Bottrop. . Es ist ein ganz normaler Sonntag im offenen Klettertreff des Bottroper Sportbunds. Zwei Stunden lang können Familien an diesem Tag zwischen 11 und 13 Uhr an die Wand. Und diese Wand befindet sich nicht irgendwo, sondern im Malakoffturm von Prosper II. Ein Besuch.

Amelie mag die mit Abstand jüngste Person im Raum sein, doch an der Kletterwand wirkt sie fast wie ein alter Hase. Die kleinen Hände der Fünfjährigen umklammern den gelben Stein in der Wand über ihr, mit dem linken Fuß sucht sie Halt auf einem schwarzen. Konzentriert visiert sie einen der grün gefärbten Vorsprünge an und arbeitet sich so Griff für Griff und Schritt für Schritt in die Höhe. „Jetzt ganz doll strecken“, kommentiert sie ihre Bewegungen. Gefühlt dauert es vier Minuten, da bahnt sich aus zehn Metern Höhe ein Kommando den Weg nach unten: „Mama, ich bin ganz oben. Mach mal ein Foto!“

Klettern wie ein Comicheld

Eine Woche ist es her, da musste Mutter Vanessa noch selbst an die Wand. Sie musste sich das Geschirr mit den Sicherheitsgurten anlegen und die eigenen Ängste überwinden. Weil Amelie sich nicht nach ganz oben traute. „Mit Höhen hab ich es auch nicht so, aber ich musste es ihr ja einmal vormachen“, sagt die Mutter. Mittlerweile hat die Fünfjährige mit jedem Bezwingen der Wand mehr Selbstvertrauen gesammelt. Solange Klettertrainerin Marion Gawenda sie absichert, ist sie wie Comicheld Spider-Man in der Vertikalen zu finden.

Es ist ein ganz normaler Sonntag im offenen Klettertreff des Bottroper Sportbunds. Zwei Stunden lang können Familien an diesem Tag zwischen 11 und 13 Uhr an die Wand. Und diese Wand befindet sich nicht irgendwo, sondern im Malakoffturm von Prosper II. Inmitten dieses massiven Förderturms aus Mauerwerk mit einer festungsähnlichen Architektur. Hier hat der Sportbund eine Kletterwand errichtet. Es gibt feste Klettergruppen, ein spezielles Klettertraining für MS-Patienten und eben jene offenen Klettertreffs, die mehrmals in der Woche Neugierige an die Prosperstraße locken. So wie Amelie und ihre Familie. So wie auch Kai und Nadine, die früher regelmäßig hier waren, nun aber ein eingeschränktes Zeitfenster haben. Doch heute ist die Gelegenheit günstig. „Der Nachwuchs ist jetzt aber bei Oma und Opa untergebracht, da können wir endlich mal wieder klettern“, sagt Nadine.

Farben markieren Schwierigkeitsgrad

Auch Thomas (13) und Siegbert (56) sind hier. Dass Vater und Sohn keine Anfänger sind, ist schnell erkennbar. Statt eine Kombination aus vielen der bunten Steine zu nutzen („Smarties-Klettern“ nennt man diese Anfängertaktik), bleibt Thomas stets auf einer Route aus gleichfarbigen Aufsätzen. Damit ist die Funktion der unterschiedlich geformten und gefärbten Vorsprünge auch gleich erklärt: Jede Farbroute hat einen anderen Schwierigkeitsgrad.

„Klettern ist Vertrauenssache“, sagt Trainerin Gawenda. Deshalb kommen die meisten Interessierten mit einem Kletterpartner, der die Absicherung übernimmt. „Das ist natürlich selten, dass man einen Sport findet, den wir als Vater und Sohn gemeinsam betreiben können“, sagt Siegbert.

Doch wie heißt es so schön: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Deshalb erhalten Neulinge erst einmal eine Sicherheitseinweisung. Wie lege ich das Geschirr an, welchen Knoten nutze ich für die Absicherung und worauf muss ich beim Schließen des Karabinerhakens achten? Dinge, die nicht vernachlässigt werden sollten. „Marion, zu“, ruft die kleine Amelie von oben. Die Trainerin überprüft noch einmal den Sitz der Sicherungsutensilien. „Zu“, bestätigt Marion Gawenda und nachdem ein weiteres Sicherheitsstichwort ausgetauscht wurde, lässt Amelie die Arme baumeln und „läuft“ nun mit ausgestreckten Beinen an der Wand, während die Trainerin sie kontrolliert nach unten gleiten lässt. „Normalerweise fangen Kinder bei uns ab sieben Jahren an. Wenn die Koordination aber schon recht gut ist, gibt es auch Ausnahmen“, sagt Gawenda. Ziel bei den Kindern ist es, Spaß zu vermitteln, aber auch Selbstvertrauen und Koordination zu stärken. Das kann an den niedrigeren „Boulderwänden“ beginnen, an denen man sich nicht an Seilen sichern muss, und über die verschiedenen Schwierigkeitsgrade der Zehn-Meter-Wände bis zum 15 Meter hohen Parcours fortgesetzt werden.

Die Kletterstunden nähern sich dem Ende. Und so liegt auch Amelie nun auf einer der dicken Matten vor der Wand. Zwei Stunden Klettern haben die Fünfjährige geschafft. „Mama,“ sagt sie müde, „ich bin K.o.!“