Bottrop. . Lara Schelonke spielt mit der SG Bottrop/Borbeck gegen Tusem Essen, den Abstieg und ihre Schwester Lisa. Der Familienfrieden ist nicht in Gefahr.

Gisela Schelonke steckt in der Klemme. Normalerweise unterstützt die Mutter ihre Tochter Lara bei Heimspielen der SG Bottrop/Borbeck – lautstark trommelnd, bis die Hände schmerzen. Doch was soll sie am kommenden Samstagabend tun, wenn bei Gegner Tusem Essen ihre andere Tochter Lisa auf dem Parkett steht? Und ausgerechnet die ihre Zwillingsschwester in die Verbandsliga schicken kann?

Eine Woche vor dem Familienduell, Ortsbesuch im Essener Norden. Die 21-jährige Lara Schelonke öffnet die Tür eines kleinen, zurückliegenden Hauses mit großem Garten und bittet herein. Am Treppenaufgang wartet Lisa Schelonke, neun Minuten älter. Der erste Blick verwundert. Zwillinge? Die blonde Lara überragt ihre brünette Schwester deutlich, auch wenn sich beide wie aus dem Gesicht geschnitten sind. „Immer, wenn wir das erzählen, denken alle, wir haben vier Promille“, sagt Lisa, schaut zu Lara rüber – und beide fangen an zu lachen.

Vom Kunstturnen zum Volleyball

Nein, die Geschichte des doppelten Lottchens lässt sich beim Duo nicht erzählen – trotz gleichen Anfangsbuchstaben. Unterschiede tun sich immer wieder auf, etwa zu Beginn der sportlichen Karriere. Vom Kunstturnen verabschiedete sich Lisa schon zwei Jahre früher als ihre Schwester, um in den Mannschaftssport zu wechseln. Doch gleichzeitig übte der Volleyball auch auf Lara eine fast magische Anziehung aus. „Statt zu turnen, habe ich immer mit dem Ball gespielt. Dann bin ich auch irgendwann rüber gegangen.“

Schweres Restprogramm für die Konkurrenz

Der erste Ballwechsel geht am Samstagabend um 19 Uhr über die Bühne, gespielt wird in der Bottroper Dieter-Renz-Halle.

Die Gastgeberinnen haben aktuell vier Punkte Rückstand auf den Abstiegs-Relegationsplatz. Am letzten Spieltag wartet auf die Bobos noch Schlusslicht VC SFG Olpe II, während Aachens Dritte das deutlich schwerere Restprogramm hat.

Rüber, das heißt zum VC Essen-Borbeck. Dort teilten sich beide ab 2012 die Position der Außenangreiferin, ebenso wie ein Platz im Sand. Beim Beachvolleyball schaffte es das Duo zum doppelten Vize-Titel bei den Westdeutschen Meisterschaften und zur DM nach Kiel. „Manche kamen mit Trainer und Betreuer. Wir haben einfach gehofft, dass wir uns an dem Tag gut verstehen – dass wir wissen, wo die Andere hinläuft“, sagt Lisa, gefolgt von Gelächter. Lara ergänzt grinsend: „Das klappte auch meistens.“ Talent und Ehrgeiz auf der einen Seite, Spaß und Lockerheit auf der anderen – ein Erfolgsrezept.

Lara schnupperte Luft in der 2. Bundesliga

Der Spaß kam Lisa jedoch abhanden, als es beim VCB im Verhältnis zum Trainer knirschte. Die Wege der Zwillinge trennten sich, über den TV Jahn Königshardt ging es für die Ältere zu Tusem Essen – in neuer Rolle als Libera. Lisa, ohne nachzudenken: „Was soll ich mit meinen 1,65m auch am Netz?“ Ihre Schwester blieb am Netz – und auch in Borbeck. Dort schnupperte sie mal in die 2. Bundesliga beim VC Allbau, bevor es zuletzt in der Spielgemeinschaft mit Bottrop um Punkte ging. Was zurück zum Familienduell am Samstag führt.

Denn wenn es schlecht läuft für Laras Bobos, kann Lisa die Schwester samt Team zurück in die Verbandsliga befördern. Eine Ausgangslage, in der sich die Ältere wohl fühlt – ein schelmisches Grinsen und Sticheleien gibt es im Minutentakt. Lara lässt sich nicht beeindrucken. „Ich blende das im Spiel komplett aus, dass sie auf der anderen Seite steht. Ich werde alles reinwerfen und will die Klasse halten.“

Persönlicher statt sportlicher Anreiz

Ein Punkt, der für den Außenseiter spricht, denn Tusem steht in der Tabelle jenseits von Gut und Böse. Kein Grund jedoch, etwas schleifen zu lassen. Lisa: „Wir sind beide sehr ehrgeizige Menschen, sonst bräuchten wir den Sport nicht auszuüben. Ich werde jetzt nicht nett sein, damit ihr nicht absteigt.“ Die Beziehung liegt also 90 Minuten auf Eis, wenn Angreiferin Lara ihrer Schwester die Bälle um die Ohren drischt.

Und wenn es doch zum familiären Worst-Case kommt? „Nach dem Spiel sind wir wieder Schwestern, sie ist ja meine beste Freundin“, sagt Lisa – diesmal völlig ernst. Lara ergänzt: „Sport bleibt Sport und der Bessere gewinnt.“ „Und das werden wir sein“, hat die Ältere das letzte Wort, bevor beide wieder lachen.

Zum Familiendrama kommt es also nicht, bleibt nur noch die Frage nach Mama Gisela. Für wen schlägt am Samstag das Herz der 57-Jährigen? „Du kriegst am Freitagabend auf jeden Fall was in dein Essen“, sagt sie lachend und deutet auf Lisa. Die erwidert schlagfertig: „Dann esse ich nix. Stattdessen kannst du Taschentücher einpacken – am besten für die ganze Mannschaft.“ Die Linien sind gezogen – die Trommel schlägt am Samstag also für die SG Bottrop/Borbeck. Motivieren wird sie aber beide Schwestern.