Bottrop. Nina Endt machte nicht nur gute Erfahrungen in den USA. Die 21-Jährige ist nach einem Ermüdungsbruch wieder zurück beim LC Adler Bottrop.

Auch wenn Sportstipendien in den USA jungen Frauen und Männern große Chancen bieten, sich sportlich und auch persönlich weiterzuentwickeln, Teamdynamik zu erleben und und unter optimalen Bedingungen zu trainieren, hat das System auch Schattenseiten. Oft wird dem College-Sport in den USA eine „Friss-oder-stirb“-Mentalität nachgesagt. Nina Endt hat auf der anderen Seite des großen Teichs ihre persönlichen Erfahrungen damit gemacht. Die Läuferin des LC Adler Bottrop spricht in unserem großen Interview auch über die nicht so strahlenden Momente ihrer Zeit in Amerika.

Sie haben sich dazu entschieden, ein Sportstipendium in den USA wahrzunehmen. Wie kam es dazu?

Ich wollte auch im Studium die Möglichkeit haben, intensiv meinem Sport nachzugehen und nicht zu sehr eingeschränkt zu sein. Ich habe über die Bundeswehr nachgedacht, dass dann aber auch schnell wieder abgehakt. Ich habe dann von der Möglichkeit eines Sportstipendiums in den USA erfahren. Ich habe mich direkt über eine Agentur beworben und hatte auch gleich einige Angebote. Ich hatte dann auch schnell meinen Favoriten und habe mir für die Florida Atlantic University entschieden.

Das Leben auf dem Campus in Amerika kennen wir hier ja eher aus Filmen. Wie sah Ihr Uni-Alltag aus?

Der Campus war traumhaft schön und riesengroß. Dort haben die Studenten alles was man braucht. Zum Essen ging es immer in die Cafeteria und abends habe ich mich meistens mit anderen Studenten getroffen. Zum zwei Kilometer entfernten Strand bin ich aber nur selten gekommen. Das Trainingsprogramm hatte es in sich. Drei Einheiten pro Tag, die erste um halb sieben vor dem Frühstück. Das Studium an sich unterscheidet sich sehr stark von dem in Deutschland. Die Kurse werden anders gewählt; so hatte ich als Biologie-Studentin auch Pflichtkurse in Musik und Psychologie. Generell war der Unterrichtsstoff um einiges leichter.

Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt? Also zwischenmenschlich, im Studium, im Training?

Ich habe in den USA viel deutlicher erlebt, dass Laufen kein einsamer Sport sein muss. Ich bin viel in einer Gruppe unterwegs gewesen, das ist ein großer Gewinn. Ich habe für mich selbst auch erkannt und akzeptiert, dass nicht in jeder Trainingseinheit hundert Prozent möglich sind. Durchhänger gehören dazu, wenn man so intensiv seinem Sport nachgeht. Glücklich bin ich darüber, so viele Menschen von überall her kennengelernt zu haben.

Wie liefen die Wettkämpfe ab? Wie ist dort die Struktur?

Wir mussten oft mit dem Bus oder sogar mit dem Flugzeug anreisen. In der Regel schon einen ganzen Tag vor den Wettkämpfen. Meistens habe ich dann noch einen kleinen Lauf absolviert. Da die Wettkämpfe ja während der Schulzeit stattfinden, haben die meisten nebenbei noch gelernt und Hausaufgaben erledigt. Abends gab es dann immer „Olive Garden“, sprich Nudeln und Salat, möglichst viele Kohlehydrate. Morgens sind wir dann zusammen zum Meeting gefahren. Warmmachen eine Stunde vor dem Wettkampf, die Startnummer abholen und dann an den Start. Am Abend nach den Wettkämpfen haben wir uns dann oft getrennt und sind etwas essen gegangen, wo wir wollten. Organisiert sind diese Meetings ganz ähnlich wie in Deutschland auch.

Wie kam es zur Entscheidung, die USA vorzeitig zu verlassen und wieder nach Deutschland zu gehen?

Ich glaub ich habe meine Freunde und Familie doch am Ende mehr vermisst, als ich mir das anfangs eingestehen wollte. In Florida ist das Wetter schöner, aber Deutschland ist ja trotzdem meine Heimat. Ich habe mir das lange durch den Kopf gehen lassen und dann für mich erkannt, dass ich mit einem deutschen Abschluss bessere Jobchancen habe. Ich studiere jetzt wieder Molekularbiologie an der Universität in Recklinghausen und trainiere beim LC Adler Bottrop.

Wie waren die Trainingsumfänge zu Ihrer Zeit in den USA?

Die haben sich gefühlt verdreifacht. Montags, mittwochs und oft auch freitags gab es schon um 6.30 Uhr härtere Einheiten und abends dann noch ein 30-minütiger „Shake out“, bei dem wir Fahrrad fahren, laufen oder das Elliptical nutzen sollten. Dienstags und donnerstags war es nicht weniger hart; morgens ein 45-minütiger Lauf, direkt danach zum Krafttraining und am Abend dann eine Stunde Schwimmen, mindestens 1500 Meter oder Aquajogging. Dazu kam jeden zweiten Mittwoch Yoga und am Samstag unser langer Lauf, ab 15 Kilometer aufwärts. Sonntag hatten wir dann frei, aber ich bin dann oft noch eine halbe Stunde zum Schwimmen gegangen. Insgesamt waren das dann wöchentliche Laufumfänge von 60 bis 80 Kilometern.

