Kirchhellen. Zwei Mal spielte Andre Wiwerink Relegation. Einmal gegen RB Leipzig, einmal gegen die SG Gelsenkirchen. Das Highlight erlebte er aber auf Schalke.
Wenn Andre Wiwerink heute bei den Alten Herren des VfB Kirchhellen noch gegen den Ball tritt, möchte er einfach nur Spaß haben und die Gemeinschaft genießen. Denn die sei in Kirchhellen „überragend“, wie Wiwerink sagt. Einmal die Woche, jeden Montagabend, spielt er dann an der Loewenfeldstraße und saugt die Ruhe voll und ganz auf. Denn das war nicht immer der Fall im Leben des 39-Jährigen, der aus Neuenkirchen im Münsterland stammt.
Wiwerink hat in seinem fußballerischen Leben schon so einiges erlebt. Seine ersten Schritte ging er beim TuS St. Arnold, ehe es ihn zum SuS Neuenkirchen zog, wo der junge Innenverteidiger sich in die Notizbücher der Scouts des FC Schalke 04 kämpfte, kurz danach - mit 15 Jahren - den Schritt nach Gelsenkirchen vollzog und somit auch das gemachte Nest in Neuenkirchen verließ. Seine neue Heimat: Bottrop. „Ich habe bei einer Gastfamilie in Bottrop gelebt und gleichzeitig eine Ausbildung bei der Volksbank in Bottrop gemacht“, erinnert sich Wiwerink.
Als Rot-Weiss Essen anrief, setzte Andre Wiwerink alles auf eine Karte
Sechs Jahre lief er im königsblauen Trikot auf, erst für die Jugend, dann für die zweite Mannschaft. Zum großen Karrieresprung in die Bundesliga reichte es allerdings nicht. Stattdessen zog er weiter, erst zum SV Adler Osterfeld, dann zum 1. FC Kleve. „Da hatte ich mich eigentlich schon auf eine Bankkarriere vorbereitet und wollte nebenbei so hohen Amateurfußball wie möglich spielen“, sagt Wiwerink. Doch dann veränderte ein Anruf doch noch einmal sein ganzes Leben: ein Anruf von Rot-Weiss Essen. „Die spielten damals in der zweiten Liga, sodass ich die Perspektive gesehen habe, doch noch den Sprung nach ganz oben zu schaffen. Ich habe dann meinen Job an den Nagel gehangen und mich nur noch auf den Fußball konzentriert“, so Wiwerink.
An der Hafenstraße machte der Innenverteidiger zwei Spieler in der zweiten Liga, eins gegen den 1. FC Saarbrücken, das andere gegen LR Ahlen. Zu mehr reichte es nicht, nach einem halben Jahr war Schluss in Essen, nicht jedoch im Fußball unter Profibedingungen.
Im Relegationsspiel an RB Leipzig gescheitert
Wiewerink zog weiter zum Wuppertaler SV, pendelte stets aus Bottrop gen Süden und spielte in der Regionalliga. Später ging es zum Bonner SC, dann zu den Sportfreunden Lotte, wo er vor allem den Mannschaftsgeist sehr genoss. „Das war außergewöhnlich“, sagt er heute und erinnert sich an ein Spiel, das sich für immer in sein Gedächtnis eingebrannt hat: das Relegations-Rückspiel um den Aufstieg in die dritte Liga. Gegner damals, 2013: Rasenballsport Leipzig.
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„Das war mein letztes Profispiel. Wir hatten das Hinspiel in Leipzig 0:2 verloren. Im Rückspiel ging es in die Verlängerung, in der Leipzig sich dann aber durchgesetzt hat“, so Wiwerink, der damals in der 86. Minute eingewechselt wurde und unter anderem gegen Stefan Kutschke verteidigte, heute noch beim FC Ingolstadt aktiv.
Philipp Lahm hinten links, Miroslav Klose vorne drin
Nicht der einzige große Name, auf den Wiwerink traf. Und nicht das einzige große Spiel, in dem Wiwerink mitwirkte. „Mein absolutes Highlight war das DFB-Pokal Achtelfinale mit dem Wuppertaler SV gegen Bayern München in der Arena auf Schalke“, sagt Wiwerink mit einem Hauch von Wehmut in der Stimme. 61.482 Zuschauer zwängten sich in die Veltins-Arena und blickten auf das Spielfeld, wo sich Wiwerink für den Regionalligisten Wuppertal in die Zweikämpfe warf, gegen die Übermacht der Münchener aber machtlos war.
Wiwerink - mit der Kicker-Note 3,0 - übrigens unter den besten Wuppertalern an diesem Tag, trat an gegen eine Bayern-Mannschaft in der Philipp Lahm links verteidigte, in der Toni Kroos und Bastian Schweinsteiger eingewechselt wurden für Zé Roberto und Franck Ribery und der der Doppelsturm Miroslav Klose und Luca Toni für Wirbel sorgte. „Ich wollte immer einmal im Wohnzimmer spielen, das habe ich dann geschafft,“ wenn auch nicht für Schalke selbst, so Wiwerink.
Noch einmal Relegation, diesmal mit dem VfB Kirchhellen
Mittlerweile ist all das Vergangenheit. Die Gegenwart heißt Kirchhellen. „Ich bin hier mit meiner Frau und meinem Sohn, der auch beim VfB Kirchhellen spielt, sesshaft geworden“, sagt Wiwerink, der mittlerweile als selbstständiger Energieberater für Strom- und Gaskostenoptimierung arbeitet und nebenbei bei den Alten Herren spielt. Mit Auf- und Abstiegen will er gar nichts mehr zu tun haben - außer vor zwei Jahren.
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„Damals hatte sich bei der ersten Mannschaft der Max Bertlich kurz vor Saisonende verletzt und Trainer Bartosz Maslon hatte mich gefragt, ob ich aushelfen kann. Da habe ich nicht lange gezögert, mein Herz schlägt mittlerweile natürlich auch für den VfB“, so Wiwerink.
„Ich bin zufrieden, dass ich zehn Jahre lang meinen Jugendtraum leben durfte“
Das Ende ist bekannt: Kirchhellen stieg in der Relegation in die Bezirksliga auf, auch dank Wiwerinks Erfahrung, der sich danach wieder zu den Alten Herren zurückzog, sich dort heute, fernab vom ganzen Trubel, wohlfühlt und mit einem Lächeln im Gesicht auf seine Karriere zurückblickt: „Ich bin ein ehrgeiziger Typ aber ich glaube, dass ich mit meinen Voraussetzungen so ziemlich das Maximum erreicht habe. Ich bin zufrieden, dass ich zehn Jahre lang meinen Jugendtraum leben durfte und mein Hobby zum Beruf gemacht habe.“