Stefanie Horn holt bei der EM in Polen die Silbermedaille - bei ihrem ersten Start für Italien
Da stand sie nun, auf dem Treppchen bei der Kanu-EM im polnischen Krakau. Bekam die Silbermedaille um den Hals gehängt und genoss den Applaus. Dass dabei die ersten Klänge der „Fratelli d’Italia“ ertönten, fand auch Stefanie Horn anfangs „noch ein bisschen komisch“. Doch das Erklingen der italienischen Nationalhymne gehört eben dazu, wenn man für die Republik aus dem Süden Europas startet. Und spätestens als ihre italienischen Teamkameraden sie nach ihrer spektakulären Finalfahrt durch das tosende Wasser lautstark hatten hochleben lassen, waren die Gedanken ohnehin ganz weit weg von Deutschland.
Seit diesem Jahr ist die 22-Jährige für den italienischen Kanu-Verband startberechtigt. Viele Jahre trug das Mädchen aus dem Bottroper Eigen den Bundesadler auf dem Helm, sie war im Jugend- und Juniorenbereich eine der erfolgreichsten Wildwasser-Kanutinnen des deutschen Kanu-Verbandes. Warum also nun Italien? Warum der Wechsel? Da wäre zum einen ihr Lebensgefährte, der italienische Kanufahrer Riccardo De Gennaro. Durch ihn lernte sie in den vergangenen vier Jahren auch die anderen Mitglieder der italienischen Nationalmannschaft kennen. Dass es in dieser Phase zu Unstimmigkeiten mit dem deutschen Trainerstab kam, machte die Entscheidung zum Wechsel nach Italien nicht wirklich schwerer. Mit einem Riesenerfolg im ersten Wettkampf hätte Stefanie Horn aber selbst nicht gerechnet. „Ich wäre schon über einen Platz in den Top 15 froh gewesen“, sagt die Studentin der Ernährungswissenschaft.
Zahlreiche Favoritenstürze
Froh war sie zunächst, überhaupt starten zu können. Auch Krakau kämpft derzeit mit dem Hochwasser, der Pegel der Weichsel stieg Meter um Meter: Die Meisterschaft: kurz vor dem Abbruch. Die künstliche Wildwasserstrecke: „abgesoffen“. Nur durch einen verkürzten Zeitablauf und doch noch fallenden Pegelstände, konnten die 25 angereisten Nationalteams in ihre Boote steigen. Der Kurs gestaltete sich entsprechend anspruchsvoll und sollte im Laufe des Wettbewerbs zahlreiche Favoriten zur Verzweiflung bringen.
Das Halbfinale begann zunächst mit einem Schock – für die Konkurrenz. Stefanie Horn meisterte den Parcours in nur 93 Sekunden. Sowohl die amtierende Olympiasiegerin Emile Fer (Frankreich) als auch die mehrfache Olympiasiegerin Stephanka Hillertova (Tschechien) scheiterten. Auch die deutsche Damen-Elite mit Ex-Weltmeisterin Jasmin Schornberg konnte sich so eben für das Finale qualifizieren. Lediglich die Britin Fionna Penny konnte sich noch vor die junge Bottroperin schieben.
Im Finale das gleiche Bild: Eine Sportlerin nach der anderen scheiterte an der schwierigen Strecke, viele kassierten sogar 50 Strafsekunden für ein verpasstes Tor. Nicht aber Stefanie Horn. Mit einem konzentrierten Lauf bestätigte sie ihre Form und lag mit 95 Sekunden mehr als 4,5 Sekunden vor der gesamten Konkurrenz. Nur die Britin Penny war als letzte Starterin nicht zu schlagen und konnte ihre Halbfinal-Fahrzeit noch einmal um 3,5 Sekunden unterbieten.
Dennoch: Für Stefanie Horn war es ein Sensationserfolg, der auch dem veränderten Training zu verdanken ist „Eigentlich habe ich in den vergangen Monaten weniger trainiert – dafür aber intensiver“, sagt die Bottroperin, die in Krakau die einzige Medaille für Italien errang. Selbst die Deutschen gingen leer aus. Glückwünsche gab es trotzdem: „Die Deutschen, mit denen ich mich immer gut verstanden habe, haben sich für mich gefreut.“
Was die Zukunft bringen wird? Stefanie Horn lebt derzeit im italienischen Brescia am Gardasee und schreibt dort ihre Bachelor-Arbeit. Danach will sie ihren Master-Abschluss an der Uni in Mailand machen. Doch steht zuvor noch ein straffes Sportprogramm an: fünf Weltcup-Rennen sowie die Weltmeisterschaft in Prag, dazu kommen die U23-WM und U23-EM. Ziel sind dann 2016 die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Da würde sie gerne starten – wenn sie bis dahin die italienische Staatsangehörigkeit erhalten hat.