation stehende Auseinandersetzung wurde. Wer die Spieler beider Teams nachher zusammenstehen sah, hätte nicht denken mögen, dass es noch Minuten vorher im Holtkamp äußerst giftig zugegangen war. Doch fraglos wird einiges hängenbleiben, das die gegenseitige Beziehung der Nachbarvereine nachhaltig belasten dürfte.
Die Probleme begannen kurz nach dem Seitenwechsel. Da wurde Hamborns Torschütze zum 1:0, Oguzhan Maminoglu, im Genc-Strafraum durch Mumibekir Dema von den Beinen geholt. Die Aktion war so offensichtlich, dass auch bei den Gästen nachher Einigkeit über die Berechtigung eines Elfmeters bestand – es gab ihn aber nicht. „Da sagt mir der Schiedsrichter, der Ball sei gespielt worden“, meinte 07-Trainer Ali Güzel. Bei ihm und Hamborns Bankbesetzung schwoll in der Folge der Kamm, was zu hör- und sichtbaren Missfallenskundgebungen führte. Das wiederum brachte die Genc-Betreuer auf die Palme. „Ihr habt die ganze Zeit den Schiedsrichter bearbeitet“, beschwerte sich Marcin Baluch, Co-Trainer der Gäste, über mangelnde Fairness der Schwarz-Gelben.
Fünf Minuten vor Schluss – es stand 1:2 – brachte ein weiterer Pfiff den Hamborner Coach endgültig auf die Palme. Neuzugang Bünyamin Aksoy, Bruder des verletzt zuschauenden Genc-Kapitäns Bulut Aksoy, kollidierte bei einem Konter mit Gästetorwart Hanysek. Einhellige Meinung: Notbremse und rote Karte. Doch Hanysek blieb verletzt liegen – und Schiri Wegner entschied auf Stürmerfoul. Der entgeisterte Aksoy kassierte wegen Reklamierens die gelbe Karte; Ali Güzel stürmte unerlaubterweise auf den Platz und wurde vom Schiedsrichter auf die Bank zurückgeschickt.
Außerdem gab’s vier Nachspielminuten obendrauf. Die letzte war gerade angebrochen, da ging der aufgerückte 07-Abwehrmann Ercan Yayla nach einem Kopfballduell am Genc-Strafraum zu Boden. Der Unparteiische ließ zunächst weiterspielen, erkannte dann aber, dass Yayla hart getroffen war, und unterbrach die Partie. Während Torwarttrainer Peter Spielvogel Yayla verarztete, herrschte plötzlich Entsetzen bei den Genc-Kickern: Tobias Wegner entschied nun auf Freistoß wegen Foulspiels. Fraglos ein krasser Regelverstoß. Dass Bünyamin Aksoy den Ball dann ins Netz drosch und so die Verlängerung erzwang – es konnte gar nicht anders kommen.
Die Atmosphäre war nun endgültig aufgeheizt und entlud sich beispielsweise dadurch, dass der auf der Bank sitzende Genc-Stammkeeper Ikenna Onukogu völlig unnötig das Rededuell mit Hamborner Ersatzspielern und Zuschauern suchte, die sich von ihm (Zitat Onukogu: „Du kleines Vieh“) beleidigt fühlten. Als dann Oguzhan Maminoglu das 3:2 erzielte und kurz darauf Genc-Spieler Tanju Cakmak die gelb-rote Karte kassierte, bekam der Schiedsrichter nun von Seiten der Gäste das zu hören, was ihm in der zweiten Halbzeit von Seiten der Gastgeber widerfahren war. „Wir nehmen hier gleich unsere Mannschaft vom Platz“, kündigte Genc-Vorstandsmitglied Erkan Üstünay an. Das blieb aus, doch dafür geschah noch Merkwürdigeres. Beim Stand von 5:2 waren noch fünf Minuten zu absolvieren, als beide Mannschaften plötzlich das Fußballspielen einstellten. „Das ist der Protest gegen Dich, Schiri“, tönte es von der Genc-Bank. Zu hören war das auf der ganzen Anlage, denn längst herrschte auch bei den Zuschauern ein starres Erstaunen über das vor, was sich da auf dem Platz ereignete. Auch beim Abpfiff war kein Applaus zu hören. Zu Recht – denn wie Sieger aussehen, hatte an diesem Abend niemand wirklich gesehen.