Zeit für den Countdown. Am Samstag (28.) um 11.00 Uhr wird Marcel Sieberg sein Debüt bei den Olympischen Spielen geben. Die Mission für den Castrop-Rauxeler Radprofi ist klar: „Gold für Greipel“.

Darauf hat der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) alles, aber auch wirklich alles ausgerichtet: Top-Sprinter André Greipel soll beim olympischen Straßenrennen in London zum Sieg gefahren werden. Am Mittwoch ist die BDR-Equipe in der britischen Metropole eingetroffen, am Donnerstag wurde der Olympiakurs bei einer Testfahrt in Augenschein genommen. Sieberg verkündete nach der Besichtigung: „Alles okay, wir sind sicher, dass wir uns eine gute Taktik zurecht legen können“.

Das Duell der Giganten

Nahezu die gesamte Medienwelt reduziert das 250 Kilometer lange olympische Straßenrennen auf das Duell der Giganten: Die Sprintstarts André Greipel und seinen britischen Kontrahenten Mark Cavendish. Und tatsächlich: Diese beiden Erzrivalen, die sich in der Vergangenheit nicht nur sportlich, sondern gelegentlich auch mal verbal hitzige Auseinandersetzungen geliefert hatten, aber jetzt voller Respekt voneinander reden, haben bei der Tour de France ihre Muskeln mächtig spielen lassen.

Greipel, stets mustergültig von seinem Edel-Anfahrer Sieberg eskotiert, gewann drei Etappen. Cavendish konterte bärenstark, wurde ebenfalls dreifacher Etappensieger, darunter auch die prestigeträchtige Schlussetappe auf der Champs Elysees in Paris. Unter dem Strich: Beide Gold-Aspiranten sind fit, topfit. So wird viel, womöglich alles, darauf ankommen, wie gut sich die Helferzüge auf der Piste in Szene setzen können.

Jede Menge Pedal-Power

Cavendish weiß jede Menge Pedal-Power hinter sich: Tour-Sieger Bradley Wiggins, dessen Kronprinz Christopher Froome und der routinierte David Millar sollen den Weg frei machen. Wiggins sagt: „Wir haben den schnellsten Mann der Welt in unseren Reihen. Wir müssen ihn nur zwei Kilometer vor den Ende des Rennens in die Spitze bringen, in neun von zehn Fällen gewinnt Cavendish dann auch“. Auch mit Worten lassen die britischen Lokalmatadoren die Muskeln spielen.

Doch auch der Deutsche Zug ist nicht ohne: Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin, der nach einer „Seuchen-Saison“ mit vielen Verletzungen am ersten Ruhetag der Tour de France ausgestiegen war, um seinen Olympia-Start nicht zu gefärden. Bert Grabsch, ebenfalls Zeitfahr-Weltmeister (2008), und der erst 23-jährige Youngster John Degenkolb. Und, zu guter Letzt, eben Marcel Sieberg.

Der gebürtige Rauxeler hat zwar keinen großen Titel in seiner Vita, doch seine Fähigkeiten, die vor allem in Teamwork und in geradezu perfektem taktischem Gespür liegen, werden hoch geschätzt. Und genau dies hat dem 30-jährigen Wahl-Bocholter die Olympia-Nominierung eingebracht. Dickes Lob kommt auch aus berufenem Munde. Erik Zabel, Deutschlands Radsport-Idol: „Das Zusammenspiel zwischen Greipel und Sieberg ist schon bemerkenswert“.

„Box Hill“ als Knackpunkt

Das olympische Straßenrennen ist als eher flach einzustufen, und aus diesem Grunde wird allgemein mit einer Entscheidung im Massensprint gerechnet. Die Start- und Ziellinie liegt auf der Prachtstraße „The Mall“ im Herzen Londons. Der größte Teil der 250 Km langen Strecke verläuft südwestlich von London durch die Grafschaft Surrey. Dort werden die Fahrer auf einen 15,5 Km langen Rundkurs treffen, der auf den „Box Hill“ in den „North Downs“ führt. Beim Anstieg sind rund 150 Höhenmeter auf drei Kilometern zu bewältigen, insgesamt neun Mal. Sieberg, Greipel und Co. urteilten nach der Testfahrt: „Der Berg ist nicht so schwer, wie einige glauben, aber es gibt einige enge Passagen.“ Da könnte sich jedenfalls die Spreu vom Weizen trennen.

Auf dem Weg zurück nach London könnte das aber wieder wettgemacht werden, in dieser Phase ist mit einer Tempoverschärfung zu rechnen. Geschneidert für eine Sprint-Entscheidung. Mit einer Siegesfahrt für Cavendish oder Greipel – oder vielleicht doch jemand ganz anderen?