Lüdenscheid..

Zwei Jahre ist das her. London fand ohne die deutschen
Fußballerinnen und den Arzt aus Hellersen statt. Nun aber ist Lueg mit den
deutschen Frauen unterwegs. „Die erste große Maßnahme“, nennt er die Reise nach
Schweden. Am Sonntag ging es mit dem Flieger von Frankfurt aus gen Norden. Am
Mittwochabend wartet auf das Neid-Team die erste Vorrundenaufgabe. In Vaxjö
geht es gegen das Nationalteam aus Holland.

„Die Abläufe kenne ich ja schon“, sagt Lueg, der das
U20-Nationalteam der Frauen zweimal bei Weltmeisterschaften und das U19-Team
einmal bei einer Europameisterschaft sportmedizinisch versorgt hat, „aber beim
A-Nationalteam ist natürlich alles viel größer. Die Medienpräsenz ist eine
andere. Mittags sind die Medientermine. Da muss berichtet werden, ob jemand
verletzt ist.“ Also muss Lueg bis dahin Bundestrainerin Silvia Neid genau
Bericht erstattet haben.

Lueg ist über seine Arbeit in Hellersen und über Dr. Bernd
Lasarzewski zum DFB gekommen. Lasarzewski, der die Nationalmannschaft bei
vielen Turnieren als Teamarzt betreut hat, führt auch diesmal die Oberaufsicht.
Vor Ort aber betreut Carsten Lueg bis zum 15. Juli – also in den ersten beiden
Vorrundenpartien gegen Holland und Island – das Team. Danach übernimmt Uli
Schmieden aus Kaiserslautern. „Es sind viele Betreuungstage“, sagt Lueg,
„allein 24 Tage in der Vorbereitung und dazu bis zu dreieinhalb Wochen beim
Turnier. Ich bin alleine 18, 19 Tage mit den Fußballerinnen unterwegs.“ Zuletzt
hatte Lueg die Mannschaft auch beim Zehn-Tage-Lehrgang in München betreut, wo
die Mannschaft mit dem 4:2-Sieg gegen Japan ein sportliches Ausrufezeichen
gesetzt hat. „Irgendwann muss man auch mal nach Hause“, sagt Lueg, der am
Donnerstag noch einmal einen Tag in Hellersen für seine Patienten da war. Nun
ist er bereits wieder unterwegs. Der Standort in Schweden ist Vaxjö, die ersten
beiden Spiele sind ebenfalls in der südschwedischen Universitätsstadt.

„Die Vorbereitung war sehr interessant“, berichtet Lueg.
Sechs Verletzte beklagte der DFB bei den ersten Lehrgängen. Kim Kulig,
Alexandra Popp & Co werden nun in Schweden fehlen – das wiegt schwer.
„Altlasten aus der Liga“, nennt Lueg die Verletzungen, die den Kader erst
ausgedünnt und danach für eine zwangsweise weitere Verjüngung gesorgt haben.
„Mit Melanie Leupolz und Sara Däbritz sind sogar zwei neue Spielerinnen dabei –
die sind so jung, dass ich sie von meinen Einsätzen in den Jugend-Nationalteams
noch nicht kenne“, sagt Lueg. Der neuen Situation gewinnt Lueg das Positivste
ab. „Die jungen Spielerinnen sind technisch sehr gut und bringen frischen
Wind“, sagt er, „der Rest muss über den Teamgeist gehen.“ Bei elf
Europameisterschaften waren die deutschen Frauen siebenmal Titelträger. Das
verpflichtet. „Natürlich gibt es auch andere starke Nationen wie Schweden,
England, Norwegen oder Frankreich“, sagt Lueg, „aber an sich sollte Deutschland
immer um den Titel mitspielen.“

Der Arbeitstag beginnt für Lueg in den EM-Tagen am Vormittag
mit der Frühbesprechung, in der es vor allem um die Behandlungen am Vorabend
geht. Nach der Teambesprechung und dem Vormittagstraining, vor dem das
medizinische Team die Tapes anlegen muss, werden in den Mittagsstunden die ersten
Akutverletzungen aus dem Training versorgt. Nachmittags wird nochmals
trainiert. „Und nach dem Abendessen beginnt dann unsere eigentliche Arbeit“,
sagt Lueg.