Haben Sie Fortschritte bemerkt?

Eher im Gegenteil. Mein Körper litt zunehmend unter dem vielen Sport. Dazu kam noch das Studium, auch wenn das nicht allzu schwierig war. Hausaufgaben und Arbeiten mussten wir ja trotzdem schreiben. Trotz der harten Trainingseinheiten habe ich gemerkt, wie ich immer mehr an Leistung abnahm. Es lag allerdings nicht nur am Training, sondern auch daran, dass ich meine Eisenwerte nicht in den Griff bekam. Obwohl ich Ergänzungsmittel genommen habe, hatte ich sehr niedrige Werte und war schnell erschöpft. Dennoch würde ich nicht sagen, dass es ein grundsätzlich schlechter Trainingsplan war, es war einfach nicht der richtige für mich.

Sie sind an Grenzen gestoßen. Wie hat sich das bemerkbar gemacht?

Als ich durch den ganzen Stress, den ich mir selbst gemacht habe, Gürtelrose bekam und von mir verlangt wurde, trotzdem weiter zu trainieren, obwohl mein Körper einfach erschöpft war, war das schon sehr hart. Gleich danach kamen die Indoor-Wettkämpfe, bei denen ich so schlechte Zeiten lief wie schon lange nicht mehr. Gleich danach verletzte ich mich zuerst am Fuß, als ich bei einem Wettkampf umknickte, und direkt danach kam es zum Ermüdungsbruch. All das geschah innerhalb von ein, zwei Monaten.

Die letzten Monate in den USA verbrachte Nina Endt an Krücken. Ein Ermüdungsbruch bedeutete Sportverbot.
Die letzten Monate in den USA verbrachte Nina Endt an Krücken. Ein Ermüdungsbruch bedeutete Sportverbot. © Nina Endt

Wie kam es zu Ihrer Verletzung und wie sind Sie damit umgegangen?

Mein Arzt hat mir zwei Gründe für den Ermüdungsbruch genannt: Einen Mangel an Vitamin D und die dauerhafte Belastung. Läufer sind generell anfälliger als zum Beispiel Radrennfahrer oder Schwimmer. Es ist schon komisch zu hören, dass jemand, der ein Jahr in Florida war, zu niedrige Vitamin-D-Werte hat, denn dort scheint die Sonne nahezu immer, aber es ist anscheinend möglich. Die Physiotherapeuten vor Ort haben mich am Anfang nicht ernst genommen, da ich einen Ermüdungsbruch an einer ungewöhnlichen Stelle hatte, nämlich am Knie. Daher gingen sie zuerst nicht davon aus und haben nichts dagegen unternommen. Ich hatte allerdings sehr starke Schmerzen, jede Bewegung tat weh. Erst als die Mediziner erfahren haben, um was es sich handelt, durfte ich mein Bein nicht mehr belasten, bekam eine Schiene und Krücken.

Wie sah die Behandlung aus?

Zwei Wochen durfte ich nicht einmal schwimmen gehen und danach nur unter der Voraussetzung, die Beine nicht zu belasten. Dann ging es auch nach Hause als im März das Coronavirus zum ersten Mal ausbrach, was den Umgang mit der Verletzung ein bisschen einfacher für mich machte. Aber es stand schon fest, dass ich für mindestens acht Wochen nicht mehr laufen durfte. Am Ende wurden daraus vier Monate.

Würden Sie sich im Nachhinein wieder für Amerika entscheiden?

Ja, doch schon. Es klingt jetzt alles sehr negativ, weil ich einfach einen unschönen Abschluss hatte, aber es gab genauso viele schöne Momente. Und das Laufen oder generell der Sport hat mir auch in diesem Ausmaß noch Spaß bereitet.

Nach dieser Zeit in Amerika und der Verletzung, was hat sich da für Sie sportlich verändert?

Ich kam nach Hause und fiel regelrecht in ein Loch. Ich hatte keine Lust mehr, Sport zu treiben, zumal mir fast alles vom Arzt verboten wurde. Auch als ich wieder laufen durfte, meine Ausdauer und Kraft, alles war weg, das war fürchterlich deprimierend. Alles was man davor aufgebaut hat an Leistung, war nicht mehr da. Auch jetzt noch habe ich bei weitem nicht mehr die Motivation, die ich vor der Zeit in Amerika hatte.

Würden Sie noch einmal aktiv an Wettkämpfen teilnehmen oder ist das abgehakt und das Laufen nur noch ein Hobby?

Stand jetzt bleibt das Laufen erstmal nur ein Hobby für mich. Früher lag der Fokus auf dem Sport, jetzt liegt er auf meinem Studium. Aber man weiß ja nie, vielleicht packt mich auch irgendwann wieder die Lust.

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