Bottrop/Oberhausen. Bei den Bottroper Stadtmeisterschaften bricht ein Spieler zusammen. Ein Vereinskollege ist Rettungsassistent in Oberhausen – und wird zum Retter.
Ein Tennisspiel während der Stadtmeisterschaften endet nicht mit einem verwandelten Matchball, sondern damit, dass einer der beiden Spieler einfach umfällt. Schnurgerade, ungebremst knallt sein Körper auf den Ascheplatz. Der Mann hat einen Herzinfarkt, sein Leben hängt am seidenen Faden. Dass sein Herz nach weniger als drei Minuten wieder im richtigen Takt schlägt, er aller Voraussicht nach keine Folgeschäden fürchten muss, liegt an günstigen Umständen und an Menschen, die richtige Entscheidungen treffen.
Damian Frank ist um halb vier zum TC Waldhof gefahren. Sein Klub ist in diesem Jahr neben dem TV Blau-Weiß Bottrop Gastgeber der Stadtmeisterschaften. Frank ist Teilnehmer, sein Spiel ist für 16 Uhr angesetzt. Wobei: „Eigentlich hätte ich beim TV Blau-Weiß spielen müssen. Ich war nur da, weil ich meinen Spielort tauschen konnte“, sagt Frank. Eine himmlische Fügung. Das zeigt sich schon wenige Minuten nach seinem Eintreffen am Klub.
Im Unglücksfall zählt jede Sekunde
„Ich stand auf der Terrasse, habe das Spiel meines Vereinskollegen Manfred Rüther verfolgt und gesehen, wie er stumpf zu Boden gegangen ist“, schildert Frank die Szene um kurz nach halb vier. Der Bottroper rennt dem Spielfeld entgegen, weist schon auf dem Weg an: „Holt mir den Defibrillator und ruft die Feuerwehr.“ Jede Sekunde zählt, das weiß Damian Frank. Frank ist Rettungsassistent bei der Feuerwehr in Oberhausen. Ein Profi, der in 24 Berufsjahren geschätzt 200 Reanimationen durchgeführt hat. Doch diesmal ist es anders. Er kennt den Menschen, der mit dem Tod ringt, ein Vereinskollege, ein Freund.
Damian Frank kontrolliert den Puls des bewusstlosen Tennisspielers. Hans-Peter Natrop eilt dazu. Der Sportwart des TC Waldhof übergibt den Defibrillator und stützt den Kopf von Manfred Rüther, während Frank die Elektroden des kompakten Gerätes auf die Brust des Spielers klebt. Damian Frank startet den Defibrillator. „Der Defi ist selbsterklärend, da kann man nichts falsch machen“, sagt Frank. Das Gerät benötigt 20 Sekunden für eine erste Analyse und meldet sich dann mit einer Männerstimme: „Schock empfohlen“. Frank weist die Mithelfer an, Abstand zu nehmen, drückt auf den Knopf. Der angeschlossene Körper zuckt, die Arme schlagen aus, das Herz des Tennisspielers steht jetzt still.
Reanimation nach Herzstillstand
„So muss das sein“, sagt Frank, „vom Herzflimmern zum Stillstand, alles lief nach Plan.“ Er beginnt mit der Reanimation. Seine Hände drücken stoßartig und rhythmisch den Brustkorb von Manfred Rüther zusammen. Die routinierten Handgriffe zeigen Wirkung. Es dauert keine 60 Sekunden, bis das Herz wieder im Sinus-Rhythmus schlägt. Rüther öffnet benommen die Augen, der Rettungswagen und der Notarzt treffen ein, lösen Damian Frank ab und fahren den verunglückten Sportler ins Krankenhaus.
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Vor allen Beteiligten liegen noch bange Stunden. Das Geschehene hat alle mitgenommen. Am besten mit der Situation klar kommt Damian Frank. Der Bottroper profitiert von seiner Berufserfahrung: „Der Zeitfaktor ist in einer solchen Situation entscheidend. Je schneller geholfen werden kann, umso größer sind die Chancen für den Betroffenen, am Leben zu bleiben.“ Wie es ist, einem Menschen das Leben zu retten? Frank findet auf diese Frage nicht nur Worte, der Bottroper antwortet mit dem ganzen Körper: „Ein unfassbares Glücksgefühl. Was kann schon schöner sein, als einen Menschen vor dem Tod zu bewahren? Die Situation, dass der Betroffene jemand ist, den ich gut kenne, war neu für mich. Aber deswegen darf man nicht anders handeln.“
Erstversorgung hat Leben gerettet
Die Erstversorgung auf dem Tennisplatz hat Manfred Rüthers Leben gerettet. Als er im Krankenhaus ankommt, können die Ärzte seinen Zustand stabilisieren. Es ist unwahrscheinlich, dass der Bottroper bleibende Schäden davon trägt. „Mir sind während des Spiels einfach die Lichter ausgegangen“, sagt Rüther. An die Details während des Unglücksfalls kann sich der 69-Jährige nicht erinnern. Auch nicht daran, dass er nach der Reanimation wieder die Augen öffnete. „Ich bin erst im Krankenhaus zu mir gekommen und habe dort realisiert, was für ein großes Glück ich hatte.“
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Seinem Lebensretter will Manfred Rüther nach abgeschlossener Krankenhausbehandlung schnell gegenüber treten: „Mir geht es den Umständen entsprechend richtig gut. Ich bin den Menschen, die mir so schnell geholfen haben unheimlich dankbar.“ Wie es ist, dem Deibel noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein? Rüther weiß, dass seine Antwort komisch klingt, aber sie ist ehrlich: „Eine unglaublich schöne Erfahrung.“ Der Bottroper setzt jetzt alles daran, wieder ganz gesund zu werden. Am 10. September 2020, das weiß er schon heute, will er sich mit Freunden und allen, die an seiner Rettung beteiligt waren, auf der Tennisanlage des TC Waldhof treffen: „Dieser Tag wird mein zweiter Geburtstag sein.“