Das Fernziel ist Olympia 2016 in Rio

Etwa von 20 Uhr bis 23.30 Uhr versorgen der Teamarzt und drei
Physiotherapeuten das Team medizinisch. Ein langer Arbeitstag. „Es ist
natürlich nicht immer stressig, aber es gibt diese Situationen“, erzählt Lueg.
Zum Beispiel, als sich Annike Krahn beim Vorbereitungslehrgang verletzte. „Da
brauchten wir sonntags einen MRT-Termin – da muss man dann erst mal schauen,
welche Quellen man anzapfen kann…“

Generell sei die Aufgabe als Mannschaftsarzt indes eine sehr
interessante, betont Lueg. „Der Umgang mit der Mannschaft, der Trainerin, dem
gesamten Umfeld – das macht einem als ehemaliger Mannschaftssportler einfach
Spaß“, sagt Lueg. Und mit Blick auf seine bisherigen Erfahrungen ergänzt der
Dortmunder: „Wenn man Spaß hat an einer Mannschaftssportart und gerne unterwegs
ist, dann ist der DFB der beste Klub der Welt. Da ist alles super organisiert.
Es gibt keinen Mangel an irgendetwas.“ Aber es gibt Ziele. Für die deutschen
Frauen ist das erste Ziel das Überstehen der Vorrunde in einer nicht ganz
leichten Gruppe, am liebsten aber wohl der Gewinn der Europameisterschaft. Und
der Teamarzt blickt sogar noch ein Stückchen weiter. „Mein Ziel sind die
Olympischen Spiele 2016“, sagt er. Dann ginge es für Lueg und das Nationalteam
nach Rio.

INFO: Mannschaftssport ist Carsten Lueg bestens vertraut.
Der 44-jährige Dortmunder war selbst ein sehr erfolgreicher Handballer. Mit der
Jugend des OSC Dortmund wurde Lueg in den 80er-Jahren dreimal Deutscher
Meister, später gewann er mit der deutschen Militär-Nationalmannschaft die
Weltmeisterschaft. Seine Karriere bei den Senioren begann Lueg 1988 beim OSC
Dortmund in der 2. Bundesliga und beendete sie 2008 bei der Ahlener SG wieder
in der Zweitklassigkeit. Dazwischen spielte er u.a. für Versmold, Herdecke,
Schwerte und ab 2000 auch viele Jahre sehr erfolgreich als Spielmacher für die
HSG Schalksmühle und später die SGSH. Lueg ist im Besitz der Trainer-B-Lizenz.

Als Arzt begann er nach dem Studium in Münster zunächst als
Unfallchirurg am Stadtklinikum in Dortmund. 1999 kam er ins Lüdenscheider
Sportkrankenhaus und wurde dort zum Facharzt für Orthopädie. 2006 stieg er in
die Orthopädische Praxis bei Dr. Winkler ein. Daraus wurde 2008 das in
Hellersen angesiedelte Medizinische Versorgungs-Zentrum. 2013 orientierte sich
Lueg neu. In Hellersen arbeitet er nur noch an zwei Tagen pro Woche. Dazu kommen
drei Tage im Prävent Centrum in Dortmund, bei dem er als Teilhaber eingestiegen
ist.

In dieser privat-ärztlichen Gemeinschaftspraxis in
Wellinghofen behandeln Lueg und seine drei Internisten-Kollegen ihre Patienten
nach dem Ansatz der Ganzheitlichen Medizin. Als Mannschaftsarzt betreut Lueg
nicht nur die deutsche Frauen-Nationalmannschaft, sondern auch den
Handball-Drittligisten SGSH und den Handball-Oberligisten TuS Volmetal.